Es gibt diverse Gründe, warum Frauen nicht schwanger werden. Neben einem nicht optimal eingestellten Diabetes spielt das Polyzystische Ovarialsyndrom (kurz PCOS) eine Rolle. Dieses betrifft geschätzt bis zu 15 Prozent aller Frauen und ist somit häufiger als Diabetes. Trotzdem ist das Thema und wie PCOS mit Diabetes zusammenhängt, öffentlich kaum bekannt. KD Dr. med. Lea Slahor klärt auf.

Was raten Sie als Leitende Ärztin Endokrinologie/ Diabetologie Frauen mit Diabetes, die schwanger werden wollen?

Unabhängig vom Diabetestyp braucht es grundsätzlich eine sehr gute Blutzuckereinstellung, und dies schon vor Eintritt der Schwangerschaft. Wenn immer möglich, sollte man eine Schwangerschaft planen und, ganz wichtig, auch all die Dinge beachten, die man jeder Frau vor einer Schwangerschaft rät, also zum Beispiel die Einnahme von Folsäure. Wichtig ist zudem, dass die Komplikationen, die es aufgrund von Diabetes geben kann, kontrolliert sind. Hierbei ist insbesondere eine Augenuntersuchung bei Fachärzt:innen mit Beurteilung des Augenhintergrunds zu nennen.

Gibt es punkto Medikamente etwas zu beachten?

Frauen mit Typ-1-Diabetes haben eine Insulintherapie, die in der Schwangerschaft weitergeführt wird. Bei Frauen mit Typ-2-Diabetes sieht es etwas anders aus. Hier gibt es Therapien, die während einer Schwangerschaft nicht zugelassen sind. Man sollte diese also bereits umstellen, wenn man schwanger werden möchte, denn neben Insulin sind die meisten Präparate nicht zulässig – in Ausnahmefällen kann einzig die weitere Einnahme des Wirkstoffs Metformin diskutiert werden. Unsere Aufgabe ist es, die Frauen darauf aufmerksam zu machen und sie zu begleiten.

Was passiert, wenn der Diabetes nicht optimal eingestellt ist?

Die Chance, schwanger zu werden, ist deutlich kleiner, aber nicht nur das. Während der Schwangerschaft kann ein nicht optimal eingestellter Diabetes ernste Konsequenzen haben: Zum einen ist das Risiko für verschiedene Schwangerschaftskomplikationen grösser, zum anderen gibt es Auswirkungen auf das Kind. Man weiss, dass bei dauerhaft zu hohen Blutzuckerwerten auch die Missbildungsrate höher ist.

Gibt es noch andere Empfehlungen?

Bei Typ-2-Patientinnen hat oft das Gewicht einen grossen Einfluss, zum Beispiel weil der Zyklus dadurch gestört ist. Zudem sollte man prüfen, ob noch irgendeine andere, akute oder chronische Erkrankung vorliegt, die dazu führt, dass man nicht schwanger wird.

Es gibt also einen Zusammenhang zwischen Zyklusstörungen und Diabetes?

Ich denke, Sie sprechen hier das Polyzystische Ovarialsyndrom an (siehe Kasten). PCOS kann grundsätzlich unabhängig vom Diabetes auftreten. Aber es gibt ein komplexes Zusammenspiel zwischen Insulinresistenz, Gewicht sowie ovariellen Störungen und dadurch auch gesteigerten männlichen Hormonen im Blut dieser Frauen.

Können Sie das etwas genauer erklären?

Frauen mit Typ-2-Diabetes haben häufiger PCOS und umgekehrt. Viele Frauen, die bei PCOS noch keinen Diabetes haben, entwickeln in der Schwangerschaft einen, den sogenannten Gestationsdiabetes. Das Risiko ist grösser als bei Frauen ohne PCOS. Daher screenen wir Frauen mit PCOS mittels eines Tests schon in der Frühschwangerschaft und klären sie auf, warum wir bei ihnen genau hinschauen.

Wichtig ist, nichts zu verpassen und eine entsprechende Behandlung rechtzeitig zu starten – zuerst mit Ernährungs- und Lebensstilumstellung, häufig aber auch mit einer Insulintherapie während der Schwangerschaft.

Sollte man sich also auf PCOS testen lassen?

Wir fragen unsere Patientinnen standardmässig nach dem Menstruationszyklus. Wenn es Hinweise auf Zyklusstörungen gibt, ist eine Beurteilung mittels der drei sogenannten Rotterdam-Kriterien sinnvoll. Treffen zwei von drei Kriterien zu, ist ein PCOS vorhanden. Neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung werden mit Ultraschall die Eierstöcke untersucht, ob es Blasen auf den Ovarien hat. Das ist eines der drei Kriterien (die anderen sind Zyklusstörungen oder Zeichen einer Vermännlichung, beziehungsweise entsprechend erhöhte Hormonwerte im Blut). PCOS fängt meistens bereits in der Pubertät oder kurz vorher an.

Was, wenn PCOS länger nicht entdeckt wird?

Es gibt negative Auswirkungen wie Übergewicht, was zu Insulinresistenz und Diabetes Typ 2 führen kann. Auch Stimmungsschwankungen und Heisshungerattacken werden damit in Verbindung gebracht, was sich, wenn der Diabetes bereits da ist, negativ auf das Diabetesmanagement auswirken kann.

Aus einigen Studien ist ausserdem bekannt, dass diese Frauen häufiger von Depressionen oder Angststörungen betroffen sind, mit allem, was damit physisch und psychisch zusammenhängt. Darum sind die interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie das Ansprechen und Anbieten von professioneller Hilfe so wichtig. Wir müssen diese Frauen abholen und nicht einfach nur die Gewichtsabnahme zur Sprache bringen. Es gibt zum Beispiel neben der Lebensstilveränderung ebenfalls medikamentöse Optionen, aber nicht alle davon sind bei einem Kinderwunsch zugelassen.

Kann PCOS wieder verschwinden?

Die Veranlagung für PCOS trägt man in sich, aber man kann es günstig beeinflussen, indem man, wie schon erwähnt, einen gesunden Lebensstil pflegt und abzunehmen versucht, wodurch die Zyklusstörungen günstig beeinflusst werden. Wenn wir die Insulinresistenz behandeln, wirkt sich das auch positiv auf das PCOS aus. Für genauere Erklärungen zu den komplexen Zusammenhängen wäre jedoch mehr Forschung nötig.

Bräuchte es mehr öffentliche Aufklärung?

Unbedingt! Nur wenige Frauen wissen, um was es geht, obwohl PCOS – vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter – häufiger ist als Typ-2-Diabetes. Zudem finde ich es gut, wenn sich Betroffene zum Beispiel in Selbsthilfegruppen austauschen, und auch die Medien sollten mehr über dieses Thema berichten. Über PCOS und gerade auch dessen genetische Komponente zu reden, hilft Druck abzubauen und auch dem Stigma Übergewicht entgegenzuwirken.

Polyzystisches ovarial-Syndrom (PCOS) – Was ist das und wie äussert es sich?

PCOS ist die häufigste Hormonstörung bei Frauen. Obwohl jede achte bis zwölfte Frau betroffen ist, ist in der Öffentlichkeit wenig darüber bekannt. PCOS tritt häufiger bei übergewichtigen oder adipösen Frauen auf, aber nicht nur. Auch sehr schlanke Frauen können betroffen sein, da die genetische Veranlagung ebenfalls eine Rolle spielt. Typisch sind Zyklusstörungen, zum Beispiel längere Phasen ohne Menstruation oder Zyklen, die mehr als 35 Tage dauern. Andere Anzeichen für PCOS sind Symptome der «Vermännlichung», wie Akne in einem Alter, in dem man das sonst nicht hat, oder unerwünschter Haarwuchs an Stellen, an denen man als Frau keine Haare möchte, zum Beispiel im Gesicht. Mit PCOS ist es schwieriger, schwanger zu werden, und die betroffenen Frauen brauchen häufiger Hilfe von der Reproduktionsmedizin.

AutorIn: Nicole Fivaz