Seit drei Jahrzehnten lebt Ursula Egli mit Diabetes. Zu Beginn des Jahres hinterfragte sie ihr Diabetesmanagement und die damit zusammenhängenden Gewohnheiten grundlegend und stellte fest, wie viel Potenzial im Umdenken liegt. Körper und Geist danken ihre sportliche Aktivität und bewusste Ernährung.
Die Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 erhielt Ursula Egli in der Schwangerschaft, und nach der Geburt normalisierte sich der Blutzuckerspiegel nicht wieder. In der Anamnese gab es bis heute immer wieder Höhen und Tiefen im moderaten Rahmen. Ursula Egli kümmerte sich von Anfang an um ihr Diabetesmanagement, ohne diesem allzu viel Aufmerksamkeit beizumessen. Zu Beginn des Jahres empfahl ihr ihre Ärztin, nachdem über Jahre das wöchentliche Spritzen ausreichend gewesen war, die tägliche Insulin-Injektion vor den Mahlzeiten. Sie motivierte Ursula Egli dazu, in die Ernährungsberatung zu gehen und mehr Sport zu treiben. Und so nahm die 57-Jährige einen grundlegenden Perspektivenwechsel vor und fing an, sich damit auseinanderzusetzen, welche Langzeitfolgen Diabetes im Alter mit sich bringen kann. Augenprobleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und offene Wunden, die nicht richtig heilen – unter anderem bewegten Ursula Egli diese Aussichten zum Handeln.
Die richtige Kombination macht den Unterschied
Bei den Ernährungs- und Diabetesberatern von diabetesostschweiz fühlte sich Ursula Egli vollumfänglich abgeholt, unabhängig davon, wie sich ihre individuellen Essgewohnheiten gestalteten. Sie schwärmt: «Das war genial! Mir wurde vermittelt, dass mir beim Essen nichts weggenommen wird, sondern dass ich eine Komponente durch eine andere ersetze und in die richtige Reihenfolge bringe.» Das Wissen um die richtige Kombination und Auswahl der Mahlzeiten intensivierte Egli durch die Lektüre des Buches mit dem Titel «Der Glukose-Trick», was sie als ihren persönlichen Durchbruch beschreibt, der alles verändert habe. Zusätzlich wohnt Ursula Egli bei diabetesostschweiz regelmässig Vorträgen aus dem breiten Spektrum zum Thema Ernährung bei und bildet sich so kontinuierlich weiter.
Wenig hilft viel
Ein gesunder Blutzuckerspiegel, eine stabilere Herz-Kreislauf-Gesundheit und Kontrolle über das Gewicht sind bestechende Argumente, die für regelmässigen Sport sprechen. Dennoch erscheint vielen Menschen mit Diabetes die Hürde einer sportlichen Routine zu hoch. Auch für Ursula Egli war dies lange Zeit der Fall. Doch um ihren Diabetes ganzheitlich neu zu denken, baute sie mehr Bewegung in ihr Leben ein und war erstaunt, mit wie wenig man viel erreichen kann. Sie macht vor, wie eine niederschwellige Integration von körperlicher Betätigung in den Alltag gelingt, und betont, dass schon 15 bis 20 Minuten Aktivität einen Effekt zeigen, und zwar ganz ohne Fitnessstudio und sportliches Equipment: Denn Ursula Egli und ihr Körper sind ein starkes Team. So parkiert sie in der Stadt nicht im nächstgelegenen Parkhaus, sondern plant ein wenig mehr Zeit ein und geht zu Fuss – und zwar am Stück. Durch Geschäfte zu bummeln und immer wieder zu stoppen, würde den Kreislauf zwar anregen, aber auch sofort wieder zur Ruhe kommen lassen, und der Effekt für den Blutzuckerspiegel sei null, weiss Ursula Egli. Dementsprechend funktioniert sie auch Wartezeiten in kleine Workouts um. Statt ins Handy zu schauen, läuft sie lieber um den Block. «Es ist alles eine Frage der Einstellung und der Aufmerksamkeit für sportliche Gelegenheiten», erklärt Egli. Und so wird auch ihr Haushalt zum Fitnessparcours, der jederzeit verfügbar ist. Alles, was es zu erledigen gibt, führt Ursula Egli bewusst aus und in einem Tempo, das ihrem Blutzuckerspiegel dienlich ist. So werden To-dos im Haushalt meist mit einem Stockwerkwechsel verbunden. Dem Staubsaugen im Obergeschoss folgt das Füllen des Geschirrspülers im Erdgeschoss, um im Anschluss im Obergeschoss die Betten zu beziehen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Manchmal helfe es auch, alle Erledigungen im Tempo etwas flotter zu gestalten, empfiehlt Egli. «Ich war noch nie ein Fan von Sportgeräten und Trainingseinheiten, die mich ans Limit bringen. Deshalb integriere ich Fitness in meine täglichen Abläufe und habe plötzlich Freude an Bewegung bekommen.» Es muss also kein Extremsport sein, der den Blutzuckerspiegel nachweislich schnell senkt, ihn aber auch schnell wieder ansteigen lässt. Psychische Gesundheit trägt zusätzlich zu guten Werten bei. Ursula Egli zieht diese vor allem aus Bewegung in der freien Natur, sei es die Gartenarbeit – wie etwa Laub rechen oder Hochbeete bestellen –, das wöchentliche Walken mit einer Freundin oder der abendliche Spaziergang mit ihrem Mann. All dies ist für alle Beteiligten zur liebgewordenen Routine geworden. Und obwohl ihr Mann im Verkauf arbeitet und sich tagsüber ausreichend bewegt, unterstützt er seine Frau und geniesst die Quality Time zu zweit. Ursula Egli lacht: «Er fragt dann immer: Wie viel haben wir?»
Immer im grünen Bereich
Gradmesser für ihre neu etablierten Gewohnheiten im wörtlichen Sinne ist der Sensor, den sie seit Beginn des Jahres bei sich trägt. Dadurch werden die durch Ernährung oder Bewegung ausgelösten Effekte in Echtzeit sichtbar und der Diabetes wird begreifbarer. Es mache fast ein wenig süchtig, sich an den positiven Werten zu erfreuen, sagt Egli. «Ich bin mit Werten zwischen 97 und 100 Prozent immer im grünen Bereich. Das motiviert mich auch an trägen Tagen, etwas zu tun und sofort zu reagieren, wenn meine Werte in den gelben Bereich fallen.» Und die Gewichtsabnahme von sechs Kilogramm seit Jahresbeginn spricht für sich. Ihr Resümee: «Alltägliche Bewegungen sind die Schritte zu meinem Erfolg.»
Bewegung lässt sich vielfältig im Alltag einbauen
Eliane Brühwiler, dipl. Pflegefachfrau HF, Diabetesberaterin DDG bei diabetesostschweiz
Warum ist Bewegung so wichtig?
Generell wirkt sich Bewegung vorteilhaft auf die Gesundheit aus. Sie senkt den Blutzuckerspiegel, verbessert die Insulinempfindlichkeit und Übergewicht kann reduziert werden. Zudem hat Bewegung einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit, sie steigert das Selbstwertgefühl und die Lebensfreude.
Was für Tipps geben Sie Menschen, die sich im Alltag mehr bewegen möchten?
Wählen Sie etwas, das Ihnen Spass macht und von dem Sie sich vorstellen können, es regelmässig zu machen. Egal ob Schwimmen, Spazieren, Yoga oder Krafttraining: Hauptsache, Sie sind mit Freude dabei. Empfohlen werden 150 Minuten Aktivität pro Woche.
Wie kann ich die Bewegung in meinen Alltag integrieren?
Sie können die Bewegung in alltägliche Situationen einbauen, wenn Sie zum Beispiel die Treppen nutzen statt des Aufzugs oder eine Bushaltestelle vorher aussteigen und den Rest zu Fuss gehen. Wem das bereits zu beschwerlich ist: Die Bewegung kann auch beim Putzen, Kochen oder Gärtnern integriert werden.
Warum lohnt es sich, für mehr Bewegung die regionale Diabetesgesellschaft zu kontaktieren?
Bei uns erhalten Sie Ernährungs- und Diabetesberatungen von ausgebildeten Fachleuten. Diese begleiten Sie individuell nach Ihren Bedürfnissen und Anliegen. Zudem bieten wir Wanderungen oder Diabetikertreffen an (siehe RegioNews ab Seite 28): Sich einer Gruppe anzuschliessen und sich gemeinsam mit anderen zu bewegen, ist oft hilfreich und motivierend.