Olivia Ehrler und Laura Burlando sitzen zusammen am Tisch

René Theiler, Olivia Ehrler und Laura Burlando können sich ein Leben ohne Closed-Loop-System nicht mehr vorstellen. Dass die Insulinpumpe Tag und Nacht am Körper getragen werden muss, wird durch die neu gewonnene Lebensqualität zur Nebensache. Ruhige Nächte dank stabiler Werte, eine gesteigerte Tagesform und verbesserte Langzeitwerte sind Fortschritte, die alle unabhängig voneinander nicht mehr missen möchten. Doch – auch darin ist man sich einig – gibt es noch Bedarf zur Weiterentwicklung des Systems.

Porträt von René TheilerFür René Theiler kam das Closed-Loop-System genau zum richtigen Zeitpunkt. Kurz nach seiner Pensionierung entschied er sich für eine DBLG 1-Pumpe, was für ihn eine Verknüpfung glücklicher Umstände war. Er hatte plötzlich viel mehr Zeit und Musse für sich und seine Gesundheit. «Der Loop und der Beginn meines neuen Lebensabschnitts liessen mich auch meinen Diabetes neu denken. Ich habe mich gefragt, was ich dazu beitragen kann, mein Wohlbefinden zu verbessern, und hatte dafür mehr Ressourcen zur Verfügung», erklärt der 67-Jährige. Diese Chance hat er genutzt und dank Intervallfasten 15 Kilogramm abgenommen. Er bewegt sich täglich mindestens eineinhalb Stunden an der frischen Luft, in Urlauben und während der Velo-Saison
kann es auch mal mehr sein.

Doch gerade das Thema Sport ist und bleibt ein Stolperstein für René Theiler. Einerseits wagt er sich heute etwa bei grösseren Bergtouren immer wieder hoch hinaus, was in Zeiten des Pens undenkbar gewesen wäre. Andererseits muss die Pumpe dabei ständig kontrolliert werden. Seine sportliche Aktivität teilt er dem System während eines reichhaltigen Frühstücks mit, jedoch immer mit der Frage nach dem optimalen Input im Hinterkopf. Er hat die Erfahrung gemacht, dass die Pumpe im Sportmodus oft arbeitet, wenn sie nicht sollte. Und so setzt sich René Theiler kontinuierlich mit deren Feineinstellung auseinander und steht dabei in engem Austausch mit seinem Diabetologen. «Meines Erachtens gibt es hier noch Entwicklungspotenzial», so Theiler. «Es wäre unehrlich zu sagen, man habe dank neuer Technologie nichts mehr mit den Einstellungen zu tun. Es hat mich erstaunt, wie viel ich mich noch damit beschäftige – und das Blutzuckermessgerät ist immer in der Nähe.»

Doch der ehemalige Primarlehrer und Schulleiter möchte auch betont haben, dass viele Ängste nicht mehr da seien. «Es ist ein neues Lebensgefühl dank gesteigerter Achtsamkeit. Ich habe mich darauf eingelassen und würde nicht mehr zurückwollen.» René Theilers HbA1c-Werte unterstreichen seine Aussage. Lagen sie mit dem Pen bei 8,4%, haben sie sich heute bei 7,5% eingependelt.

«Das Closed-Loop-System ist kein Selbstläufer. Für mich war es wie eine Weiterbildung und dazu muss man ja sagen.»

Auch der Wert von Olivia Ehrler hat sich um einen Prozentpunkt verbessert. Die 29-Jährige liebt das Leben und weiss es zu geniessen. Im letzten Frühling hat sie sich nach reiflicher Überlegung für die Ypsopump entschieden. Bis dahin war es ein langer Prozess. Den Gedanken, immer ein Gerät an sich tragen zu müssen, das für andere sichtbar ist, empfand sie als abschreckend. Doch dann war sie plötzlich so weit und dachte sich: «Ich probiere es jetzt einfach mal!» Ihr Mut wurde belohnt. Im Sommer war sie gleich vier Wochen in Mexiko unterwegs. Alles ging problemlos. Einzig die Infusionssets haben nicht so lange gehalten, wie dies üblicherweise der Fall war. Den Grund konnte sie nicht herausfinden.

Heute hat sie die Pumpe so sehr in ihren Alltag integriert, dass sie diese selbst gar nicht mehr wahrnimmt und sich auch nicht daran stört, wenn sie für andere sichtbar ist. Ehrler arbeitet als Lehrerin, und die Kinder stellen ihr viele Fragen, die sie gerne beantwortet. «Meine Schüler sind mittlerweile zu kleinen Experten geworden», lacht sie.

Cheerleading, Tanzen und Fitness lassen sich aus dem Leben der sportbegeisterten Olivia Ehrler nicht mehr wegdenken. Die Pumpe am Körper spürt sie dabei gar nicht. Und auch mit der Software kommt sie gut zurecht. In der Funktion «Ease Off» gibt sie ein, wann und wie lange sie Sport macht, und so wird die Insulinabgabe reduziert. «Das funktioniert schon sehr gut. Am Anfang muss man etwas ausprobieren, wie es am besten funktioniert. Ab und zu gibt es trotzdem noch Hypoglykämien, je nachdem, was ich vorher gegessen habe», sagt Ehrler. Und so weiss auch sie um den Preis der Freiheit: «Man muss sich mit der Technik und mit sich selbst auseinandersetzen. Das Closed-Loop-System ist kein Selbstläufer. Für mich war es wie eine Weiterbildung und dazu muss man ja sagen.» Der Lohn dafür: Das Thema Diabetes ist für Olivia Ehrler nicht mehr omnipräsent. Sie schätzt, dass es viele Zeitfenster gibt, in denen sie ihre Gedanken etwas anderem widmen kann.

Früher hat sich Laura Burlando oft als Versagerin gefühlt, wenn ihr Blutzuckerwert nicht in Range war. Heute ist das ganz anders.

Die 27-jährige Laura Burlando ist ganz vorne mit dabei, wenn es um Innovationen im Bereich Diabetes geht. Sie lebt seit fast fünf Jahren mit einem Open-Source-System, das von der #wearenotwaiting Community entwickelt wurde. Dies ist eine Bewegung, die nicht darauf warten möchte, bis die Pharmaindustrie bessere Technologien für das Diabetesmanagement entwickelt, und es stattdessen selbst in die Hand nimmt. Menschen mit Diabetes teilen innerhalb dieser Community ihr Wissen und tragen somit zur Entwicklung eines künstlichen DIY-Pankreas-Systems
bei. Schon lange bevor der Omnipod mit der Open-Source-App «Loop» kompatibel war, war Laura Burlando parat. Verbunden mit einem hohen Zeitaufwand hat sie sich eingelesen, die App auf ihr Handy programmiert und war so in der Lage, an Tag eins der Lancierung am 22. April 2019 mit dem Blutzuckersensor Dexcom G6 – möglicherweise als eine der ersten Personen in der Schweiz – live zu gehen. «Es braucht vor allem am Anfang mehr Input. Man baut sich die App quasi selbst und esbedarf der Bereitschaft, die volle Verantwortung für die Funktion zu übernehmen.» Früher war Burlando alle fünf Minuten am PDM, dem Pumpensteuergerät für Omnipod, um ihre Werte zu kontrollieren. Sie habe sich oft als Versagerin gefühlt, wenn ihr Blutzucker nicht in Range gewesen sei, erinnert sie sich. Überhaupt konnte sie ihr Leben mit Diabetes in den ersten zehn Jahren nach der Diagnose nur schwer annehmen. Das ist heute ganz anders. «Seit ich den DIY-Loop habe, kann ich der Frage nachgehen, was ich mit meinem Leben anstellen möchte. Die Gedanken sind freier für andere Dinge. Das ist ein grosses Privileg», so Laura Burlando.

Heute widmet sie sich auch beruflich dem Diabetes. Als frischgebackene Master of Science in Health Sciences absolviert sie momentan ein Praktikum bei Tidepool. Diese gemeinnützige Organisation wurde 2013 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Daten von Menschen mit Diabetes zugänglicher und verwertbarer zu machen. Die Loop-App von Tidepool basiert auf der DIY-Loop-App und wurde als erste ihrer Art von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen.

Und so bewegt sich Laura Burlando immer am Puls der Zeit. Ihr Studium und die berufliche Richtung, die sie eingeschlagen hat, helfen ihr dabei, ihr eigenes Gesundheitsmanagement noch genauer zu betreiben. Und dafür brennt sie. «Es inspiriert mich, es immer noch ein wenig besser zu machen.» Sie strahlt, wenn sie sagt: «Ich bin ganz vorne mit dabei, wenn es um Innovation geht, und freue mich auf alles, was kommt.»

AutorIn: Dr. Nicole Seipp-Isele