Seit 2021 ist Maria Luisa Balmer Assistenzprofessorin an der Universität und dem Universitätsspital Bern und im DCB (Diabetes Center Berne). Gemeinsam mit ihrem Team forscht sie an den komplexen krankhaft veränderten Körperfunktionen (Pathophysiologie) und Zusammenhängen zwischen der Darmflora, dem Stoffwechsel und Entzündungen.

Maria Luisa Balmer, Assistenzprofessorin an der Universität und dem Universitätsspital Bern und im DCB

Frau Professorin Balmer, um was geht es in Ihrer Forschung?

Wir wollen genauer verstehen, wie die Darmmikrobiota dazu beiträgt, dass Menschen übergewichtig werden oder eben nicht. Die Darmmikrobiota bezeichnet eine Gruppe von winzigen Organismen, hauptsächlich Bakterien, die in unserem Darm leben und eine wichtige Rolle für die Verdauung und die Gesundheit spielen. Dabei interessieren uns die folgenden Fragen: Welche Bakterien sind vorteilhaft? Welche tragen eher zur Entstehung von Adipositas (starkes Übergewicht, ab Body Mass Index 30) und den damit verbundenen Komplikationen wie Diabetes oder Lebererkrankungen bei? Und weshalb ist das so? Gibt es gewisse Stoffwechselprodukte, mit welchen die Darmbakterien Einfluss auf unseren Stoffwechsel nehmen? All das sind Fragen, die uns im Team beschäftigen und die wir auf ganz unterschiedliche Weise angehen.

Was motiviert Sie, im Bereich Adipositas und Diabetes tätig zu sein?

Adipositas und Typ-2-Diabetes sind zu einer Pandemie geworden, die sich immer schneller ausbreitet. Während früher vor allem die Industrienationen betroffen waren, sind heute auch Länder betroffen, die bisher eher mit dem Gegenteil, nämlich Mangelernährung und Untergewicht, zu kämpfen hatten. Sorge bereitet mir zudem, dass auch immer mehr Kinder und Jugendliche von Adipositas betroffen sind. Denn trotz vielerlei Anstrengungen in Bereich Prävention und Therapie gibt es immer mehr übergewichtige Menschen, mit den entsprechenden gesundheitlichen Folgen.

Was ist Ihre grösste Herausforderung als Professorin?

Als Forscherin, Ärztin und Mutter zweier Kinder ist mein Alltag unglaublich vielseitig, abwechslungsreich und gelegentlich auch etwas chaotisch. Ich finde den Spagat zwischen all meinen verschiedenen Tätigkeiten sehr herausfordernd, gleichzeitig aber auch bereichernd. Die grösste Herausforderung ist es wahrscheinlich, selbst nicht zu kurz zu kommen.

Welche Ziele wollen Sie mit Ihrem Team und Ihrem Labor, dem TrIm-Lab (Translational Immunometabolism Lab) erreichen?

Mein Ziel ist es, mit meiner Forschung dazu beizutragen, dass wir die mechanistischen Zusammenhänge zwischen den Darmmikrobiota und der Entstehung von Adipositas und metabolischen Komplikationen besser verstehen und dadurch neue Ansätze zur Prävention und Therapie gewinnen. Gleichzeitig ist es mir ein Anliegen, auch ein Vorbild für die nächste Generation von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu sein und vorzuleben, dass der Beruf einer Professorin ein realistisches Ziel ist, auch für Menschen, die noch andere Prioritäten, wie beispielsweise eine Familie, im Leben haben.

An welchen Projekten forschen Sie gerade und wie können diese das Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern?

Unsere Forschung ist unglaublich breit – von Mausexperimenten bis hin zu klinischen Studien. Wir arbeiten beispielsweise mit Mäusen, in welchen wir die Zusammensetzung der Darmbakterien genau steuern und somit herausfinden können, welche Bakterien zur Entstehung von Adipositas beitragen. Zum anderen läuft bei uns auch gerade eine klinische Studie namens FibreGum mit adipösen Kindern und Jugendlichen, bei welchen wir einen speziellen Kaugummi testen, der Nahrungsfasern enthält. Wir erhoffen uns, dass damit die Zusammensetzung der Darmmikrobiota günstig beeinflusst werden kann und wir die Kinder somit niederschwellig bei der Gewichtsabnahme unterstützen können.

Wie arbeiten Sie mit dem DCB zusammen?

Mein Forschungslabor und mein Büro befinden sich am DCB, ich schätze die fruchtbare Zusammenarbeit sehr. Das DCB unterstützt uns nebst der Infrastruktur auch aktiv bei der Durchführung von klinischen Studien. Das familiäre und freundliche Umfeld ist inspirierend und Grundvoraussetzung für erfolgreiche Forschung.

Wo hoffen Sie, dass Ihr Forschungsgebiet in fünf bis zehn Jahren steht? Was ist Ihre Vision?

Ich hoffe, dass wir genauer verstehen, wie sich der bakterielle Stoffwechsel in den menschlichen Stoffwechsel integriert und dieses Wissen in personalisierter Form unseren Patientinnen und Patienten zugutekommt. Meine Vision ist es, dadurch Krankheiten wie Adipositas und Diabetes zu bekämpfen und zwar nicht nur in den reichen Industrienationen, sondern weltweit.

Kürzlich haben Sie den Marie Heim-Vögtlin Preis, verliehen durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF), erhalten. Was hat Sie an dieser Auszeichnung am meisten gefreut?

Für mich ist dieser Preis primär eine Anerkennung, die mich natürlich unglaublich freut. Es ist schön, dass meine Forschung auf so breites Interesse stösst und durch diesen Preis nun auch den Weg in die Öffentlichkeit findet. Die Resonanz war unglaublich und hat mich sehr berührt. Ich hoffe, dass dies viele junge Forschende motiviert, ihren Weg fortzusetzen. Ebenfalls werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, einen Beitrag zur Bekämpfung von Erkrankungen wie Übergewicht und Diabetes zu leisten.

Über Maria Luisa Balmer
Maria Luisa Balmer ist SNSF-Professorin und Forschungsgruppenleiterin an der Universität und dem Inselspital Bern. Sie erforscht mit ihrem Team am DCB den Zusammenhang zwischen der Mikrobiota, dem Metabolismus und dem Immunsystem im Kontext von Adipositas und Diabetes. Sie ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und in der Sprechstunde für Osteometabolik an der Universitätsklinik für Endokrinologie und Diabetologie in Bern tätig. Ihr Ziel ist es, die Mechanismen und Folgen von Übergewicht und Diabetes grundlegend zu erforschen und dadurch das Fundament für innovative Therapien zu legen. Zudem ist Maria Luisa Balmer die Preisträgerin des Marie Heim-Vögtlin Preises 2023. Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) verlieh ihr den Preis für ihre Forschung über Darmbakterien und deren Rolle bei der Entstehung von Diabetes und krankhaftem Übergewicht.

 

AutorIn: Sunjoy Mathieu