Schwarz-weiss Zeichnung der Nieren

SGLT2 ist ein Eiweissstoff in der Niere, der verhindert, dass Glukose aus dem Blut entfernt und mit dem Urin ausgeschieden wird. Seit ein paar Jahren stehen zur Behandlung des Typ-2-Diabetes Tabletten zur Verfügung, die SGLT2 blockieren. Man bezeichnet sie als SGLT2-Hemmer. Es sind Medikamente, die dafür sorgen, dass mit dem Urin Glukose ausgeschieden und der Blutzuckerspiegel gesenkt wird. Daneben schützen diese Präparate aber auch das Herzkreislaufsystem und die Nieren.

Die Nieren sind primärer ­Wirkungsort der SGLT2-Hemmer
In gesunden Nieren hat es rund zwei Millionen Nierenkörperchen mit angeschlossenem Nierenkanälchen. In den Nierenkörperchen wird das Blut mit den darin gelösten Teilchen filtriert. So werden pro Tag rund 180 Liter sogenannten Primärharns gebildet. Er enthält Abfallprodukte, die aus dem Körper ausgeschieden werden müssen, aber auch viel Wasser und lebenswichtige Mineralien (Natrium, Kalzium, Kalium und andere).

Bildquelle ©: www.blutwert.net
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Deshalb wird der grösste Teil des filtrierten Wassers und der Mineralien in den Nierenkanälchen wieder in den Körper zurück aufgenommen («rückresorbiert»). So wird verhindert, dass der Körper nicht unter Wassermangel leidet und/oder ihm lebenswichtige Mineralien fehlen. Was nicht zurückbehalten wird, wird gemeinsam mit den Abfallstoffen als Sekundärharn resp. Urin ausgeschieden, pro Tag etwa 1,5 Liter (siehe Abbildungen).

Zucker (Glukose) wird in der Niere zuerst frei in den Primärharn filtriert. Im weiteren Verlauf wird die Glukose in den Nierenkanälchen aber wieder für den Körper zurückbehalten, so dass im Normalfall im Urin keine Glukose enthalten ist. Verantwortlich für diese Rückresorption von Glukose ist neben anderen der Eiweissstoff SGLT2 (Abkürzung des englischen Begriffs «Sodium Glucose Co Transporter 2»), der sich in den Nierenkanälchen befindet.
Blockiert man SGLT2, werden Glukose (und Natrium) nicht erneut ins Blut aufgenommen, sondern mit dem Urin ausgeschieden. Dadurch sinkt der Blutzucker.

Wirkungen von SGLT2-Hemmern
SGLT2-Hemmer stellen die neueste Medikamentenklasse für Menschen mit Typ-2-Diabetes dar (siehe Tabelle 1).

Überblick SGLT2-Hemmer - Tabelle 1

Bislang wurden vier SGLT2-Hemmer in der Schweiz (und in der EU) zugelassen:

Forxiga® (Wirkstoff: Dapagliflozin), CH 2014 (EU 2012)
Invokana® (Wirkstoff: Canagliflozin), CH 2014 (EU 2013)
Jardiance® (Wirkstoff Empagliflozin), CH und EU 2014
Steglatro® (Wirkstoff Ertugliflozin), CH und EU 2018

Sie wirken direkt an der Niere und blockieren SGLT2, was bisherige blutzuckersenkende Medikamente nicht können.
Durch die Glukoseausscheidung über den Urin kommt es zu tieferen Blutzuckerwerten, einem Kalorienentzug und einem Gewichtsverlust von ein paar Kilogramm. Auch der Insulinbedarf wird gesenkt.
Der Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) geht bei einem Ausgangwert zwischen 7,5 und 9,2 % um durchschnittlich 0,7 % zurück. Der Nüchternblutzucker morgens wird um etwa 1,5 mmol/l gesenkt. Diese Effekte sind unabhängig davon, ob zusätzlich andere blutzuckersenkende Medikamente eingenommen werden oder nicht.
Die negative Kalorienbilanz begünstigt die Zuckerfreisetzung aus dem Stärkedepot sowie den Fettabbau in der Leber, wodurch auch einer Fettlebererkrankung entgegengewirkt werden kann.
Der Entzug von Glukose und Natrium über die Nieren hat einen entwässernden Effekt. Dies macht sich durch einen vermehrten Harndrang bemerkbar.
Der Wasserverlust ist blutdrucksenkend, wie bei jedem anderen wassertreibenden Medikament auch. Der Blutdruck wird um etwa 2 – 5 mmHg gesenkt. Mit Senkung des Blutdrucks und der Entwässerung des Körpers wird auch das Herz entlastet, wovon vor allem herzkranke Menschen profitieren (siehe Kasten 1).

SGLT2-Hemmer und ­Herzkreislauferkrankungen - Kasten 1

Typ-2-Diabetes zählt neben Bluthochdruck (> 140/90 mmHg) und erhöhten Blutfetten zu den grössten Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen. Die Zulassungsbehörden für Medikamente verlangen deshalb bei jedem neuen Medikament den Nachweis nicht nur zur Sicherheit der Präparate auf die Blutzuckersenkung, sondern auch zur Unbedenklichkeit bezüglich Herzkreislauferkrankungen.
Für SGLT2-Hemmer weisen diese Untersuchungen in einer Zeitspanne von ein paar Jahren bis zu einem Drittel weniger Spitaleintritte wegen Herzschwäche sowie eine Reduktion der Todesfälle an Herzkreislauferkrankungen um rund 2 % (bei Menschen ohne bestehende Herzkreislauferkrankung) und bis zu 32 % (bei bereits bekannter Herzkreislauferkrankung) nach.

Auch wird der Filtrationsdruck in den Nierenkörperchen reduziert. Dies bedeutet für die Nieren längerfristig eine Schonung, was eine Verminderung von diabetesbedingten Nierenschäden zur Folge hat. Bei Diabetesbetroffenen wird auch die Ausscheidung von Albumin (Eiweiss) im Urin vermindert. Diesen Effekt haben auch sogenannte ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker. Dies sind blutdrucksenkende Medikamenten, die bei Diabetesbetroffenen sehr häufig eingesetzt werden. SGLT2-Hemmer sind hier eine sinnvolle ergänzende Therapie zum Schutz der Nieren (siehe Kasten 2).

SGL2-Hemmer und diabetische Nierenerkrankung - Kasten 2

Eine Spätkomplikation beim Diabetes mellitus ist die Schädigung der Nieren, die sogenannte diabetische Nephropathie. Die Nieren lassen zunächst das kleine Eiweiss Albumin vermehrt durch (Albuminurie=Albumin im Urin). Eine Albuminurie ist ein erster Hinweis auf eine Nierenschädigung bei Diabetes. Wird eine diabetische Nierenschädigung nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, droht ein Funktionsverlust der Nieren, der bis zum Nierenversagen mit Dialyse (Nierenersatzverfahren) führen kann.
SGLT2 Hemmer verzögern das Eintreten einer diabetesbedingten Nierenschädigung und verlangsamen das Fortschreiten einer bestehenden Nierenkrankheit. So konnte kürzlich bei Menschen mit bereits bestehender diabetesbedingter Nierenschädigung zum Beispiel die Rate der neu auftretenden Dialysebedürftigkeit innert 2,5 Jahren um rund einen Drittel gesenkt werden.

Die Schonung der Nieren und die Reduktion des Eiweissverlustes mit dem Urin sind auch mit einem verminderten Risiko für Herzkreislauferkrankungen wie Herzinfarkt und Hirnschlag vergesellschaftet.

Wann kommen SGLT2-Hemmerzur Anwendung?
SGLT2-Hemmer kommen bei Typ-2-Diabetes zum Einsatz. Sie haben heute einen hohen Stellenwert in der Behandlung dieser Erkrankung. Nach den neues­ten internationalen Leitlinien sind sie vor allem bei Menschen mit einer eingeschränkten Herz- oder Nierenfunktion oder bei Vorliegen einer oder mehrerer Herzkreislauferkrankungen empfohlen. Sie unterstützen zudem Übergewichtige beim Abnehmen. Die Anwendung zur Diabetesbehandlung erfolgt alleine als sogenannte Monotherapie oder in Kombination mit fast allen anderen Diabetesmedikamenten und auch mit Insulin. Bei Patienten, die neben dem Diabetes mellitus Typ 2 an einer Herzschwäche erkrankt sind, wird eine Therapie mit einem SGLT2-Hemmer besonders empfohlen.

Abnehmende Wirkung mit ­abnehmender Nierenfunktion
Der Effekt von SGLT2-Hemmern hängt von der Glukoseelimination der Nieren ab. Nimmt die Funktion der Nieren ab, so wird auch weniger Glukose filtriert. Somit verlieren die SGLT2-Hemmer mit sich verschlechternder Nierenfunktion ihre Wirksamkeit.
Bei einer deutlichen Niereneinschränkung von < 45 ml/min (normal 90 ml/min) wird die Therapie mit SGLT2-Hemmer zur Zeit nicht mehr empfohlen.

Nebenwirkungen der ­SGLT2-Hemmer
Bakterien und Pilze lieben Glukose. Wenn Zucker im Urin ausgeschieden wird, steigt das Risiko für Infektionen im Genitalbereich. Vor allem Frauen sind von solchen Infektionen betroffen (5 – 10 % der Patientinnen). Diese Genitalinfektionen schränken die Anwendung der Präparate zwar ein, können nach dem Absetzen der SGLT2-Hemmer in der Regel gut behandelt werden und hinterlassen keinen bleibenden Schaden. Die Erfahrung zeigt zudem, dass eine Genitalinfektion – wenn überhaupt – meistens nur einmal, in der Regel in den ersten Behandlungswochen, auftritt.
Eine eher seltene Nebenwirkung sind diabetische Ketoazidosen bei normalem oder nur minimal erhöhtem Blutzucker. Die Ketonkörper können im Urin fehlen, da diese durch die SGLT-2-Hemmer in der Niere rückresorbiert werden. Risikofaktoren für das Auftreten sind Insulimangel, verminderte Zufuhr von Kohlenhydraten, vermehrter Stress durch extreme körperliche Anstrengung oder Operationen, eine verminderte Glukoseneubildung in der Leber z. B. durch Alkoholkonsum. Die Behandlung der diabetischen Ketoazidose erfolgt immer im Spital durch Absetzen der SGLT2-Hemmer und Gabe von Insulin und bei normalem Blutzucker von Insulin und Glukose über eine Infusion.

Fazit
Mit den SGLT2-Hemmern stehen uns neuartige, wirkungsvolle und relativ nebenwirkungsarme Substanzen für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zur Verfügung. Sie haben heute einen hohen Stellenwert bei Patient/-innen mit Typ-2-Diabetes und erhaltener bis moderat eingeschränkter Nierenfunktion und/oder Herzschwäche.
Mit dem Ausscheiden von Kalorien über den Urin sind gleich mehrere Folgekrankheiten des metabolischen Syndroms (Übergewicht, Bluthochdruck und schlechte Fettwerte im Blut) positiv beeinflussbar.
Bei guter Blutdruck- und Blutzuckereinstellung lässt sich das Voranschreiten einer Nierenschädigung und von Herzkreislauferkrankungen aufhalten.

Dr. med. Rahel Pfammatter, Nephrologie und Dialyse,
Medizinische Klinik Spital Muri/AG und Kantonsspital Baden