Wann sollten sich Menschen mit Diabetes mit dem Thema Schuhe auseinandersetzen? Von Anfang an, findet der Fachmann Hannes Peter, denn dann könnten viele Schädigungen vermieden werden. Er gibt Tipps für den Schuhkauf und zeigt, warum passende Schuhe so wichtig sind.
«Viele unserer Kunden – unabhängig davon, ob sie Diabetes haben oder nicht – wählen Schuhe, die entweder zu kurz oder nicht breit genug sind. Häufig orientieren sie sich lediglich an der Schuhgrösse. Dabei wird nicht bedacht, dass diese je nach Marke in der Länge unterschiedlich ausfallen kann», erklärt Hannes Peter von Spiess + Kühne im Gespräch mit dem d-journal. Auch die Form der Spitze eines Schuhs sei entscheidend, also ob er vorne spitz auslaufe oder ob die Zehen genügend Platz hätten, sagt der eidgenössisch diplomierte Orthopädie-Schuhmachermeister. Bei Menschen mit einem diabetischen Fusssyndrom sei dies besonders problematisch, da sie häufig eine verminderte Sensibilität in den Füssen hätten. Druckstellen oder ein unangenehm enger Sitz würden weniger oder gar nicht wahrgenommen. Dadurch steige das Risiko für Hautverletzungen oder Druckstellen. Eine regelmässige Kontrolle der Füsse sowie passendes Schuhwerk seien entscheidend, um Verletzungen vorzubeugen.
Nicht den erstbesten Schuh wählen
Menschen mit Diabetes sollten sich beraten lassen und auf weiche, nahtlose und gut gepolsterte Schuhe achten, die ausreichend Platz für die Zehen bieten. Häufig werde eine Beratung erst in Anspruch genommen, wenn bereits Probleme aufgetreten seien oder bei Wunden. Begleitende Komplikationen wie Nervenschädigungen und Durchblutungsstörungen würden die Situation zusätzlich verschlimmern. Dabei liesse sich präventiv viel verhindern. Hochwertiges Schuhwerk, das gut sitzt und den Fuss schützt, sei essenziell. Auch Schuhe, die speziell für Menschen mit Diabetes entwickelt wurden (sogenannte Prophylaxe-Schuhe), helfen, das Risiko von Druckstellen und Verletzungen zu minimieren. Darüber hinaus könne ergänzend die Anpassung von orthopädischen Einlagen sinnvoll sein, um Fehlstellungen zu korrigieren und den Fuss optimal zu entlasten. Auch das Tragen von Hausschuhen habe einen wichtigen Stellenwert. Sie schaffen eine Pufferzone zwischen harten Böden und dem Fuss, bieten zusätzlichen Schutz vor Verletzungen durch Fremdkörper wie kleine Steine oder Scherben und können so präventiv wirken.
Nichts dem Zufall überlassen
Für Menschen mit Diabetes sei der Schuh nicht mehr nur ein Alltagsprodukt, sondern ein wichtiges Hilfsmittel, das bestimmte Funktionen erfüllen müsse. Wenn er passe, fördere dies die Gesundheit der Füsse. Das Gewicht der Person spiele ebenfalls eine wesentliche Rolle, insbesondere wenn es darum gehe, Druckstellen oder bereits vorhandene Wunden an der Fusssohle zu entlasten oder solche zu verhindern. Es sei zudem wichtig, die Schuhe täglich auf mögliche Fremdkörper wie kleine Steine oder andere Gegenstände zu kontrollieren, die unbemerkt Druckstellen verursachen können. Ebenso solle man die Schuhe regelmässig auf Veränderungen überprüfen, empfiehlt der Fachmann. Wenn sich die Sohle abnutze oder Material beschädigt werde, könne sich die Belastung des Fusses verändern und auch bei einem Schuh, der zuvor keine Probleme verursacht habe, Druckstellen hervorrufen und Fussprobleme verursachen. Ein abgelaufenes Profil oder ein sichtbarer Schrägstand des Schuhs seien klare Anzeichen dafür, dass dieser entweder repariert oder ersetzt werden müsse. Der Fachmann rät, auch auf die Abnutzung der Fersenkappe zu achten. Schwieriger zu erkennen seien Schäden im Inneren des Schuhs, insbesondere im Zehenbereich. Hier empfiehlt er, den Schuh regelmässig mit den Fingern abzutasten, um Abnutzungen oder Unebenheiten festzustellen. Dies weil bei Menschen mit Diabetes und verringerter Sensitivität in den Füssen bereits kleinste Veränderungen unbemerkt zu Verletzungen führen.
Auf den richtigen Sitz achten
Ein Fehler, den er häufig sehe, sei die falsche Handhabung des eigentlich passenden Schuhwerks. Damit der Fuss richtig im Schuh sitzt, soll die Ferse ganz nach hinten geschoben werden, sodass die Zehen vorne nicht anstossen. Weiter gelte es, die Schuhe fest genug zu schnüren. Sonst könne der Fuss nach vorne in die Schuhspitze rutschen, was meist Druckstellen und Schäden verursache. Bei Bewegung und Sport gelten ähnliche Empfehlungen, aber je nach Sportart müsse man zusätzliche Faktoren berücksichtigen. Bei Aktivitäten mit hoher Belastung, zum Beispiel Joggen, rate er zu einem Schuh, der besonderen Schutz bietet. Bei erhöhter Beanspruchung auf unebenem Gelände, wie beim Wandern, seien Schuhe, die über den Knöchel reichen, besonders zu empfehlen. Diese bieten nicht nur mehr Stabilität, sondern entlasten die Füsse zusätzlich. Je anspruchsvoller das Gelände, desto höher und stabiler sollte der Schuh sein. Dabei sei die Passform wichtig, um Druckstellen zu vermeiden. Besonders im Sportbereich werde zudem empfohlen, die Schuhe schrittweise einzutragen und regelmässig auf Rötungen oder Druckstellen zu achten.
AB WANN BRAUCHT ES SPEZIALSCHUHE?
In den frühen Stadien eines Diabetes reiche oft schon ein passendes Schuhwerk in Kombination mit einer individuell angepassten Einlage aus, um Druckstellen zu vermeiden, den Fuss optimal zu schützen und Komplikationen zu verhindern. «Wenn wir bei der Beratung feststellen, dass ein konfektionierter Schuh nicht mehr ausreicht, sprechen wir das offen an. In solchen Fällen raten wir unseren Kunden, die Problematik des Fusses gemeinsam mit einem Arzt zu besprechen, um weitere Massnahmen zu ergreifen, wie orthopädische Mass- oder Serienschuhe», sagt Hannes Peter. Die Entscheidung über eine orthopädische Versorgung liege beim Facharzt. Das Team bei Spiess + Kühne mit der gesamten Palette vom hochwertigen, konfektionierten Schuhwerk über orthopädische Einlagen bis hin zum orthopädischen Massschuh unterstütze ihn dabei teilweise beratend, um gemeinsam die bestmögliche Lösung für die Kundin oder den Kunden zu finden. Danach gelte es, diese korrekt und passend umzusetzen. Für konfektioniertes Schuhwerk oder Prophylaxe-Schuhe, die speziell für Menschen mit Diabetes entwickelt wurden, ist keine ärztliche Verordnung erforderlich. Diese werden direkt gekauft und in der Regel nicht über die Versicherung abgegolten. Ärztlich verordnete orthopädische Serien- oder Massschuhe werden allerdings in der Regel grösstenteils von der Invalidenversicherung (IV) oder bei älteren Personen von der AHV übernommen, wobei ein variabler Selbstbehalt anfällt. Darüber hinaus übernehmen viele Zusatzversicherungen die Kosten für ärztlich verordnete orthopädische Einlagen, teilweise auch in Kombination mit speziellem Schuhwerk für Menschen mit Diabetes. Aufgrund der unterschiedlichen Angebote und Leistungskataloge der Zusatzversicherungen empfiehlt Hannes Peter, im Vorfeld Rücksprache zu halten mit der jeweiligen Versicherung, um Klarheit über die Kostenübernahme zu haben.