Magenentleerungsstörungen, auch Gastroparese genannt, sind mehr als ein gelegentliches Völlegefühl: Die verzögerte Verdauung führt oft zu Übelkeit, Erbrechen und Blutzuckerschwankungen. Unser Artikel zeigt, wie man Ursachen erkennt, Symptome mindert und moderne Therapien nutzt, um den Alltag zu erleichtern.
Was ist eine Magenentleerungsstörung?Die Magenentleerung bezeichnet den Prozess, bei dem der Magen seinen Inhalt kontrolliert in den Dünndarm abgibt. Bei einer Magenentleerungsstörung (Gastroparese) ist dieser Ablauf verzögert, sodass die Nahrung zu lange im Magen verbleibt. Dadurch entstehen Beschwerden und teils erhebliche Blutzuckerschwankungen. Letztere sind vor allem für Menschen mit Diabetes kritisch, da chronisch erhöhter Blutzucker die für die Magenbewegung verantwortlichen Nerven schädigen kann, was die Erkrankung verschlimmert. Entsprechend tritt die Gastroparese besonders häufig bei Menschen mit Typ-2-Diabetes auf, wenn hohe Blutzuckerwerte über längere Zeit das vegetative Nervensystem schädigen. Die Folge ist eine gestörte Steuerung der Magenmuskulatur, was die Verdauung deutlich verlangsamt. Auch neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose, hormonelle Dysbalancen wie Schilddrüsenstörungen oder der Zustand nach Magenoperationen können eine Gastroparese begünstigen. In manchen Fällen findet sich jedoch keine Ursache, und die Funktionsstörung tritt ohne erkennbare Vorerkrankung auf.
Symptome und Diagnose
Die Symptome reichen von anhaltendem Völlegefühl bereits nach kleinen Mahlzeiten bis hin zu Übelkeit und Erbrechen von unverdauten Nahrungsresten. Mitunter
treten auch Bauchschmerzen, Sodbrennen sowie ein Druckgefühl im Oberbauch auf. Da der Mageninhalt verspätet in den Dünndarm gelangt, kann es bei Menschen mit Diabetes zu schwankenden Blutzuckerwerten kommen, wenn die Mahlzeiten nicht zur Wirkung von Insulin oder oralen Antidiabetika passen. Langfristig drohen Gewichtsabnahme und Mangelerscheinungen, wenn die Betroffenen nur noch geringe Mengen zu sich nehmen können. Zur Abklärung wird oft eine Magenentleerungs- Szintigraphie eingesetzt. Dabei verzehren Patientinnen und Patienten eine leicht radioaktiv markierte Testmahlzeit. Die verbleibende Strahlung im Magen wird zu definierten Zeitpunkten gemessen, sodass sich die Entleerungsrate ermitteln lässt. Atemtests, die Endoskopie, um Geschwüre oder Tumore auszuschliessen, und die sogenannte EndoFLIP-Technologie, also die Messung der Elastizität am Magenausgang, sind weitere verbreitete Diagnoseverfahren.
Sie suchen einen Facharzt?
Die Fachärzte, die sich mit Magen-Darm-Beschwerden auseinandersetzen heissen Gastroenterologen oder Facharzt für Gastroenterologie. Häufig vergeben sie Termine nur, wenn eine Überweisung vorliegt. Besprechen Sie darum Beschwerden erst mit Ihrem Hausarzt.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Wahl der Therapie richtet sich nach dem Schweregrad und möglichen Grunderkrankungen. Eine zentrale Rolle spielt die Anpassung der Ernährung: Statt wenigen grossen Mahlzeiten empfiehlt man mehrere kleine Portionen, die möglichst fettarm und leicht verdaulich sind. Denn Fett und Ballaststoffe verzögern die Magenentleerung zusätzlich und sollten deshalb nur massvoll aufgenommen werden. Bei schwerwiegenden Verläufen hilft pürierte oder flüssige Kost, den Magen zu entlasten. Ausserdem ist eine ausgiebige Flüssigkeitszufuhr essenziell, damit sich keine Dehydrierung einstellt. Medikamentöse Optionen umfassen sogenannte Prokinetika wie Metoclopramid oder Domperidon, die die Muskelaktivität im Magen anregen. Gleichzeitig wirken diese Medikamente der Übelkeit entgegen. Gelegentlich wird auch der Serotonin-5-HT4-Rezeptor- Agonist Prucaloprid eingesetzt, trotz der für diese Indikation fehlenden offiziellen Zulassung (Off-Label- Use). Vor allem für Menschen mit Diabetes ist eine engmaschige Blutzuckerkontrolle entscheidend, um das Fortschreiten von Nervenschädigungen zu verhindern. Helfen konventionelle Massnahmen nicht, so werden gelegentlich endoskopische Massnahmen wie eine Ballondilatation am Magenausgang oder etwas effektiver das sogenannte G-POEM eingesetzt. Eine endoskopische Ballondilatation kann helfen, indem der Magenausgang (Pförtner oder Pylorus) mithilfe eines Ballons stark gedehnt wird. Studien zeigen eine oft gute, aber mitunter nur zeitlich begrenzte Wirksamkeit, sodass bei hartnäckiger Problematik das G-POEM-Verfahren (Gastrale Per-Orale Endoskopische Myotomie) erwogen werden kann. Hierbei durchtrennt man endoskopisch einen Teil der Pylorusmuskulatur, um den Auslass zu erweitern und die Magenentleerung zu beschleunigen. So kann die Nahrung wieder besser in den Dünndarm gelangen. Demgegenüber werden andere invasive Methoden wie die elektrische Magenstimulation mit implantierten Elektroden aufgrund des meist mässigen Erfolgs nur mehr selten und an wenigen Zentren angewandt.
Leben mit einer Magenentleerungsstörung
Eine Magenentleerungsstörung kann den Alltag erheblich beeinträchtigen, jedoch lassen sich viele Beschwerden durch eine gezielte Kombination aus Lebensstiländerung und medizinischer Betreuung lindern. Das Führen eines Ernährungstagebuchs kann helfen, verträgliche und unverträgliche Speisen zu identifizieren und so die Ernährung individuell zu optimieren. Stressmanagement und regelmässige Bewegung wirken sich zudem positiv auf die Verdauung und das allgemeine Wohlbefinden aus. Für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 sind eine angepasste Insulintherapie sowie eine kohlenhydratbewusste Ernährung essenziell, um den Blutzucker trotz verzögerter Magenentleerung stabil zu halten. Kleine, häufige Mahlzeiten und das Vermeiden stark fetthaltiger oder ballaststoffreicher Speisen können zusätzlich helfen, Beschwerden zu reduzieren und den Glukosestoffwechsel zu entlasten. Wichtig ist die enge Zusammenarbeit mit Haus- oder Fachärzten sowie gegebenenfalls mit Ernährungsberaterinnen und Diabetologinnen, um sowohl die Grunderkrankung, also zum Beispiel den Diabetes, gut im Blick zu behalten als auch individuell geeignete Therapieschritte zu finden. Neue medikamentöse Ansätze und endoskopische Verfahren wie G-POEM machen Hoffnung, dass künftig noch mehr Patientinnen und Patienten von einer verbesserten Lebensqualität profitieren können. Wer anhaltende Magen-Darm-Beschwerden hat, sollte daher frühzeitig ärztlichen Rat suchen und die verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten ausschöpfen.