Seit April 2024 ist Lisa Koch Assistenzprofessorin an der Universität und dem Universitätsspital Bern und im DCB (Diabetes Center Berne). Gemeinsam mit ihrem Team forscht sie an der Entwicklung nachweislich sicherer, zuverlässiger und wirksamer datengestützter Instrumente zur Verbesserung der Diabetesversorgung.

Frau Prof. Dr. Koch, um was geht es in Ihrer Forschung?

Meine Forschung befasst sich mit der Entwicklung von Methoden der Künstlichen Intelligenz für die Medizin. Dabei interessiert mich besonders, wie Künstliche Intelligenz sicher und zuverlässig eingesetzt werden kann. Zum Beispiel: Wie können wir verständlich erklären, wie eine KI wichtige Entscheidungen fällt? Wie stellen wir sicher, dass die KI für echte Menschen genauso gut funktioniert wie in Studien? Und könnte es sein, dass die KI bestimmte Gruppen benachteiligt? Wenn ja, wie können wir das erkennen und verbessern?

Was motiviert Sie, im Bereich Diabetes tätig zu sein?

Die Diabetesforschung bietet enormes Potenzial, das Leben von Millionen Menschen zu verbessern. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Diabetestechnologie ermöglicht es, personalisierte Therapien zu entwickeln, die auf individuelle Bedürfnisse eingehen.

Der Diabetesbereich ist für mich auch wissenschaftlich besonders interessant, weil es viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz gibt. Diese reichen zum Beispiel vom Blutzuckermanagement mithilfe von tragbaren Geräten (Wearables) bis zum Erkennen von Folgeerkrankungen von Diabetes, so unter anderem die Früherkennung diabetischer Retinopathie aufgrund von Bildern des Augenhintergrunds. In jedem dieser Bereiche gibt es immer noch viele offene Fragen.

Was ist Ihre grösste Herausforderung als Professorin?

Mein Alltag als Professorin ist sehr vielseitig. Schon die eigentliche Forschung beinhaltet eine Vielzahl verschiedener Aufgaben: Ich entwickle kontinuierlich meine kurz-, mittel und- langfristige Forschungsvision weiter, betreue Studierende, lese und schreibe sehr viel und tausche mich in meinem internationalen Umfeld aus. Dazu kommen Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung und der Lehre. Darüber hinaus gibt es beliebig viele zusätzliche spannende Arbeiten, die mir wichtig sind: ich organisiere wissenschaftliche Konferenzen mit und werde regelmässig als Expertin eingeladen, um Arbeiten von anderen Fachleuten zu begutachten (Peer Review), an Podiumsdiskussionen teilzunehmen oder Referate zu halten. Ich würde also sagen, meine grösste Herausforderung ist das Priorisieren und Einteilen meiner begrenzten Zeit. Da ich glücklicherweise über meine Zeit sehr unabhängig verfügen kann, liegt die Verantwortung hier voll bei mir: Ich muss lernen, zu spannenden Aufgaben auch immer wieder mal Nein sagen zu können.

Welche Ziele wollen Sie mit Ihrem Team und Ihrem Labor, dem mlm-Lab (Machine Learning in Medicine Lab) erreichen?

Ich habe mehrere Ziele, die ich mit meinem Team umsetzen möchte. Einerseits liegen mir meine eigentlichen Forschungsziele am Herzen: Ich möchte Künstliche Intelligenz in der Medizin wirksam und sicher anwendbar machen. Damit möchte ich schlussendlich zu einer besseren Patientenversorgung beitragen, sowohl allgemein als auch insbesondere für Menschen mit Diabetes. Es ist mir dabei wichtig, dass ich mit meinem Team innerhalb dieses Bereichs Projekte durchführe, die wir persönlich spannend finden und für die wir uns auch methodologisch begeistern können. Abgesehen von den Forschungsinhalten selbst verfolge ich das Ziel, in meinem Team Kompetenzen zu fördern und meinen Teammitgliedern somit gute Perspektiven zu bieten für eine erfolgreiche Karriere in der Forschung oder Privatwirtschaft. Wir investieren zum Beispiel viel Zeit in die wissenschaftliche Kommunikation. Es ist mir auch ein starkes Anliegen, ein gesundes und positives Umfeld zu schaffen, in dem für alle Teammitglieder auch das Privatleben seinen Stellenwert haben darf.

An welchen Projekten forschen Sie gerade und wie können diese das Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern?

Wir arbeiten an verschiedenen Methoden, um medizinische Bilder und Daten von tragbaren Geräten wie Blutzuckermessgeräten und Fitness-Trackern automatisch auszuwerten. Zum Beispiel untersuchen wir, wie sich der Glukosespiegel in verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterscheidet und wie wir Ungenauigkeiten in KI-Modellen erkennen und beheben können. Diese Technologien sollen Menschen mit Diabetes unterstützen, indem sie eine sichere, individuell angepasste Behandlung ermöglichen.

Wie arbeiten Sie mit dem DCB zusammen?

Unsere Büroräumlichkeiten befinden sich am DCB, was zu einem regelmässigen Austausch führt. Insbesondere profitiert mein Team vom interdiszi- plinären Forschungsumfeld, welches das DCB und die Universität Bern mit ihren Stiftungsprofessuren geschaf- fen haben. Das DCB bietet uns auch aktiv Zugang zum Netzwerk im Be- reich der Diabetes-Technologie.

Wo hoffen Sie, dass Ihr Forschungsgebiet in fünf bis zehn Jahren steht? Was ist Ihre Vision?

Die Künstliche Intelligenz wird in den nächsten Jahren viele Bereiche unserer Gesellschaft fundamental beeinflussen. Meine Vision ist es, dass dieser Wandel in der Medizin positiv ausfällt. Mit meiner Forschung möchte ich vertrauenswürdige Technologien bereitstellen, um dies zu erleichtern.

Über Lisa Koch

Lisa Koch ist Assistenzprofessorin und Forschungsgruppenleiterin an der Universität und dem Inselspital Bern. Sie erforscht und entwickelt mit ihrem Team am DCB vertrauenswürdige, durch Künstliche Intelligenz gestützte Diabetesversorgung, die Patient:innen und der Ärzteschaft einen echten Nutzen bringt.

Nach einem Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik (BSc) und einem Master-Abschluss in biomedizinischer Technik (MSc) an der ETH Zürich, promovierte Lisa Koch am Imperial College London im Bereich maschinelles Lernen für die medizinische Bildanalyse. Nach einer Postdoc-Stelle an der ETH Zürich wechselte sie zum Schweizer Start-up-Unternehmen für tragbare medizinische Geräte Ava, wo sie schliesslich die Leitung des Data-Science-Teams übernahm. In dieser Position erkannte sie die Notwendigkeit eines nachweislich sicheren maschinellen Lernens im Gesundheitswesen. Im Jahr 2021 kehrte sie in die akademische Forschung zurück, um als Gruppenleiterin für maschinelles Lernen in der medizinischen Diagnostik im Berens-Labor am Hertie-Institut für KI in der Hirnforschung der Universität Tübingen, Deutschland, zu diesem Thema zu forschen.

AutorIn: Sunjoy Mathieu