Menschen mit Typ-1-Diabetes können von Autoimmunerkrankungen des Verdauungstraktes betroffen sein. Ein Grund dafür sind gemeinsame genetische und immunologische Merkmale dieser Krankheiten. Autoimmunerkrankungen des Magen-Darm-Trakts umfassen chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, die Zöliakie und die Autoimmungastritis. Sie können zu verschiedenen Zeitpunkten auftreten und unterschiedliche Symptome verursachen, aber auch gänzlich asymptomatisch verlaufen.

 

CED: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa)

Bei diesen Erkrankungen können der gesamte Darm (M. Crohn) oder Teile des Dickdarms (C. ulcerosa) entzündet sein. Sie manifestieren sich eher in den ersten Lebensjahrzehnten, können aber in jedem Altersabschnitt auftreten. Das Leitsymptom ist Durchfall, der sich – je nachdem, welcher Darmanteil betroffen ist – als chronischer Durchfall beim M. Crohn oder als zweitweise auftretender blutiger Durchfall mit Bauchschmerzen bei der C. ulcerosa äussert. Nicht selten sind andere Organe wie beispielsweise die Haut, die Augen, Leber, Gallenwege und Gelenke involviert. CED können zu Gewichtsabnahme, Untergewicht und bei Kindern zu einer Wachstumsverzögerung führen. Die Darmentzündung beeinflusst die Aufnahme von Makro- (Kohlenhydrate, Proteine, Fette) und Mikro-Nährstoffen (zum Beispiel Vitamine und Spurenelemente) und kann so zu Unterzuckerungen führen und Mangelernährungssymptome hervorrufen. Entzündliche Schübe der Erkrankung und eingesetzte Medikamente wie Kortison können den Blutzucker aber auch erhöhen. Die Diagnose wird durch Stuhl- und Bluttests und durch eine endoskopische Untersuchung (Magen-/ Darm-Spiegelung) gestellt. Bei der Behandlung werden verschiedene antientzündlich wirksame Medikamente eingesetzt, heutzutage auch Präparate, die gezielt das Immunsystem beeinflussen (sogenannte Biologicals).

Zöliakie

Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Gluten, das sogenannte Klebereiweiss verschiedener Getreide, eine chronische Entzündung der Dünndarmschleimhaut hervorruft. Sie ist deutlich häufiger bei Typ-1-Diabetes: Während die Krankheit bei etwa einem Prozent der Allgemeinbevölkerung vorhanden ist, sind mindestens 5 bis 7 Prozent aller Personen mit Typ-1-Diabetes davon betroffen. Weibliches Geschlecht, junges Alter bei der Diabetesdiagnose, eine lange Diabetesdauer, eine gleichzeitig bestehende Schilddrüsenerkrankung und Zöliakie bei erstgradig Verwandten in der Familie sind zusätzliche Faktoren, die das Risiko erhöhen. Wie bei den CED werden als Folge der Darmentzündung Nährstoffe nur noch schlecht aufgenommen, eine Mangelernährung ist die Folge. Die Zöliakie führt zu verschiedenen Symptomen wie Durchfall, Gewichtsabnahme, Müdigkeit, Unterzuckerungen und bei Kindern zu einem verzögerten Wachstum. Eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die beispielsweise das Nervensystem oder die Haut betreffen, können zusammen mit der Zöliakie auftreten. Die Erkrankung wird häufig im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert, jedoch tritt sie auch gehäuft nach dem 40. Lebensjahr auf. In letzterem Fall sind oft nur wenige oder gar keine Symptome vorhanden. Während bei Kindern mit Typ-1-Diabetes
eine regelmässige Untersuchung (Screening) auf Zöliakie empfohlen wird, gibt es bei Erwachsenen mit Diabetes keine einheitlichen Empfehlungen. Die Suche nach einer Zöliakie ist aber auch hier auf jeden Fall sinnvoll, gerade wenn zusätzliche der oben genannten Risikofaktoren bestehen. Beim Screening werden spezielle Antikörper im Blut bestimmt. Wichtig ist, dass die Testung unter glutenhaltiger Ernährung geschieht. Werden Bluttests bei glutenfreier Ernährung durchgeführt, können sie fälschlicherweise unauffällige Werte liefern. Die Diagnose wird durch eine Gewebeprobe des Dünndarms bestätigt. Die Behandlung besteht in einer glutenfreien Diät.

AUTOIMMUNERKRANKUNGEN UND TYP-1-DIABETES

Personen mit Diabetes mellitus Typ 1 haben generell ein erhöhtes Risiko für andere Autoimmunerkrankungen. Dies konnte beispielsweise anhand von Daten des «T1D Exchange Clinic Registry» gezeigt werden. Diese Datenbank umfasst mehr als 25 000 Personen vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter mit Diabetes mellitus Typ 1. Das Vorhandensein zusätzlicher Autoimmunerkrankungen in diesem Kollektiv steigt mit zunehmendem Alter und es erreicht kein Plateau. Das heisst, in der Altersgruppe von 18 bis 26 Jahren haben etwa 20%, bei
über 65-Jährigen jedoch bereits 35% der Patient:innen eine zusätzliche Autoimmunerkrankung.

Folgende Krankheitsbilder können zusammen mit dem Diabetes auftreten (Auswahl):
• Schilddrüsenkrankheiten: Schilddrüsenunterfunktion (Hashimoto Thyreoiditis), seltener Schilddrüsenüberfunktion (Morbus Basedow)
• Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Zöliakie, Autoimmungastritis
• Nebennierenunterfunktion (selten)
• Hauterkrankungen wie z. B. Weissfleckenkrankheit (Vitiligo)
• Rheumatologische Erkrankungen wie z. B. Arthritis oder Lupus
• Neurologische Erkrankungen wie z. B. Multiple Sklerose
Gewisse Erkrankungen verursachen typische Symptome, andere haben jahrelange asymptomatische Verläufe oder verursachen kaum oder keine Beschwerden. Generell wird bei häufigeren Erkrankungen (Schilddrüsenfunktionsstörungen, Magen-Darm-Erkrankungen) und solchen mit wenig oder fehlenden Symptomen ein regelmässiges Screening, das heisst eine Früherkennung, empfohlen. Dies kann beispielsweise durch den Nachweis spezieller Antikörper im Blut erfolgen.

Autoimmungastritis (AIG)

Neben dem Darm kann auch die Magenschleimhaut entzündlich verändert sein. Die Autoimmungastritis (AIG) ist eine häufige Autoimmunerkrankung des Verdauungstrakts bei Personen mit Typ-1-Diabetes. Sie ist bei bis zu zehn Prozent vorhanden, nimmt aber mit steigendem Alter weiter zu. Ähnlich wie bei der Zöliakie sind verschiedene Faktoren mit einem höheren Risiko für eine AIG assoziiert: weibliches Geschlecht, höheres Alter bei der Diabetesdiagnose, lange Diabetesdauer, gleichzeitig bestehende Schilddrüsenerkrankung und nachweisbare Diabetes-spezifische Antikörper (sogenannte Anti-GAD-Antikörper). Die durch das Immunsystem ausgelöste Entzündung führt zu ausgedehnten Veränderungen und im Verlauf zu einem Schwund der Magenschleimhaut, genannt Atrophie. Die AIG wird deshalb auch als atrophische Gastritis bezeichnet. Die Folgen der Entzündung sind die Abnahme der Magensäureproduktion, eine Hemmung der Vitamin-B12-Aufnahme und in der Folge ein Eisen und Vitamin-B-12-Mangel. Das Risiko für bösartige Veränderungen des Magens (Karzinome) ist ebenfalls erhöht. Die Krankheit verläuft Jahre oder gar Jahrzehnte unbemerkt und meist komplett symptomlos. Erst der Mangel an Vitamin B12 und Eisen verursacht Symptome, unter anderem Blutarmut, Mangelernährung, Gewichtsabnahme und neurologische Störungen. Ein Screening auf eine AIG ist wichtig und kann im Blut mit speziellen Antikörperbestimmungen durchgeführt werden. Die Diagnose wird durch eine Magenspiegelung mit Gewebeentnahme bestätigt. Bei Vorliegen einer AIG werden regelmässige Kontrollen von Vitamin B12 und Eisen empfohlen, Mangelzustände werden behoben. Regelmässige Kontrollen der Magenschleimhaut durch eine Magenspiegelung bei erhöhtem Karzinomrisiko sind ebenfalls wichtig.

AutorIn: Text: Dr. med. Stefan Fischli, Chefarzt Endokrinologie/Diabetologie Luzerner Kantonsspital Bild: zVg