Ein älteres Paar beim joggen

Gefragt: «Ich habe gelesen, dass man als Diabetiker unbedingt mindestens 150 Minuten pro Woche Sport treiben sollte. Ich bin aber ein Bewegungsmuffel und schaffe das sicher nicht. Müssen das wirklich 150 Minuten sein? Nützt weniger nicht auch etwas?», fragt der 50jährige Herr L., der übergewichtig ist und an Typ-2-Diabetes leidet.

Geantwortet: 150 Minuten, idealerweise verteilt auf werktäglich je 30 Minuten auf mittlerem Leistungs- oder Intensitätsniveau, sind tatsächlich die offiziellen Empfehlungen, die von verschiedenen Seiten genannt werden. Allerdings ist hinlänglich bekannt, dass wie Sie, Herr L., viele Menschen dazu körperlich kaum in der Lage sind. Auch fehlen ihnen die Lust und der Mut, diese Empfehlung 1 : 1 umzusetzen.
Eine ostasiatische Untersuchung, die bereits vor etwa 10 – 15 Jahren an ungefähr 400 000 Leuten mit und ohne Diabetes bzw. mit und ohne Übergewicht durchgeführt wurde, hat schön nachgewiesen, dass auch schon eine zeitlich beschränktere sportliche Betätigung der Gesundheit guttut. Allerdings ist der Effekt dann natürlich weniger ausgeprägt als bei Umsetzung der offiziellen Empfehlungen.
Doch zunächst müssen die Begriffe «mittlere» und «hohe» sportliche Intensität erklärt werden. Diese Bezeichnungen beziehen sich auf den Energieverbrauch, den die sportliche Aktivität auslöst.
Eine mittlere sportliche Intensität wird beispielsweise beim Golfspielen, Tischtennis, Tanzen oder Nordic Walking (4 km/h) erreicht.
Wer sich intensiver körperlich betätigen will, muss mehr Energie einsetzen, zum Beispiel mit Handball, Tennis, Joggen (8 km/h) oder Wandern mit einem 6 – 8 kg schweren Rucksack. Das entspricht dann der hohen Intensität.
Damit lassen sich nun die folgenden Zusammenhänge erklären (siehe dazu die Grafik):

Tabelle Koerperlicher Effekt
Positiver Effekt der körperlichen Aktivität. Je mehr man sich pro Tag bewegt und je intensiver dies durchgeführt wird, umso grösser ist der Nutzen. Erklärungen im Text.

1) Je mehr man sich pro Tag bewegt und je intensiver dies durchgeführt wird, um so grösser ist der positive Effekt auf die Gesundheit (mit einer Begrenzung nach oben, wo noch mehr Bewegung keinen zusätzlichen Nutzen bringt).
2) Wer pro Tag etwa 15 bis 20 Minuten (pro Woche also rund 90 Minuten) in mittlerer Intensität körperlich aktiv ist, hat gemäss der oben erwähnten Untersuchung bereits innert 7 bis 8 Jahren eine um 10 bis 12 % bessere Überlebenschance und eine um etwa drei Jahre längere Lebenserwartung als wenn sie/er sportlich gar nichts tut. Dies ist deshalb so, weil bei sportlicher Aktivität weniger Herzkreislauf- und Krebserkrankungen auftreten.
3) Jede zusätzliche Viertelstunde pro Tag (bis maximal 100 Minuten) mit mittlerem Leistungsniveau bewirkt eine weitere Verbesserung der Überlebenschancen um rund 4 %.
4) Wer sich täglich während 15 – 20 Minuten mit hoher Intensität bewegt, hat den gleichen Nutzen wie bei einem täglichen Sporteinsatz von 90 Minuten in mittlerer Intensität.

Um nun auf Ihre Frage zurückzukommen: 30 Minuten pro Tag in mittlerer Intensität ist ein grundsätzlich anzustrebendes Ziel. Auch wenn Sie pro Tag diese halbe Stunde nicht voll einsetzen können oder mögen, hat das mittelfristig einen positiven Effekt auf Ihre Gesundheit. Als Bewegungsmuffel, wie Sie sich selbst bezeichnen, beginnen Sie am bes­ten mit einer geringen Aktivität. Also zum Beispiel Treppe statt Lift, tägliche Spaziergänge, Velofahren und Ähnliches. Damit verbessern Sie schon einmal Ihre körperliche Kondition. Mit der Zeit gewinnen dann vielleicht auch Sie Freude an der Bewegung und können schrittweise den zeitlichen Einsatz und die sportliche Intensität steigern. Suchen Sie in Ihrem Bekanntenkreis jemanden, der sich Ihnen bei Ihrer sportlichen Aktivität anschliesst. Jede Viertelstunde und jede Minute pro Tag bringen einen Nutzen für Ihre Gesundheit. Darum geht es. Ein Versuch lohnt sich in jedem Fall.

Literaturangaben: Lancet 2011;378;1244-1253

AutorIn: Dr. med. A. Spillmann