Kann eine Person mit Diabetes alle Berufe erlernen oder gibt es allenfalls Berufsverbote? Der Jurist ordnet ein.

 

Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen sind bei der Berufswahl und bei der Arbeitssuche faktisch häufig schlechter gestellt als Menschen bei voller Gesundheit. Aufgrund der Erkrankung sind nicht alle Berufe geeignet, auch wenn die rein beruflichen Fähigkeiten vorhanden wären. Diabetes ist eine Erkrankung, welche die Berufswahl beeinflusst. Die Einschränkung gilt jedoch nur insofern, als dass bei der auszuübenden Tätigkeit eine mögliche Unterzuckerung keine Gefahr für die betroffene Person selbst oder andere darstellen sollte. Die betroffene Person sollte zudem ihre Arbeit unterbrechen dürfen, zum Beispiel um sich Insulin zu spritzen. Dank moderner Therapien und technischer Innovationen wie der Pumpentherapie hat sich die Situation für Menschen mit Diabetes, insbesondere bei Typ 1 und zunehmend auch bei Typ 2, deutlich verbessert. Pausen für die Therapie lassen sich heute oft flexibler integrieren und sind im Arbeitsalltag weniger einschränkend als früher.

 

Einige Einschränkungen vorhanden

Konkret sind bestimmte Tätigkeiten wie Taxichauffeur, Busfahrerin, Zugführer, Flugzeugpilotin, Verantwortliche mit Überwachungsfunktion (beispielsweise im Strassen-, Bahn- und Luftverkehr), berufsmässiger Umgang mit Waffen (etwa bei Polizei oder Militär) sowie Arbeiten mit Absturzgefahr (unter anderem Dachdeckerin, Maurer) eher nicht geeignet. Unternehmen und öffentliche Institutionen sind daher oft zurückhaltend, wenn es darum geht, Menschen mit Diabetes für diese Tätigkeiten anzustellen, oder haben gar entsprechende interne Weisungen, eine Anstellung abzulehnen. In der Schweiz gibt es keine generellen Berufsverbote für Menschen mit Diabetes. Entscheidend ist, dass man fachlich und gesundheitlich in der Lage ist, einen Beruf sicher und ohne Risiken auszuüben. So ist jede stellensuchende Person in einem Bewerbungsverfahren verpflichtet, eine Behinderung oder Krankheit anzugeben, wenn diese die Ausübung der gewünschten Tätigkeit beeinflusst. Arbeitgeber dürfen gezielt nach gesundheitlichen Aspekten fragen, sofern diese für die Eignung der Stelle eine wesentliche Rolle spielen. Ist dies nicht der Fall, sind gesundheitliche Fragen aber unzulässig und müssen demnach auch nicht beantwortet werden. Arbeitgebende haben gemäss Obligationenrecht eine Sorgfaltspflicht gegenüber den Arbeitnehmenden und müssen den Gesundheitsschutz gewährleisten. Umgekehrt hat auch der oder die Arbeitnehmende eine Sorgfaltspflicht gegenüber dem Arbeitgebenden – zum Beispiel eine Verantwortung für die eigene Sicherheit und die der Kolleginnen und Kollegen. Aus diesen gesetzlichen Umschreibungen ergeben sich Möglichkeiten und Grenzen der Anstellung von Menschen mit Diabetes.

 

Nicht alle Türen sind verschlossen

Es gibt keine pauschale Empfehlung oder Lösung. Jede betroffene Person sollte sich bei der Berufswahl bewusst sein, dass gewisse – auch von den persönlichen Fähigkeiten her geeignete – Berufe aufgrund des Gesundheitszustands nicht möglich oder zumindest sehr ungünstig sind. In unserer heutigen Arbeitswelt gibt es aber einen derart breiten Fächer an beruflichen Möglichkeiten, dass interessante Tätigkeiten auch mit Einschränkungen möglich sind. Es gibt zudem immer wieder positive Beispiele, wo mehr möglich ist, als zunächst angenommen. Ein Beispiel finden Sie im französischen Diabetes-Podcast «Club D» von diabetesschweiz (Arnaud et Nathan). Prüfen Sie also mit einem realistischen Blick das «Für und Wider» eines konkreten Berufes. Geben Sie nicht auf, und bleiben Sie offen für Alternativen – manchmal ergeben sich Chancen, wo man sie nicht erwartet.

AutorIn: Martin Boltshauser, Rechtsanwalt