Profirennfahrer vom NovoNordisk-Team

Das Profi-Team von Novo Nordisk startete am 28. Februar 2016 in Lugano
Diabetes ist für viele eine Krankheit. Eine lebensbedrohliche sogar. Für die Profiradrennfahrer vom Team Novo Nordisk ist Diabetes aber bloss eine von vielen Herausforderungen, welche sie tagtäglich zu meistern haben. Sie managen ihren Diabetes genauso professionell wie ihr Training, ihre Ernährung und ihre Ruhezeiten. Ein Bericht von der Rennstrecke in Lugano, wo acht Mitglieder des Teams Novo Nordisk am Start standen – im strömenden Regen, bei 4 Grad Celsius.

Der kalte Winterregen prasselt auf den Asphalt der Riva Albertolli, der sonst so einladenden und von Palmen gesäumten Prachtstrasse in Lugano.
Dicht gedrängt ste­hen ­150 dünn bekleidete Profi-Radrennfahrer am Start. Die Kälte beisst sich in die Muskeln der bunten Schar. Einige tragen Rennhosen, die nicht einmal ihre Waden bedecken.
Die Bidons stecken noch unangetastet in den Halterungen. Unter den eng anliegenden Regenjacken wölben sich Snacks und Energie-Gels. Bei acht Rennfahrern, alle in weiss-blau und mit der Aufschrift «Team Novo Nordisk», verbergen sich unter den Wölbungen weitere Instrumente. Sie haben ein elektronisches Gerät namens CGM (Kontinuierliches Glukosemessgerät) dabei sowie Insulinpens oder Insulinpumpen.
Der Countdown läuft. Die Startflagge senkt sich und der «70. Gran Premio di Lugano» ist lanciert.
Das komplette Profi-Radrennteam Novo Nordisk besteht aus 18 Rennfahrern aus der ganzen Welt. Sie kommen aus Australien, Neuseeland, USA, Irland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Niederlanden und aus Finnland. Die eine Hälfte des Teams bestritt in diesem Jahr bereits die «Jayco Herald Sun Pro Tour» in Melbourne Australien, die andere Hälfte radelte durch die Wüste an der «Dubai World Tour». Das sind andere klimatische Bedingungen als heute in der Südschweiz. An das Rennen in der Wüste erinnern nur noch die jetzt regennassen Waden, die in allen Brauntönen glänzen.

Interview mit Joonas Henttala

Das Team Novo Nordisk hat hohe Ambitionen. Nicht unbedingt für heute zum europäischen Saisonstart im kalten Lugano, aber für das Rennjahr 2016. Und längerfristig, für die nächsten fünf Jahre. Aber zunächst gilt es, die guten Resultate von 2015 zu bestätigen: 36 Platzierungen in den Top-Ten, drei Podestplätze und ein Etappensieg auf der Philippinen-Rundfahrt. Das grosse Fernziel hat jedoch eine andere Dimension: Das Team will sich im Jahr 2021 für die Tour de France qualifizieren. Für das härteste Strassenrundstreckenrennen der Welt! Das Team Novo Nordisk will der Welt beweisen, wie viel man mit Diabetes zu leisten imstande ist. Von Krankheit spricht in diesem Team niemand.
Die Mitglieder des Rennteams sind gesprächig, wenn sie nicht gerade auf ihren Velos durch den Regen strampeln. Sie haben alle ein Medientraining genossen und verstehen sich als Botschafter für Diabetes und Sport. Sie kommen jedes Jahr mit Tausenden von Menschen auf der ganzen Welt in Kontakt und geben gerne Auskunft. Ihre Botschaft ist einfach: «Diabetes ist kein Handicap im Profirennsport. Es ist bloss eine zusätzliche Aufgabe, die du als Profi im Griff haben musst. Eine Aufgabe von vielen.» So lautet der Tenor der Rennfahrer vom Team Novo Nordisk.
Inzwischen preschen die Rennfahrer wieder durch das Start-Zielgelände am Quai von Lugano. Eine weisse Gischtfahne zieht hinter ihnen her. Das Team Novo Nordisk ist mitten drin im Pulk der Fahrer, mit zugekniffenen Augen, weil die Brillen bei diesem Regen unbrauchbar geworden sind. Kaum sind die Fahrer vorbei, enteilen die dick vermummten Zuschauer wieder in die warmen und trockenen Cafés der Altstadt.
So zieht sich das Rundrennen hin und her, alle 25 Minuten am Quai. Einmal kommen die Fahrer von links, dann kommen sie von rechts, über fünf lange Stunden. 185 Kilometer im Dauerregen. Auf jeder Runde sind drei Aufstiege und drei Abfahrten mit je 200 Höhenmetern zu bewältigen. Das Zermürbungsprogramm zollt seinen Tribut. Von 150 Startenden überfahren gerade mal 45 die Ziellinie. Auch das Team Novo Nordisk wird tüchtig durcheinander gewirbelt. Gemeinsam ins Ziel fahren bloss noch der im Team favorisierte Spanier David Lozano und der Finne Joonas Henttala.
Die Mission ist erfüllt: Das Team hat alles versucht. Zwei von ihnen haben sogar reüssiert. Das andere Ziel haben alle acht Fahrer erreicht: den Respekt der Rennfahrerkollegen und der Zuschauer. Den Respekt davor, dass man auch bei diesen garstigen Bedingungen aufs Velo steigt und in horrendem Tempo durch das Tessin schlängelt, mit einem Blutzuckermessgerät und Insulinvorrat in der Gesässtasche.

AutorIn: Pascal Rast, Hergiswil