Der deutsche Schauspieler Martin Held sagte einmal: «Jeder will alt werden, aber keiner will es sein». Das drückt sehr gut unser zwiespältiges Verhältnis zum Altern aus.
Fast alle von uns wünschen sich ein langes Leben mit Erreichen eines hohen Alters. Gleichzeitig fürchten wir uns aber vor den möglichen Konsequenzen des Altseins und den damit verbundenen Einschränkungen der Lebensqualität. Chronische Schmerzen, reduzierte Mobilität und eingeschränkte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, weniger soziale Kontakte bis hin zur Pfiegebedürftigkeit sind die Ängste, die möglicherweise auftauchen, wenn wir vom Alter sprechen.
Als Mass der Qualität der medizinischen Versorgung eines Landes wird gerne die durchschnittliche Lebenserwartung herangezogen. Hier in der Schweiz haben wir eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt. Mittlerweile lebt eine Frau im Durchschnitt 85 Jahre, ein Mann immerhin auch 81 Jahre. Nur schon 1950 waren diese Zahlen noch deutlich tiefer. Damals betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen noch 71, für Männer 66 Jahre. Über die letzten 60 Jahre hat die Lebenserwartung kontinuierlich zugenommen und ist etwa alle fünf Jahre um ein Jahr angestiegen. Im Jahr 1900 betrug auf Grund der damals noch hohen Kindersterblichkeit die durchschnittliche Lebenserwartung sogar nur 49 beziehungsweise 46 Jahre für Frauen resp. Männer. Trotz der massiven Verbesserung der Kindersterblichkeit und der damit verbundenen massiven Veränderung in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war die Zunahme der Lebenserwartung mit einem Jahr gewonnener Lebenserwartung alle vier Jahre nur gering schneller als die auch aktuell noch beobachtete Zunahme von einem Jahr mehr Lebenserwartung alle fünf Jahre.
Aber ist das denn nun positiv? Manche meiner Patienten sehen die zunehmende Lebenserwartung eher kritisch und meinen, wir seien nun einfach länger alt. Sie befürchten, die 10 bis 20 Jahre zusätzlichen Lebens würden in einem schlechten Allgemeinzustand im Alters- oder Pflegeheim verbracht. Sicher ist es immer noch so, dass die wenigsten aus voller Gesundheit heraus plötzlich sterben, und dass vor dem Tod einige Jahre mit nachlassender Gesundheit und zunehmender Hilfsbedürftigkeit die Regel sind.
Die Dauer dieser Zeit hat aber in den letzten Jahrzehnten nicht zugenommen und die hinzugewonnenen Lebensjahre werden dementsprechend bei guter Gesundheit verbracht.
Ja ich glaube sogar, dass sich die Lebensqualität bei den relativ «jungen Alten» deutlich verbessert hat. Ein 60-jähriger ist heutzutage so fit wie 1950 ein 50-jähriger, und ein 85-jähriger hat im Durchschnitt etwa so viele Altersleiden wie 1950 jemand mit 75 Jahren.
Meiner Ansicht nach werden wir also nicht immer länger alt und krank, sondern bleiben immer länger jung und gesund. Und das ist doch ein gewisser Trost, auch wenn trotz aller Medizin und gesunder Lebensweise Krankheit und Tod nur aufgeschoben, aber nie ganz vermieden werden können.