Kreuzkümmel und Kümmel

Kreuzkümmel (Cuminum cyminum), (auch ägyptischer, römischer oder türkischer Kümmel) ist eine uralte einjährige Pflanze. Sie stammt vermutlich aus dem Niltal. Kreuzkümmelsamen, als Gaben für den Toten, wurden schon in Gräbern von altägyptischen Pharaonen gefunden; die Pflanze war dort also bereits vor mehr als 4 000 Jahren als Gewürz bekannt. Auch in der Bibel kommt Kreuzkümmel vor: In Matthäus 23,23 tadelt Jesus die Pharisäer, weil sie «den Zehnten auf Minze, Dill und Kümmel erhoben».
Heute ist Kreuzkümmel eines der wichtigsten Gewürze der indischen Küche, ein unentbehrlicher Bestandteil von Curry und Chilipulver. Auch in Nordafrika und in der arabischen Küche – vor allem als Gewürz im Couscous – wie in der mexikanischen Küche wird Kreuzkümmel geschätzt: zu Suppen, Brot und Gebäck, Rindfleisch und Eintöpfen. Die kleinen Samen-Früchtchen werden meist ganz verwendet, jedoch zuerst geröstet, damit sie ihr Aroma voll entfalten.
Das Ursprungsgebiet unseres einheimischen zweijährigen Kümmels (echter Kümmel, carum carvi) ist Mitteleuropa. Er gedeiht auf trockenen Wiesen von den Ebenen bis hoch in die Alpen. Sie können ihn im Sommer leicht auf Bergwanderungen finden und sammeln. Was wir im Lebensmittelhandel kaufen, stammt jedoch aus Kulturen, vor allem aus Holland und Deutschland. Die Dolden der Pflanzen tragen viele kleine weisse Blütchen, aus denen die dreikantigen braunen Kümmelsamen werden.
Kümmel ist vermutlich das älteste in Europa verwendete Gewürz; Kümmelsamen wurden schon in jungsteinzeitlichen Pfahlbauten aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. gefunden, unter anderem am Bodensee. Und neuere archäologische Grabungen in den Seeufersiedlungen am Zürichsee, Greifensee und Pfäffikersee förderten – neben Textilien – ein rund 5 000 Jahre altes geflochtenes Sieb zutage, von dem die Archäologen glauben, dass es zum Trocknen von Kräutern wie Kümmel oder von Nüssen und Früchten diente.
Kümmel passt zu Suppen, Brot, Käse, er gehört zu fettem Fleisch, ins Gulasch und zu Kohlgerichten. Als besondere Verdauungshilfe gibt es, wenn nötig, auch noch Kümmelschnaps. Kreuzkümmel wie Kümmel helfen nämlich bei Blähungen, bei Verdauungsbeschwerden und Völlegefühl. Mein uraltes Lexikon (von 1895) glaubt überdies, Kümmel helfe gegen Hysterie und stärke die Treue zwischen Liebenden. Und neulich erzählte mir ein Taubenzüchter, dass seine Tauben immer wieder sicher in den Taubenschlag zurückfänden, wenn er dort Kümmelgebäck hinlege.
Kümmel hat etliche Verwandte; z. B. weitere Doldenblütler wie Dill, Fenchel, Anis und Gartenkerbel, die wir ebenfalls gerne verwenden. Er hat jedoch auch einen sehr gefährlichen Verwandten, den giftigen Schierling. Im alten Athen diente dieser – in Form des Schierlingsbechers – als Hinrichtungsmittel. Der bedeutendste Denker des Altertums, Sokrates (geboren 469 v. Chr.), wurde 399 v. Chr. bekanntlich (mit der Begründung, er verführe durch seine Lehren die Jugend) angeklagt und dazu verurteilt, den Schierlingsbecher zu trinken. – Sokrates Lehren («Erkenne dich selbst», und «Ich weiss, dass ich nichts weiss») sind bis heute gültig. Und bevor er den Giftbecher trank, sagte Sokrates: «Niemand kennt den Tod. Keiner weiss, ob er nicht das grösste Geschenk für den Menschen ist».

AutorIn: Myrtha Frick