Portrait Svenja Rimle

Die Blutzuckerkontrolle. Eine ziemlich lästige, aber auch unabdingbare Tätigkeit im Leben eines jeden Diabetikers. Früher war es mir peinlich, meinen Blutzucker in der Öffentlichkeit zu messen. Ich erledigte die Sache rasch und heimlich, um Fragen wie: «Was ist das?» oder «Tut das weh?» zu vermeiden. In gewissen Situationen liess ich die Prozedur sogar weg, denn wer möchte schon beim ers­ten Date oder bei einer Übernachtungsparty bei Freunden seine gesamten Messutensilien auspacken und anschliessend jedem erklären, warum man das machen muss. Oder die angewiderten Blicke ertragen, die einem zugeworfen werden, wenn man das überflüssige Blut direkt vom Finger ableckt, anstatt es mit einem dieser einzeln abgepackten Desinfektionstüchlein abzuwischen.
Heute jedoch sehe ich das Ganze ein bisschen weniger kompliziert. Ich messe meinen Blutzucker immer und überall. Egal ob ich mich in einem noblen Restaurant, im Postauto zu Stoss­zeiten oder auf der Damentoilette in irgendeinem Club befinde, es macht mir nichts mehr aus. Ich stehe offen zu meiner Krankheit und kontrolliere meinen Blutzucker lieber einmal zu viel anstatt einmal zu wenig. Schliesslich muss ich ja bei der nächsten Sprechstunde einen einigermassen ansehnlichen HbA1c-Wert vorweisen können. Ausserdem, muss ich ehrlich zugeben, geniesse ich die interessierten, verwunderten Blicke und die daraus resultierende grosse Aufmerksamkeit meiner Mitmenschen in der Öffentlichkeit auch sehr, denn das gibt mir ein Gefühl, etwas Besonderes zu sein.

AutorIn: Svenja Rimle