Gleich zwei Plattformen wurden kürzlich lanciert, um chronisch kranke und gesunde Menschen dabei zu unterstützen, sich im komplexen Gesundheitswesen besser zurechtzufinden. d-journal hat nachgefragt bei den Anbietern und der Schweizerischen Patientenorganisation SPO.

Die Sicht der SPO zu Gesundheitsplattformen

Wie beurteilen Sie vonseiten SPO die Entwicklung solcher Plattformen (Vorteile, Nachteile)?

Grundsätzlich finden wir es sinnvoll, wenn Patientinnen und Patienten an einem Ort Zugang zu all ihren Gesundheitsdaten haben – unter der Voraussetzung, dass der Patient selbst «Herr» über diese Daten ist, das heisst, sie vollumfänglich verwalten und freigeben beziehungsweise nicht freigeben kann. Der Vorteil liegt unbestritten darin, dass digitale Gesundheitsplattformen live Daten bieten und es Patientinnen und Patienten ermöglichen, ihren behandelnden Fachpersonen Daten schnell und einfach zugänglich zu machen – ähnlich wie die Idee des EPD. Ein Problem sehen wir darin, dass es zu viele verschiedene Anbieter gibt, denen sich nicht alle Leistungserbringenden anschliessen können. Oder dass es nur Angebote für Versicherte bestimmter Krankenversicherer gibt – diese Angebote sind zwar häufig sehr sinnvoll, sie würden ihren Zweck aber vor allem erfüllen, wenn sie allen Patientinnen und Patienten gleichermassen zugänglich wären und möglichst alle Leistungserbringenden involviert wären (wie dies beim EPD der Fall ist).

Welchen Nutzen haben Gesundheitsplattformen für Menschen mit einer chronischen Erkrankung (im Speziellen Diabetes)?

Gerade chronisch Kranke können von ihnen profitieren, weil sie ihre eigene Expertise nutzen können, indem sie ihre Daten an einem Ort haben. Menschen mit vielen Berührungspunkten mit dem Gesundheitswesen haben häufig das Problem, dass sie ihre Biografie immer wieder neu mitbringen/erzählen müssen. Dies ist nicht nur fehleranfällig, sondern auch mühsam und kostet. Digitale Lösungen, die Daten bündeln, sind somit insbesondere für chronische Patient:innen sinnvoll. Ausserdem stärkt es die eigene Autonomie, wenn Daten selbst verwaltet und freigegeben werden können.

Was raten Sie Menschen mit Diabetes, die sich einer Plattform anschliessen wollen?

Vielen Menschen ist verständlicherweise der Datenschutz wichtig, weshalb wir dazu raten, immer das entsprechende Reglement zu studieren. Ebenfalls raten wir, die Quellen, die Finanzierung sowie die teilhabenden Institutionen/Fachpersonen zu überprüfen und gegebenenfalls beim Anbieter nachzufragen. Oft ist es auch hilfreich, behandelnde Fachpersonen zu fragen, beispielsweise den Hausarzt. Ganz grundsätzlich sollte sich jeder und jede auch fragen, was das persönliche Ziel bei der Nutzung eines solchen Angebots ist und ob dieses auch erreicht werden kann.

Die Gesundheits-App Well

Wer ist bei Well alles beteiligt? Wer wird «vernetzt»?

Die Well-App bietet der Schweizer Bevölkerung einen einfachen Zugang ins Gesundheitswesen und vernetzt Patient:innen mit nützlichen Services von Krankenversicherungen, Apotheken, Ärzten, Tele- und Onlinemedizinern sowie weiteren Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen. Ein Konsortium bestehend aus CSS, DocMorris, Galenica, Medi24, Swiss Medical Network und Visana hat Well als offene Plattform gegründet. Bereits kooperieren Dutzende weitere Partner mit Well.

An wen richtet sich Ihre Plattform (nur Versicherte der Ihnen angeschlossenen Krankenkassen oder alle Interessierten?) und wie kommt man in den Genuss der Plattform (kostet das etwas)?

Die Well-App kann von der ganzen Schweizer Bevölkerung – unabhängig von der angeschlossenen Krankenversicherung – kostenlos genutzt werden. Also einfach Well-App downloaden, registrieren und los geht’s …

Es stehen viele kostenlose Services, wie der Symptom-Checker und andere mehr, zur Verfügung. Verbundende ärztliche, telemedizinische oder pharmazeutische Dienstleistungen werden gemäss den gesetzlichen Bestimmungen durch die Krankenversicherung oder als Selbstzahlerservices direkt durch den Anbieter abgerechnet.

Welchen Nutzen hat Well für Menschen mit einer chronischen Erkrankung (im Speziellen Diabetes)?

Die Well-App bietet chronisch Kranken seit Dezember unterstützende Services zu sieben der verbreitetsten Krankheitsbildner (u. a. Diabetes) mit einer Übersicht zu Informationen, Services und Selbsttests von Drittpartnern. Auch der Diabetes-Typ-2 Risikotest von diabetesschweiz ist dort direkt eingebunden.

Welche Leistungen deckt Ihre Plattform ab?

Well deckt als integrierte Gesundheitsplattform für die Schweizer Bevölkerung zahlreiche Services in Prävention und Behandlung, massgeschneiderte und datengetriebene integrierte Versorgungsangebote und tiefere Kosten sowie für alle Akteure im Gesundheitswesen mehr digitale Vernetzung und Effizienz ab.

Das System Compassana

Wer ist bei Compassana alles beteiligt? Wer wird «vernetzt»?

Das Compassana Ökosystem besteht aus Leistungserbringenden, etwa Ärztinnen und Ärzten, Spitälern, Apotheken, Laboren und Telemedizin-Zentren sowie Krankenversicherungen. Compassana ist ein offenes Ökosystem: Jeder kann sich anschliessen, sofern ein Konsens zur Zusammenarbeit gegeben ist.

An wen richtet sich Ihre Plattform (nur Versicherte der Ihnen angeschlossenen Krankenkassen oder alle Interessierten?) und wie kommt man in den Genuss der Plattform (kostet das etwas)?

Alle Interessierten können die Compassana Patient:innen- App kostenlos auf ihrem Smartphone nutzen. Wer bei Groupe Mutuel, SWICA oder Helsana versichert ist, kann den Versicherungslogin nutzen und profitiert von weiteren Services wie automatisch aktualisierten Medikamentenlisten.

Welchen Nutzen hat Compassana für Menschen mit einer chronischen Erkrankung (im Speziellen Diabetes)?

Die App bietet auch Diabetikerinnen und Diabetikern eine chronologische Übersicht über die bisher digital erfassten Termine, Medikamente, Arzt- und Laborberichte und Dokumente. Patientinnen und Patienten können ihre künftigen Termine und Behandlungen planen und ihren Krankheitsverlauf besser verstehen. Hierfür können sie direkt via App ihre Gesundheitsspezialisten kontaktieren und sich datenschutzkonform austauschen. Das medizinische Behandlungsteam kann mit dem Einverständnis der Patientinnen und Patienten gemeinsam diese Daten auf dem Compassana Med Cockpit einsehen und auch bearbeiten. Hiermit haben alle Beteiligten den aktuellen Stand der Behandlung direkt zur Verfügung.

Welche Leistungen deckt Ihre Plattform ab?

Das gesamte Spektrum der Leistungserbringenden, also etwa Hausärztinnen und Hausärzte, Apotheken, Spitäler, Labore und Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten sowie die Krankenversicherungen. Daneben sind spezielle integrierte Versorgungskonzepte für Diabetikerinnen und Diabetiker geplant.