«Ich war ein begeisterter Taucher. Aber mit Tauchferien ist es nun leider vorbei. Man hat bei mir vor sechs Monaten einen Diabetes diagnostiziert».
Diese und ähnliche Aussagen sollten heute definitiv nicht mehr vorkommen. Fast alles, was Betroffene vor der Diabeteserkrankung gerne, gut und kompetent gemacht haben, steht für sie weiterhin offen. Damit das Erlebte rundum positiv wird und nur angenehme Ferienerinnerungen zurückbleiben, tun Diabetiker indes gut daran, ihre Ferien noch etwas umsichtiger zu planen und gewissenhafter vorzubereiten als Stoffwechselgesunde.
Dies gilt ganz besonders für Reisen ins ferne Ausland, in entlegene Gebiete, für längere Flugreisen mit Zeitverschiebung und bei Freizeitaktivitäten mit besonderer körperlicher Belastung. Gerne geben wir Ihnen im Folgenden einige nützliche Tipps, damit Ihr Urlaub auch mit Diabetes entspannt und ohne ernstliche Probleme verlaufen kann.
Reisevorbereitungen
Handgepäck
In «zivilisierten», touristisch gut erschlossenen Ländern kommt es zwar trotz schärferer Kontrollen in Flughäfen und ev. auch am Zoll kaum (mehr) vor, dass Diabetiker, die Spritzen, Pens, Insulin etc. mit sich führen, belästigt werden. Es ist offiziell erlaubt, Insulin an Bord eines Flugzeugs mitzunehmen. Dennoch empfiehlt es sich, vom behandelnden Arzt ein Zeugnis ausstellen zu lassen, welches über die Diabeteserkrankung und die Notwendigkeit, gewisse Utensilien mit sich zu führen, Auskunft gibt.
«Diabetes & Flugreisen»
In der Broschüre «Diabetes & Flugreisen» finden Sie auf der letzten Seite ein «ärztliches Attest», welches Sie von Ihrem behandelnden Arzt ausfüllen und unterzeichnen lassen können.
Die Broschüre kann in Deutsch, Französisch und Italienisch im Onlineshop oder direkt bei Ihrer regionalen Diabetes-Gesellschaft bestellt werden. www.diabetesschweiz.ch
Versicherungen
Prüfen Sie Ihren Versicherungsschutz sorgfältig. Es ist keineswegs sichergestellt, dass Ihre Krankenkasse medizinische Behandlungen im Ausland bezahlt. Erkundigen Sie sich nach einer Ausland-Krankenversicherung. Empfehlenswert sind auch eine Reiserücktritts- bzw. eine Reiseabbruch-Versicherung. Als Mitglied der Rettungsflugwacht hätten Sie «im schlimmsten Fall» auch die Möglichkeit, einen Repatriierungsflug in Anspruch zu nehmen.
Impfschutz
Nehmen Sie grössere Auslandreisen zum Anlass, Ihren Impfschutz wieder einmal überprüfen zu lassen. Sind an Ihrem Reiseziel gewisse Impfungen eventuell obligatorisch, z.B. Gelbfieber? Wie steht es mit der Malariaprophylaxe? Lassen Sie sich von Ihrem Hausarzt oder einer Informationsstelle für Reisemedizin beraten.
Diabetes-Zubehör
Gerne geht in der Hektik etwas vergessen. Prüfen Sie deshalb anhand einer Checkliste, ob Sie alle nötigen Diabetes-Utensilien eingepackt haben:
- Tabletten (in genügender Menge), selbstverständlich auch für Blutdruck, hohes Cholesterin etc., sofern entsprechend behandelt; ev. Medikamenten-Dosierplan
- Insulin (Basalinsulin und raschwirkendes Insulin)
- Ev. Kühltasche
- Spritzen und/oder Pens inkl. Nadeln
- Blutzucker-Messgerät und Teststreifen
- Ev. Teststreifen für Urinzucker- oder Keton- körpermessung
- Bei entsprechender Behandlung Insulinpumpe inkl. genügend Verbrauchsmaterial und Batterien
- Stechgerät und Lanzetten
- Würfelzucker oder Traubenzucker
- Ernährung zur Hypo-Bekämpfung: Knäckebrot, Dörrobst, Energiebarren etc.
- Glucagen-Hypokit (sofern vorhanden)
- Blutzucker-Kontrollheft
- Diabetiker-Ausweis, Impfausweis, Ausweis der Rettungsflugwacht, allfällige ärztliche Atteste, Notfalladressen, ev. aktueller Therapieplan (z. B. Insulin-Basalrate bei Pumpentherapie)
In der Regel empfiehlt es sich, mindestens einen Teil des Materials im Handgepäck zu transportieren. Es ist nicht garantiert, dass Ihr Koffer am Reiseziel ankommt.
Therapieanpassung bei Flugreisen mit Zeitverschiebung
Betroffene, die behandelt werden mit Medikamenten, die keine ernsthaften Unterzuckerungen verursachen können, müssen am Reisetag keine Therapieanpassungen durchführen. Bei mit Sulfonylharnstoffen oder Gliniden Behandelten muss sichergestellt sein, dass sie auch während der Reise regelmässige Mahlzeiten einnehmen können. Insulin wird ebenfalls unverändert gespritzt, sofern die Zeitverschiebung weniger als 3 bis 4 Stunden beträgt. Bei Flugreisen über mehrere Zeitzonen sind Anpassungen nötig. Beim Flug nach Westen, zum Beispiel in die USA oder nach Südamerika, wird Ihr Reisetag länger. Die Dosis des Basisinsulins muss deshalb erhöht werden. Sofern eine zusätzliche Mahlzeit eingenommen wird, muss selbstverständlich eine weitere Injektion mit kurzwirkendem Insulin gemacht werden.
Fliegen Sie nach Osten, z. B. nach Indien, Thailand oder Japan, ist der erste Ferientag kürzer. Entsprechend sollte die Dosis des Basisinsulins reduziert werden. Entsprechende Beispiele sind in der Tabelle 1: Anpassungen der Insulintherapie bei Flugreisen aufgeführt. Für den Rückflug nach Hause ist die Situation selbstverständlich umgekehrt. Ein vorausgehendes Gespräch mit dem betreuenden Arzt kann Unklarheiten in der Regel beseitigen.
Mit Insulin im Flugzeug / Hypoglykämie
Wenn Sie nicht gerade wegen eines Sturms, den Ihr Flugzeug durchqueren muss, durchgeschüttelt werden, ist eigentlich fast nur von einer Seite eine ernsthafte Störung Ihres Ferienfluges möglich: Falls Sie – unter einer Insulinbehandlung (und ev. mit Sulfonylharnstoffen oder Gliniden) – eine Hypoglykämie erleiden. Dies kann auch die Mitreisenden und das Kabinenpersonal empfindlich stören und verunsichern. Halten Sie sich, um Unterzuckerungen möglichst vermeiden zu können, genau an die Regeln, ähnlich wie Sie dies tun, wenn Sie ein Auto steuern. Berechnen Sie das Insulin zum Essen eher etwas zurückhaltend. Geben Sie zum Beispiel 20 % weniger. Spritzen Sie nie, ohne sicher zu sein, dass das Tablett mit der nächsten Mahlzeit bald vor Ihnen liegen wird.
Klären Sie, falls Sie alleine reisen, die Sie betreuende «Flight attendant» darüber auf, dass ein plötzliches seltsames Verhalten Zeichen einer Hypoglykämie sein könnte. Erklären Sie ihr, wie man Unterzuckerungen behandelt.
Vergessen Sie nicht, nach Ankunft am Reiseziel die Uhr auf Lokalzeit umzustellen.
Tun Sie, was Sie immer tun (sollten)!
Wahrscheinlich wird Ihr Tagesablauf in den Ferien anders sein als im Alltag. Essen und körperliche Aktivität werden ebenfalls den Ferien angepasst sein. Sicher bereichern auch sonst zahlreiche neue Eindrücke Ihren Urlaub. Die Situationen mögen wechseln. Das «Diabetes-ABC» bleibt indes das gleiche: Passen Sie Medikamente oder Insulindosis der veränderten körperlichen Aktivität an, wie Sie es gewohnt sind.
– Es sei in Erinnerung gerufen, dass bei sportlicher Aktivität über längere Zeit oft auch das nächtliche Basisinsulin reduziert werden muss. Ziehen Sie auch bei veränderter Nahrungsaufnahme die notwendigen Konsequenzen. Selbstverständlich ist es sinnvoll und nötig, in zweifelhaften Situationen den Blutzucker etwas öfters als sonst zu messen. Es lohnt sich nie, vom Diabetes Ferien machen zu wollen.
– Schwierig kann es werden, wenn eine akute Magen-Darm-Störung auftritt mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Insbesondere dann, wenn zuvor schon blutzuckersenkende Tabletten vom Typ Sulfonylharnstoffe oder Glinide eingenommen oder Insulin zum Essen gespritzt wurden, droht eine Unterzuckerung, die je nach Situation auch schwer sein kann. Versuchen Sie, sofern es noch möglich ist, schluckweise ein Süssgetränk zu sich zu nehmen. Speziell Cola-Getränke werden in dieser Situation recht gut vertragen. Selbstverständlich kann man sich aber auch einen Tee brauen und einen Liter mit 10 Würfelzuckern süssen. Wechseln Sie bei erheblichem Flüssigkeitsverlust ab mit gesalzener Bouillon oder einer käuflichen Rehydrierungslösung. Kann wegen anhaltendem Erbrechen keine Flüssigkeit mehr eingenommen werden, muss ein Arzt beigezogen werden. Eventuell sind Infusionen nötig. (Dies gilt selbstverständlich auch für Menschen ohne Diabetes).
– Um für den Ernstfall gerüstet zu sein, sollten gefährdete Typ-1-Diabetiker – wie unter «Diabetes-Zubehör» aufgeführt – ein Glucagen®-Hypokit im Reisegepäck mitführen.
– Einer Magen-Darm-Verstimmung kann oft, aber längst nicht immer, vorgebeugt werden. Halten Sie sich an die klassische Regel: «Boil it, cook it, peel it or forget it». Siede, koche, schäle oder lass es bleiben! Bei mangelhaften Hygieneverhältnissen sollten Sie auf das Eis des Strassenverkäufers und den Salatteller verzichten.
– Auch bei einer Reisekrankheit/Seekrankheit ist es wegen Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und allgemeinem Unwohlsein oft nicht möglich, sich normal zu ernähren. Spritzen Sie das kurzwirkende Insulin vorsichtigerweise erst nach der Mahlzeit, wenn klar ist, wieviel es Ihnen möglich war zu essen. Manchmal kann der Reisekrankheit mit Medikamenten vorgebeugt werden (siehe Reiseapotheke).
– Bei fieberhaften Erkrankungen müssen die gleichen Massnahmen getroffen werden wie daheim (siehe z. B. «d-journal» 206/2010 und 207, 2010/11). Nur, dass es noch unangenehmer ist, fernab von Zuhause krank zu werden! Denken Sie daran, dass der Insulinbedarf immer erhöht ist.
Achtung: Insulin U-100
Aus Erfahrung können wir Sie beruhigen: Insulin wird nur selten gestohlen – meist dann zusammen mit anderem Reisegepäck –. Auch deshalb ist es übrigens sinnvoll, nicht alle Insulinvorräte am gleichen Ort aufzubewahren.
Sollten Sie dennoch einmal ganz ohne Insulin «dastehen», ist je nach Land der Gang in eine Apotheke, ein Spital oder zu einem Arzt unumgänglich. Zwar wird heute in sehr vielen Ländern Insulin in der Konzentration von 100 Einheiten pro Milliliter (U-100) eingesetzt. Da und dort ist allerdings noch Insulin U-40 oder U-80 im Handel.
Vergewissern Sie sich deshalb beim Kauf eines Insulins im Ausland immer, ob die Konzentration «stimmt». Für Ihre Insulinspritzen bzw. in Ihre Insulinpens dürfen nur U-100 Insuline eingesetzt werden. Es drohen sonst schwere Überzuckerungen. Im Notfall müssen deshalb auch Spritzutensilien für U-40 bzw. U-80 Insuline erworben werden.
Aber Achtung: Werfen Sie die unbenutzen Spritzen zu Hause wieder weg. Falls Sie diese mit dem bei uns einzig benutzten U-100 Insulin füllen, drohen schwere Hypoglykämien!
Reiseverzicht nur in Ausnahmefällen
Es gibt nur sehr wenige Gründe, wegen eines Diabetes auf eine Ferienreise zu verzichten. Am ehesten müsste dies in Erwägung gezogen werden während einer grösseren Umstellung einer Insulintherapie. Die instabile Stoffwechselkontrolle wäre dann allerdings viel eher Grund, die geplante Reise zu verschieben, als ganz darauf zu verzichten.
Selbstverständlich lassen schwere Folgeschäden des Diabetes wie eine Retinopathie mit stark eingeschränktem Sehen oder ein fortgeschrittener Nierenschaden nicht alle wünschenswerten Aktivitäten zu. Dies gilt aber auch für das Leben zu Hause. Dem aktuellen Gesundheitszustand angepasste Reisen sind aber bei aufmerksamer Planung fast immer möglich.
Und ausserdem …
- Ob mit oder ohne Diabetes: Es empfiehlt sich in aller Regel, eine kleine Reiseapotheke zusammenzustellen. Eine mögliche Checkliste finden Sie in Tabelle 2: Vorschlag Reiseapotheke. Selbstverständlich kann diese je nach Ihrer individuellen Situation und je nach Reiseziel ergänzt werden.
- Falls Sie auch ausserhalb des Diabetes regelmässig Medikamente einnehmen müssen, sollte der Vorrat für mindestens ein paar Tage unbedingt im Handgepäck mitgeführt werden.
- Patienten mit einer Neuropathie und / oder Durchblutungsstörungen an Beinen und Füssen sollten nie barfuss gehen, weder im heissen Sand noch auf dem Balkon im Hotelzimmer.
- Blutzuckerteststreifen sind bei tiefen (unter etwa 5 – 10 Grad) oder hohen (über etwa 35 Grad) Temperaturen nicht mehr garantiert zuverlässig. Schützen Sie das Messgerät vor direkter Sonneneinstrahlung. Bei hoher Luftfeuchtigkeit, z. B. im Urwald, müssen die Teststreifenbehälter ganz besonders sorgfältig verschlossen werden.
Falls Sie Ihre Ferien in den Bergen verbringen, sei daran erinnert, dass Blutzuckermessungen bis mindestens in eine Höhe von 3 000 Metern korrekt durchgeführt werden können. - Angebrochene Insulinflaschen können problemlos während einiger Wochen bei Zimmertemperatur gelagert werden. Selbstverständlich sind sie vor hohen Temperaturen, aber auch vor Minusgraden zu schützen. In den Skiferien sollte das mitgeführte Insulin – zusammen mit den Blutzucker-Messstreifen – möglichst nahe am Körper getragen werden, niemals im Rucksack!
- Falls Sie mit dem Auto unterwegs sind: Messen Sie vor jeder Fahrt den Blutzucker. Legen Sie immer wieder genügend lange Pausen ein.
- Bei grosser Hitze werden die Symptome einer Unterzuckerung eventuell vermindert wahrgenommen.
- Ein überstandener Herzinfarkt oder eine Herzoperation muss keineswegs das Ende Ihrer Reisetätigkeit bedeuten. Bei stabiler Herz-Kreislauf-Situation sind viele Urlaubsreisen wieder möglich.
Reisetipps für Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten
- Entscheidend für die Reisefähigkeit ist nicht die Vorgeschichte (Herzinfarkt, künstliche Herzklappen etc.) sondern eine aktuell stabile Krankheitssituation.
- Ideal sind Länder mit einem gemässigten Klima und einer guten medizinischen Versorgung. Zu grosse Höhen sind zu vermeiden (ca. über 2 500 Meter)
- Nehmen Sie ev. eine Kopie Ihrer Krankheitsdokumente mit (EKG, Blutverdünnungs-Ausweis, Ausweis für Endokarditis-Prophylaxe, Schrittmacher-Pass etc.)
- Nehmen Sie einen genügend grossen Medikamentenvorrat im Handgepäck mit.
- Keine ungewohnten Belastungen, keine Extremsportarten.
- Metalldetektoren können ein kurzes Aussetzen eines Schrittmachers herbeiführen. Meiden Sie als Schrittmacher-Träger solche Einrichtungen.
- Personen, die nicht reisen sollten:
o Innert 4 bis 6 Wochen nach einem Herzinfarkt oder Hirnschlag
o Innert 4 bis 6 Wochen nach einer Herzoperation (Bypass, Herzklappen)
o mit instabiler bzw. sehr ausgeprägter Angina pectoris
o mit schweren Herzrhythmusstörungen
o mit schwerer Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
o mit einem schweren, nicht richtig eingestellten Bluthochdruck
o mit neu aufgetretenen Herzbeschwerden
Letztlich muss der betreuende Arzt über die Reisefähigkeit entscheiden.
Zusammenfassung der Broschüre «Reisetipps für Herz-Kreislauf-Patienten und ihre Angehörigen» der
Schweizerischen Herzstiftung
- Bei langen Flugreisen besteht eine etwas erhöhte Gefahr für Venenverschlüsse durch Blutgerinsel (Venenthrombosen), hauptsächlich in den Beinen. Bewegen Sie sich während des Fluges regelmässig. Trinken Sie genügend; Alkohol allerdings sehr zurückhaltend. Tragen Sie bei Neigung zu geschwollenen Füssen Kompressionsstrümpfe. Besprechen Sie Ihre Risikosituation mit dem betreuenden Arzt. Bei hoher Thrombose-Gefährdung kann am Reisetag eine Heparinspritze gemacht werden.
Nun wünschen wir Ihnen herzlich schöne und ungetrübte Ferien!