Wasserhahn und fliessendes Wasser

«Am Wasser führt kein Weg vorbei», wird ein Artikel in einer medizinischen Zeitschrift über das wichtigste aller Lebensmittel eingeleitet. Und tatsächlich: Ohne Nahrungszufuhr kann der Mensch im Extremfall Wochen bis Monate aushalten, ohne Wasser jedoch allerhöchstens 7 Tage. Zudem: Unser Körper besteht bis zu 70 % aus Wasser. Da schadet es nicht, sich wieder einmal ein paar Gedanken über das Wasser für unser Leben zu machen.

Fakten zum Wasser
Obwohl wie erwähnt weit über die Hälfte unseres Körpers aus Wasser besteht, ist die Variabilität des Wassergehaltes bei gesunden Menschen von Tag zu Tag mit etwa 0,2 % des Körpergewichts sehr klein. Dies ist erstaunlich, können sich doch zahlreiche äussere Faktoren wie die Umgebungstemperatur, die Salzzufuhr und nicht zuletzt die Trinkmenge in kurzer Zeit stark verändern. Verschiedene Steuerungssysteme sind für diese Stabilität mitverantwortlich: Die Nieren, mehrere Hormone, das Durstzentrum, das Schwitzen u. a.
Tabelle FluessigkeitsaufnahmeDer normale Wasserhaushalt von Gesunden ist über die Zeit selbstverständlich ausgeglichen. Die Eckzahlen sind ersichtlich in Tabelle 1. Die Wasserzufuhr der veranschlagten 2 100  ml stammt nicht nur von Getränken. Je nach Ernährungsweise trägt der Wassergehalt fester Speisen von der Gurke bis zum Knäckebrot etwa 700 – 800 ml pro Tag dazu bei. Oxidationswasser entsteht bei zahlreichen Stoffwechselvorgängen sozusagen als «Abfallprodukt». Oft wird unterschätzt, dass der Wasserverlust nicht ausschliesslich durch den Urin erfolgt. Haut und Lunge geben – auch ohne fühlbares Schwitzen – insgesamt ungefähr 700 ml Wasser pro Tag ab, der Stuhl etwa 100 ml. Bei strenger körperlicher Arbeit oder Sport verschiebt sich dieses Verhältnis erheblich. Das Urinvolumen geht zurück. Dafür können über das Schwitzen bis zu mehrere Liter Wasser verloren gehen, die entsprechend wieder aufgenommen werden müssen.
Die Kochsalzzufuhr kann den Wasserhaushalt deutlich beeinflussen. Über einen erhöhten Durst kommt es zu einer vermehrten Flüssigkeitsaufnahme. Anderseits hängt die Fähigkeit der Nieren, Salz auszuscheiden, ab von der Trinkmenge. Vermehrtes Trinken fördert die Kochsalzabgabe. Ein sehr stark reduzierter Salzkonsum geht wie ein Salzexzess einher mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko.

Definitionen «Wasser» - Tabelle 2

Definitionen gemäss Verordnung des EDI  (eidgenössisches Departement des Innern)

Trinkwasser
Trinkwasser ist Wasser, das natürlich belassen oder nach Aufbereitung bestimmt ist zum Trinken, zum Kochen, zum Zubereiten von Speisen sowie zur Reinigung von Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
(Es folgen hygienische, mikrobiologische, chemische Anforderungen)

Natürliches Mineralwasser
Natürliches Mineralwasser ist mikrobiologisch einwandfreies Wasser, das aus einer oder mehreren natürlichen Quellen oder aus künstlich erschlossenen unterirdischen Wasservorkommen besonders sorgfältig gewonnen wird.
Natürliches Mineralwasser muss sich auszeichnen durch besondere geologische Herkunft, Art und Menge der mineralischen Bestandteile, ursprüngliche Reinheit sowie durch die im Rahmen natürlicher Schwankungen gleichbleibende Zusammensetzung und Temperatur.

Künstliches Mineralwasser
Künstliches Mineralwasser ist Trinkwasser, dem natürliches Mineralwasser, Sole, natürliche Quellsalze oder Nachahmungen solcher Salzmischungen zugegeben worden sind. Künstliches Mineralwasser ist auch natürliches Mineralwasser, dem Mineralsalze beigefügt worden sind.

Wie viel trinkt der Durchschnittsschweizer?
Einer vor ein paar Jahren durchgeführten Erhebung zufolge, trinkt knapp ein Viertel der Schweizer über 2 Liter pro Tag, knapp 10 % unter 1 Liter. Die grosse Mehrheit trinkt zwischen 1 – 2 Liter. Bedenklich ist, dass ausgerechnet sehr alte Menschen (über 85 Jahre) weniger als die empfohlene Flüssigkeitsmenge zu sich nehmen. Da ihre Fähigkeit, den Durst zu stillen, a priori eingeschränkt ist, kann es in hochsommerlichen Hitzeperioden durchaus zu kritischen Kreislaufproblemen kommen.
Auf welche Weise der Flüssigkeitsbedarf gestillt wird, lässt interessanterweise Rückschlüsse zu auf den Lebensstil der betroffenen Person. Wer im Alltag Wasser trinkt, pflegt in der Regel generell einen gesünderen Lebensstil als jemand, der hauptsächlich Süssgetränke zu sich nimmt.
Nochmals sei daran erinnert, dass zur Erfassung der gesamten Flüssigkeitszufuhr unbedingt auch der Wassergehalt der Nahrungsmittel beachtet werden muss. Selbstverständlich haben wasserreiche Nahrungsmittel eine geringere Energiedichte. Dies begünstigt eine kalorienärmere Ernährung.

Wieviel Wasser soll’s denn sein?
In der Schweiz wird, etwa in Abhängigkeit vom Alter, eine tägliche Trinkmenge von etwa 1000 – 2000 ml pro Tag empfohlen. Für Schwangere und Stillende gelten leicht höhere Zahlen. Bei Kindern sind die Empfehlungen selbstverständlich deutlich abgestuft nach Alter. Ob alkoholische Getränke beim Erwachsenen mitgezählt werden sollen bzw. dürfen, ist man sich nicht ganz einig.
Diese eher «bescheidenen» Zahlen werden bei gewissen Leuten Erstaunen auslösen, wird doch von gewissen Stellen eine Trinkmenge von 2 – 3 Litern empfohlen. Dafür gibt es interessanterweise in der medizinischen Literatur keine echte Begründung. Nieren, die «überschwemmt» werden, arbeiten nicht besser. Vielleicht wird bei gewissen Empfehlungen die Wasserzufuhr durch die feste Nahrung einfach «vergessen».
Selbstverständlich gelten diese Empfehlungen nur für den Alltag gesunder Menschen. Hat der Körper vermehrt Giftstoffe auszuscheiden wie etwa bei einer – nicht empfohlenen – Nulldiät oder einer Chemotherapie wegen eines Krebsleidens, sollen die Abbauprodukte verdünnt werden. Gleiches gilt bei einer Veranlagung zur Bildung von Nierensteinen. Ebenso kann es angezeigt sein, bei hohen Temperaturen generell etwas mehr zu trinken.

Wasser oder Mineralwasser?
Wenn wir Ferien in einem Land verbringen, wo sauberes Trinkwasser nicht sozusagen garantiert ist, sind wir froh, Mineralwasser zur Verfügung zu haben, sogar zum Zähneputzen. In der Schweiz ist verunreinigtes Trinkwasser aber sehr selten. Dennoch ist auch bei uns der Trend hin zum Konsum von Mineralwasser ungebrochen. Geschmack? Bequemlichkeit? Erfolgreiche Werbung? Glaube an die positive Wirkung der Mineralien? Drücken wir es vorsichtig aus: «Hahnenwasser» zu trinken ist gesundheitlich sicher nicht nachteilig.
Gewisse Mineralwasser haben einen erhöhten Gehalt an Kalzium. Mit Mineralwasser allein lässt sich der Tagesbedarf an Kalzium aber nicht abdecken. Generell ist festzuhalten, dass mit einer ausgewogenen Ernährung alle nötigen Mineralstoffe in genügendem Mass zugeführt werden.

Abnehmen durch Trinken?
Das Trinken von Wasser führt zu messbaren Veränderungen im menschlichen Körper. So wird das sympathische Nervensystem stimuliert. Bei empfindlichen Leuten kann der Blutdruck leicht ansteigen, ebenso der Blutspiegel des Stresshormons Norepinephrin (ein dem Adrenalin verwandtes Hormon). In einer mit viel technischem Aufwand durchgeführten Studie wurde gezeigt, dass das Trinken von 500 ml Wasser den Grundumsatz während etwa einer Stunde um bis zu 30 % erhöhen konnte. Dies entspricht etwa 25 kcal. Fast die Hälfte davon wurde übrigens benötigt zum Aufwärmen des durchschnittlich 22 Grad warmen Trinkwassers auf Körpertemperatur! Die Autoren dieser Studie berechneten, dass das zusätzliche Trinken von 1,5 Liter Wasser pro Tag während eines ganzen Jahres immerhin die Energie von umgerechnet 2,4 kg Fett verbrauchen würde. Soweit uns bekannt ist, wurde in der Folge aber nie eine Studie gemacht mit der Frage, ob konsequente «Vieltrinker» geringere Gewichtssorgen haben.

Zusammenfassung
Am Wasser führt kein Weg vorbei. Ohne Wasser gibt es kein menschliches Leben. Wir sind täglich darauf angewiesen. Wir müssen zum Wasser – weltweit – grosse Sorge tragen. Eine Flüssigkeitszufuhr von etwa 1,5 Liter pro Tag ist Grundlage für ein normales Funktionieren vieler Stoffwechselvorgänge. Dazu genügt in der Regel normales Wasser. Mineralwasser kann den «Speisezettel» aber ergänzen. Zur Gewichtsregulierung sind eine kalorienreduzierte Ernährung und regelmässige körperliche Aktivität wohl effizienter als grosse Trinkmengen.

AutorIn: Dr. med. K. Scheidegger