Bauchspeicheldrüse – Pankreas – Insulin – Inselzellen – Glukagon – Verdauungsenzyme: Das alles sind Begriffe, mit denen Diabetikerinnen und Diabetiker im Laufe der Zeit gelegentlich konfrontiert werden. Aber oft bleiben viele dieser Begriffe unklar, weshalb der folgende Artikel darüber Klarheit schaffen soll.

1. Was ist die Bauchspeicheldrüse?
Die Bauchspeicheldrüse ist eine gelbliche, ungefähr 15 cm lange, 5 cm breite und 2 – 3 cm dicke Drüse, die etwa 80 – 120 g wiegt. Sie liegt quer im Oberbauch gegen den Rücken hin, etwa auf Höhe des zweiten oder dritten Lendenwirbelkörpers (Abb. 1).

Abbildung Bauchspeicheldrüse
Abb. 1)
Bauchspeicheldruese
Abb. 2)

Sie hat beim Menschen die Form eines J-Hakens und teilt sich ein in Kopf, Körper und Schwanz.
Der Kopf der Bauchspeicheldrüse liegt in der Krümmung des Zwölffingerdarms. Hier mündet auch der grosse Drüsengang der Bauchspeicheldrüse in den Zwölffingerdarm, meistens zusammen mit dem Hauptgallengang (Abb. 2). Einzelne Menschen haben zusätzlich noch eine Drüsenöffnung oberhalb der Mündung des Hauptgangs in den Darm.
Der Bauchspeicheldrüsenkörper liegt vor dem Abgang wichtiger Gefässe aus der Hauptschlagader (Aorta), welche die Leber, den Magen, den oberen Darm und auch die Drüse selbst mit Blut versorgen. Der Schwanz der Bauchspeicheldrüse befindet sich in unmittelbarer Nähe der Milz.

2. Historisches
Die Bauchspeicheldrüse wird in der Fachsprache als «das Pankreas» (griechisch pan = alles, kreas = Fleisch) bezeichnet.
Aus der Medizingeschichte weiss man, dass das Pankreas griechischen Gelehrten bereits im vierten Jahrhundert vor Christus bekannt war. So wusste beispielsweise Eudemos von Alexandria, dass es sich um eine Drüse handelt, die eine speichelähnliche und für die Verdauung wichtige Flüssigkeit in den Darm abgibt.
Während vieler Jahrhunderte ging dieses Wissen dann aber wieder verloren. Erst zur Zeit der Renaissance und später, im 18. und 19. Jahrhundert, wurden Funktion und Bedeutung der Bauchspeicheldrüse für die Verdauung wieder neu entdeckt.
Die deutsche Bezeichnung «Bauchspeicheldrüse» erhielt das Pankreas im Jahr 1796 vom Anatomen Samuel Thomas von Sömmerring in seinem Buch «Vom Bau des menschlichen Körpers».
Der Pariser Arzt Claude Bernard beschrieb 1856 detailliert in seinem Buch «Mémoires sur le pancréas et sur le rôle du suc pancréatique dans les phénomènes digestifs», dass das Pankreas für die Eiweissspaltung, die Zuckerspaltung und die Fettverdauung äusserst wichtig ist.
Der bereits erwähnte Hauptdrüsengang wird nach dem Arzt Johann Georg Wirsung auf Lateinisch als «ductus wirsungianus» bezeichnet. Wirsung hielt 1642 diesen Gang allerdings für ein Lymphgefäss, weil er die Funktion des Pankreas noch nicht kannte.
Interessant ist, dass die Einmündung des Drüsenkanals in den Zwölffingerdarm, die sogenannte Papille, jahrhundertelang nicht gefunden wurde. Weil sich in der Vergangenheit die Untersuchungen der menschlichen Organe an ungekühlten Leichen über mehrere Tage erstreckten, hatte sich in dieser Zeit die Bauchspeicheldrüse mitsamt dem Mündungsgang bereits bis zur Unkenntlichkeit selbst verdaut.

3. Funktionen der Bauchspeicheldrüse
Heute weiss man, dass die Bauchspeicheldrüse zwei grundsätzlich unterschiedliche Aufgaben erfüllt.
Erstens ist sie, wie schon lange bekannt, wichtig für die Verdauung. Dafür produziert sie Verdauungsfermente (Enzyme). Der Saft mit diesen Enzymen wird in spezialisierten Zellen der Bauchspeicheldrüse produziert und in ein weitverzweigtes Gangsystem abgegeben, das schliesslich in den Hauptgang (den bereits erwähnten Ductus wirsungianus) mündet. Kurz vor der Einmündung in den Zwölffingerdarm gesellt sich zum Bauchspeicheldrüsensekret, das die Verdauungsenzyme enthält, noch der Gallensaft, der aus der Leber kommt hinzu (Abb. 2).
Alle Sekrete vermischen sich für die Verdauung im Zwölffingerdarm mit dem vom Magen herkommenden Speisebrei. Insgesamt produziert die Bauchspeicheldrüse etwa 30 verschiedene Enzyme, die die Nahrung in kleinste Teile spalten. Dies ist notwendig, damit der Körper die Nährstoffe über den Darm aufnehmen kann. Um zu verhindern, dass sich die Bauchspeicheldrüse mit diesen Enzymen selbst verdaut, werden die meisten davon erst im Zwölffingerdarm aktiviert. Insgesamt werden pro Tag 1,5 bis 3 Liter Sekret produziert. Die Zusammensetzung dieses Verdauungssaftes hängt von der Art der aufgenommenen Nahrung ab. Er enthält zudem Bikarbonat, das die Salzsäure des Magensaftes, der mit dem Nahrungsbrei in den Darm gelangt, neutralisiert. Denn in saurer Umgebung können die Verdauungsenzyme nicht wirken.
Die wichtigsten Enzyme für die Verdauung sind:

  • Amylase: spaltet Kohlenhydrate (zuckerhaltige Nahrungsbausteine)
  • Trypsin, Chymotrypsin und Carboxypeptidase: spalten Eiweisse
  • Lipase, Phospholipase und Esterase: spalten Fette

Fehlen diese Enzyme, kann der Darm die Nahrung nicht in den Körper aufnehmen. Die Folge ist, dass unverdaute Speisen im Darm weiterbefördert werden, was zu erheblichen Durchfällen, Blähungen und auch Bauchkrämpfen führen kann. Zudem kommt es durch Unterernährung des Körpers zu einer stetigen Gewichtsabnahme und zu Mangel an den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K.

Zweitens ist die Bauchspeicheldrüse auch wichtig für den Stoffwechsel, im Besonderen für die Blutzuckerregulation. Die dafür notwendigen Stoffe, Hormone genannt, werden in spezialisierten Zellen produziert, welche in kleinen Häufchen gruppiert in der ganzen Drüse zu finden sind. Insgesamt sind es etwa 1,5 Millionen solcher Zellhäufchen. Diese machen insgesamt nur etwa 2 % der Pankreasmasse aus und werden nach ihrem Entdecker Paul Langerhans seit 1869 als «Langerhans’sche Inseln» bezeichnet (Abb. 3).

Bauchspeicheldrüse unter dem Mikroskop
Abb. 3) Bauchspeicheldrüse unter dem Mikroskop: Hell sind die Zellen einer Langerhans’schen Insel, darum herum und dunkler die restlichen Drüsenzellen, die die Verdauungsenzyme produzieren.
©pankreashilfe.ch

Sie enthalten verschiedene Zellsorten, darunter die Betazellen, die das Hormon Insulin bilden und an die umgebenden Blutgefässe abgeben. Etwa 70 Prozent der Inselzellen sind Betazellen. Auch der Gegenspieler des Insulins, das Glukagon, wird in den Langerhans‘schen Inseln produziert, und zwar in den sogenannten Alphazellen. Diese machen etwa 20 Prozent der Inselzellen aus. Weitere Hormone der Inselzellen sind das Somatostatin (aus den Deltazellen). Dieses hat die Funktion, die Sekretproduktion von Magen und Bauchspeicheldrüse zu hemmen. Das pankreatische Polypeptid (aus den F- oder PP-Zellen) und das Ghrelin (aus den E-Zellen) sind weitere Hormone der Bauchspeicheldrüse. Auf diese wird nicht näher eingegangen.

4. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse
Verschiedene Erkrankungen können an der Bauchspeicheldrüse auftreten. Je nachdem haben sie auch gravierende Folgen für den ganzen Körper.

Diabetes mellitus
Dies ist eine Erkrankung der Langerhans’schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse. Beim Typ-1-Dia­betes zerstört das körpereigene Immunsystem aus nicht geklärten Gründen die insulinproduzierenden Betazellen. Dadurch kommt es dort zu einer Entzündung, die Zellen gehen zugrunde und können kein Insulin mehr produzieren. Als Folge davon steigt der Blutzuckerspiegel an, weil der Körper den Blutzucker nicht mehr aufnehmen kann.
Beim Typ-2-Diabetes verliert typischerweise das körpereigene Insulin, das den Blutzucker reguliert, zunehmend seine Wirksamkeit. Anfänglich wirkt die Bauchspeicheldrüse diesem Prozess entgegen, indem sie immer mehr Insulin produziert. Die dauerhafte Überbeanspruchung überfordert jedoch im Laufe der Zeit die Betazellen, die deshalb ihre Bildungsfähigkeit für Insulin verlieren und einen Diabetes mellitus auslösen.

Bauchspeicheldrüsenentzündung
Bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung, der sogenannte Pankreatitis, wird zwischen einer akuten und einer chronischen Form unterschieden.
Eine akute, rasch auftretende Entzündung äussert sich durch plötzlich auftretende Schmerzen im Oberbauch und im Lendenbereich, Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Häufig wird diese Form der Pankreatitis durch eingeklemmte Gallensteine oder zu viel Alkoholkonsum, seltener durch gewisse Medikamente ausgelöst. Auch stark erhöhte Blutfette (Triglyzeride) können Pankreasentzündungen auslösen. Gelegentlich bleibt die Ursache auch unklar. Im Rahmen der Entzündung können Verdauungs­enzyme der Bauchspeicheldrüse freigesetzt und aktiviert werden, die das Pankreas und das umgebende Gewebe massiv schädigen. Dies passiert in etwa 15 % der Fälle. Die Erkrankung kann so lebensgefährlich enden.
Langanhaltender übermässiger Alkoholkonsum ist die häufigste Ursache für eine chronische Pankreatitis. Seltener sind gewisse Medikamente oder eine Überfunktion der Nebenschilddrüse schuld an dieser Form der Bauchspeicheldrüsenentzündung.
Pankreasentzündungen können zu bleibendem Funktionsverlust des Organs führen. Je nach dem sind dies Diabetes mellitus und/oder Verdauungsprobleme mit chronischem Durchfall, Gewichtsverlust und Unterernährung. Die Behandlung erfolgt mit Insulinspritzen resp. Kapseln. Sie enthalten die fehlenden Verdauungsenzyme und sind mit den Mahlzeiten einzunehmen. Gleichzeitig braucht es noch ein magensäurehemmendes Medikament, damit die Verdauungsenyzme im Darm wirken können.

Bauchspeicheldrüsenkrebs
Der Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) ist ein sehr aggressiv wachsender bösartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse. Am häufigsten erkranken Menschen über 65 Jahren daran, Männer häufiger als Frauen. Chronischer Alkoholüberkonsum und Rauchen können die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs begünstigen.

Mukoviszidose
Die Mukoviszidose (auch «Zystische Fibrose» genannt) ist die häufigste vererbte Stoffwechsel­erkrankung der weissen Bevölkerung in Eu­ro­pa­ ­und den USA. In Deutschland leben etwa 8 000 Menschen mit Mukoviszidose. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit dieser Erkrankung geboren wird, beträgt etwa 1 auf 2 000 Geburten. Von Geburt an sind Zellen des Magendarmtraktes, der Bauchspeicheldrüse, der Atemwege und anderen Orten im Körper defekt. Diese Zellen produzieren statt dünnes Sekret einen zähen dickflüssigen Schleim.
Die wichtigsten Kennzeichen sind Lungenentzündungen, starkes Untergewicht und Verdauungsprobleme. Der Schleim in der Lunge bietet einen Nährboden für Bakterien. Diese verursachen immer wieder Lungenentzündungen, was langfristig das Lungengewebe zerstört.
Verdacht auf Mukoviszidose besteht, wenn ein Kind ständig hustet und bereits im Säuglingsalter an Lungenentzündungen erkrankt. Gedeihstörungen, starkes Untergewicht, Verdauungsprobleme, fettige Stühle und/oder Verstopfung können ebenfalls beobachtet werden.
Der Krankheitsverlauf ist nicht bei allen Betroffenen gleich. Es können nur einzelne oder auch viele Organe betroffen sein. Auch die Schwere der Krankheitsausprägung kann sehr unterschiedlich sein.

Endokrine Tumore der Bauchspeicheldrüse
Endokrine Tumore der Bauchspeicheldrüse entstehen aus den Inselzellen. Dazu zählen das Insulinom, das Gastrinom, das VIPom und das Glukagonom. Im Detail wird darauf nicht näher eingegangen. Es sind sehr seltene Erkrankungen, die etwa 5 % aller Tumorerkrankungen der Bauchspeicheldrüse ausmachen. Ein Teil davon produziert in überschüssiger Menge ein Hormon der Inselzellen, am häufigsten Insulin.

AutorIn: Dr. med. Alexander Spillmann