Blutplättchen

Bei Diabetikern ist es im Laufe der Erkrankung sehr oft notwendig, eine Blutverdünnung vorzunehmen. Diese wurde bisher häufig mit Medikamenten wie Marcoumar® oder Sintrom® durchgeführt. Neu gibt es die sogenannten NOAK, die, nach bisher verfügbaren Untersuchungen, ein geringeres Komplika­tionsrisiko bergen. Der folgende Artikel geht auf diese neuen Substanzen ein, vergleicht sie mit den herkömmlichen Präparaten und zeigt auf, worauf beim Einsatz solcher NOAK besonders zu achten ist.

Ziel einer Behandlung mit «Blutverdünnern», in der Fachsprache «Antikoagulantien», ist es, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes zu vermindern. Damit soll die überschiessende Bildung von Gerinnseln (Thromben) und davon abgehenden Partikeln (Embolien) möglichst verhindert werden.

Gründe für eine Antikoagulation (Blutverdünnung) Tabelle 1

  • Vorhofflimmern (siehe Tabelle 2)
  • Künstliche Herzklappen
  • Lungenembolien
  • Beinvenenthrombosen
  • Blutgerinnungsstörungen
  • Aussackung der Herzkammer­wand mit Vorliegen eines Blutgerinnsels
Krankheiten, die eine Gerinnungshemmung erfordern, sind bereits früher (siehe «d-journal» 219, 2012/13) ausführlich dargestellt worden und in Tabelle 1 noch einmal aufgelistet.

Das häufigste Krankheitsbild, das eine Blutverdünnung nötig macht, ist das sogenannte Vorhofflimmern. Dies ist eine Herzrhythmusstörung, die mit einem schnellen und unregelmässigen Herzschlag verknüpft sein kann und daher wegen Neigung zu Embolien ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall zur Folge hat (Tabelle 2).

Vorhofflimmern (Tabelle 2)

  • Häufigste Herzrhythmusstörung: 40- bis 60-Jährige 2 – 4 %; 80-Jährige 8 %In über 70 % anfallsweises Auftreten
  • Schnelles Schlagen der Herzvorhöfe → Schütteln des Blutes → Lösen eines Blutgerinnsels → Gefahr eines Schlaganfalls
  • Erhöhtes Schlaganfallrisiko in höherem Alter, bei Herzerkrankung, bei hohem Blutdruck, bei Diabetes und bereits durchgemachtem Schlaganfall
  • Oft Zeichen eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Gefühl von Herzrasen, Engegefühl in der Brust, evtl. aber auch gänzlich symptomlos
  • Deutliche Reduktion des Embolierisikos durch Blutverdünnung (um etwa 60 – 80 %)
Während Jahrzehnten wurde die Blutverdünnung mit Phenprocoumon (Handelsname Marcoumar®) oder Acenocoumarol (Sintrom®) durchgeführt. Diese Medikamente wurden bereits eingehend im erwähnten Artikel des «d-journal» 219 besprochen.
Seit einigen Jahren sind neue gerinnungshemmende Substanzen auf dem Markt, nämlich Apixaban ­(Eliquis®), Dabigatran (Pradaxa®), Edoxaban ­(Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®). Sie werden unter der Sammelbezeichnung «neue orale Antikoagulantien» (abgekürzt NOAK) zusammengefasst, unter Umständen wird auch die Abkürzung DOAK für «direkte orale Antikoagulantien» verwendet. Neu ist, dass nicht mehr wie bei den herkömmlichen Präparaten Marcoumar® und Sintrom® die Bildung von normal funktionierenden Blutgerinnungsfaktoren in der Leber gehemmt wird, sondern dass die von der Leber ans Blut abgegebenen normal funktionierenden Gerinnungsfaktoren nach ihrer Aktivierung vor Ort spezifisch und gezielt blockiert werden.
Genaue Untersuchungen, ob die NOAK nun bei Diabetespatient/-innen besser oder weniger gut wirken als bei nicht von Diabetes Betroffenen, gibt es nicht. In den vorliegenden Untersuchungen über die neuen Antikoagulantien litten aber rund 40 % der Teilnehmenden an Diabetes mellitus. Man darf daher annehmen, dass die in den Studien gefundenen Ergebnisse für Diabetiker und Nichtdiabetiker gleichermassen gültig sind.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Patienten, die eine Blutverdünnung benötigen, nehmen häufig auch einige andere Medikamente ein, zum Beispiel gegen hohen Blutdruck, Infek­tionskrankheiten usw. Dies gilt gleichermassen für Diabetiker und Nichtdiabetiker. Diese zusätzlichen Tabletten oder Kapseln können die Wirkung der Blutverdünner entweder verstärken oder vermindern.
Die herkömmlichen Blutverdünner wie Marcoumar® oder Sintrom® gehören zu denjenigen Medikamenten, deren Wirkung häufig von anderen Medikamenten (und auch Nahrungsmitteln) verändert wird. Dies kann zu einer erhöhten Gefahr von ungewollten Blutungen aus oberflächlichen Wunden oder im Körperinnern führen. Das Blutungsrisiko wird meistens dadurch erhöht, dass begleitende Medikamente selbst zusätzlich eine leichte Störung im Gerinnungssystem bewirken und die Wirkung der eigentlichen Antikoagulantien verstärken. Es gilt: Je mehr Erkrankungen gleichzeitig vorliegen und je mehr andere Medikamente zusätzlich eingenommen werden müssen, umso höher ist die Gefahr ungewollter und zum Teil gefährlicher Blutungen. Das generelle Risiko aller Blutungen verdoppelt sich ab fünf und verdreifacht sich ab sieben bis acht Begleitmedikamenten. Insgesamt überwiegt aber bei richtig eingesetzten Blutverdünnern der Nutzen das mögliche Blutungsrisiko.

Tabelle Auswahl Von MedikamentenSehr viele Medikamente, die bei kardiovaskulären Risiken oder Krankheiten gegeben werden, führen zu einer Verstärkung der Wirkung von Blutverdünnern; am stärksten (aber wohl nicht am häufigsten) wird die Wirkung durch die sogenannten Thrombozytenaggregationshemmer wie Aspirin cardio® oder Clopidogrel vermehrt (solche Medikamente sind in Tabelle 3 aufgelistet).
Die neuen gerinnungshemmenden Substanzen (NOAK) wurden speziell entwickelt, um Nachteile von Marcoumar® und Sintrom® zu umgehen. Sie haben weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (und Nahrungsmitteln), auch wenn hier solche ebenfalls nicht ausser Acht gelassen werden dürfen. Zudem hat man mit den neuen Präparaten noch nicht so viel Erfahrung wie mit den herkömmlichen. Deshalb muss auch bei den neuen Präparaten der Hausarzt wachsam sein. Das Hauptproblem, mit dem man konfrontiert werden kann, ist vor allem die Erhöhung des Blutungsrisikos; sowohl die verfügbaren speziellen Untersuchungen (Zulassungsstudien) als auch die Untersuchungen aus praktischen Erfahrungen heraus (Register) zeigen aber, dass die prob­lematischen (schweren) Blutungen deutlich geringer ausgeprägt sind als mit Coumarinen (zu denen auch Marcoumar® und Sintrom® gehören).
Welche Medikamente die Wirkung der NOAK verändern können, ist bekannt: zum einen sind es Substanzen, die die Thrombozytenfunktion (geplant- oder ungeplantermassen) beeinträchtigen können (siehe Tabelle 3). Dennoch sind Blutungen, wie aus den oben genannten Registern bekannt ist, selten.
Zum anderen gibt es Medikamente, die bekanntermassen den Blutspiegel der NOAK zu erhöhen oder zu vermindern vermögen, weil sie Abbau und Ausscheidung in der Leber und den Nieren eindeutig beeinflussen: Dazu gehören Mittel gegen Infek­tionskrankheiten wie Ketoconazol und Rifampicin oder Medikamente gegen epileptische Anfälle wie Phenobarbital, Phenytoin und Carbamazepin. Es ist Aufgabe des verordnenden Arztes, genau abzuklären, welches NOAK mit welchen Medikamenten kombiniert werden darf.

Dosisanpassung bei Nierenschwäche
Häufig haben Menschen mit Diabetes auch eine eingeschränkte Nierenfunktion und damit auch eine veränderte Ausscheidung der eingenommenen Blutverdünner und ihrer (z. T. auch wirksamen) Abbauprodukte. Daher muss unter den NOAK die Nierenfunktion regelmässig überwacht werden. Der häufigste Grund für eine Dosisanpassung oder einen Wechsel von einem NOAK auf ein herkömmliches Präparat wie Marcoumar® oder Sintrom® ist eine Verschlechterung der Nierenfunktion, weshalb unter den neuen Blutverdünnern die Nierenfunk­tion etwa alle drei Monate kontrolliert werden sollte. So kann man bei Bedarf rechtzeitig mit einer Änderung der Dosis oder einem Absetzen des Medikamentes reagieren.

Zusammenfassung
Die neuen Antikoagulantien haben ein besseres Risikoprofil, was Nebenwirkungen wie ungewollte Blutungen anbelangt. Allerdings ist auch bei diesen Medikamenten auf Wechselwirkungen mit anderen gleichzeitig eingenommen Therapeutika zu achten. Zudem ist ein besonderes Augenmerk auf die Nierenfunktion zu werfen.

Dr. med. Lukas Graf, Prof. Dr. med. Wolfgang Korte
Hämostase- und Hämophiliezentrum, Zentrum für Labormedizin, St. Gallen

Neuer Blutgerinnungshemmungs-Ausweis für Patienten

Ausweis GerinnungshemmungDie Schweizerische Herzstiftung hat zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie SGK einen umfassenden Gerinnungshemmungs-Ausweis entwickelt. Der Ausweis deckt neu alle Arten der oralen Antikoagula­tion und Thrombozytenaggregationshemmung ab.
Der neue Gerinnungshemmer-Ausweis (Format A6) ist ab sofort in den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch bei der Schweizerischen Herzstiftung erhältlich.
Schweizerische Herzstiftung, Schwarztorstrasse 18, Postfach 368, 3000 Bern 14, Telefon 031 388 80 80 / www.swissheart.ch

 

AutorIn: Dr. med. Lukas Graf, Prof. Dr. med. Wolfgang Korte