«Am meisten motiviert mich, dass Menschen mit Diabetes ein besseres Leben führen können, indem sie Zugang zu fortschrittlichen Sensortechnologien haben»

Seit 2021 ist Lilian Witthauer Professorin mit Schwerpunkt Sensortechnologie an der Universitätsklinik  für   Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin und Metabolismus (UDEM) und im DCB (Diabetes Center Berne). Gemeinsam mit ihrem Team forscht sie an innovativen Sensortechnologien, die das tägliche Leben von Menschen mit Diabetes verbessern sollen.

Frau Prof. Dr. Witthauer, um was geht es in Ihrer Forschung?

Mein Forschungsgebiet ist sehr interdisziplinär und umfasst sowohl die wissenschaftlichen Grundlagen der Sensortechnologie als auch die klinischen Aspekte der Diabetesforschung. Insbesondere konzentriere ich mich auf die Entwicklung und Verbesserung von Sensoren, die es den Menschen mit Diabetes ermöglichen, den Blutzuckerspiegel kontinuierlich zu messen. Ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit besteht darin, diese Sensoren genauer und zuverlässiger zu machen, um eine automatisierte Insulinabgabe zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, gestalten wir Sensoren neu, verwenden andere Materialien und optimieren die Insulinabgabe.

Was motiviert Sie, im Bereich Diabetestechnologie tätig zu sein? Wie kamen Sie als Physikerin dazu?

Am meisten motiviert mich, dass Menschen mit Diabetes ein besseres Leben führen können, indem sie Zugang zu fortschrittlichen Sensortechnologien haben, die ihre Gesundheitsversorgung verbessern und ihre Selbstkontrolle und -verantwortung fördern. Ich engagiere mich als Physikerin im Gebiet der Diabetestechnologie, weil ich mich schon immer für die Anwendung von physikalischen Prinzipien und Methoden in der Medizin interessiert habe. Als Teil einer sich verändernden Gesellschaft ist Diabetes ein wichtiges Thema, in dem es noch viele Entwicklungsmöglichkeiten gibt.

Was ist Ihre grösste Herausforderung als Professorin?

Meine grösste Herausforderung als Professorin besteht darin, eine ausgewogene Balance zwischen Forschung, Lehre und Administration zu finden und sicherzustellen, dass mein Team und ich unsere Ziele effektiv und effizient erreichen. Das ist nicht immer einfach, da ich für jede einzelne Aufgabe nur eine kurze Zeit zur Verfügung habe. Es ist, als ob ich ein Unternehmen strategisch führen würde, gleichzeitig für die operative Umsetzung zuständig bin, und mich gleichzeitig auch noch um die Finanzen und die IT kümmere.

Welche Ziele wollen Sie mit Ihrem Team und ihrem Labor, dem samlab (Sensing and Monitoring Lab) erreichen?

In Zusammenarbeit mit meinem Team und dem samlab verfolge ich das Ziel, innovative Sensortechnologien zu entwickeln, die den Alltag von Menschen mit Diabetes erleichtern und ihre Lebensqualität verbessern. Darüber hinaus wollen wir die Interdisziplinarität fördern und unsere Forschungsergebnisse eng mit der Praxis verzahnen.

An welchen Projekten forschen Sie gerade und wie können diese das Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern?

Eines meiner aktuellen Projekte befasst sich mit der Entwicklung eines Sensors, der kontinuierlich und verzögerungsfrei den Glukosegehalt im Blut misst. Die verzögerungsfreie Messung ist von speziellem Interesse, wenn sich der Blutzuckerspiegel schnell ändert, während Mahlzeiten, Sport, oder Stress. Der Glukosesensor beruht auf einer Licht-basierten Messmethode und unterscheidet sich daher von existierenden Sensoren am Markt.
Ein solcher Sensor könnte länger getragen werden und würde eine komplett automatisierte Insulinabgabe ermöglichen. Dies würde die Anzahl Entscheidungen reduzieren, die eine Person mit Diabetes jeden Tag treffen muss und somit die Lebensqualität verbessern.

Ein weiteres Projekt ist die Entwicklung eines Hypoglykämie-Warnsystems mit Hilfe intelligenter Algorithmen und eines an der Decke montierten Radarsensors. Der Sensor misst kleinste Bewegungen während des Schlafs und kann daher potenziell Hypoglykämiesymptome erkennen.
Das ist interessant für die Überwachung von Personen in der Langzeitpflege, die keinen kontinuierlichen Glukosesensor tragen können oder möchten.

Wie arbeiten Sie mit dem DCB zusammen?

Das DCB bietet eine einmalige Umgebung, in der ich eng mit Projektverantwortlichen  sowie Expertinnen und Experten aus dem Spital, aus der Statistik und dem Geschäftsumfeld zusammenarbeite. Wir haben regelmässige Besprechungen und interdisziplinäre Arbeitsgruppen, um unsere Arbeit zu koordinieren und die Entwicklung von innovativen Lösungen voranzutreiben. Ausserdem verbindet mich das DCB mit Industriepartnern und Start-ups, was in meinem Forschungsfeld von grosser Bedeutung ist.

Wo hoffen Sie, dass Ihr Forschungsgebiet in 5-10 Jahren steht? Was ist Ihre Vision?

Meine Vision ist, dass in 5-10 Jahren eine breite Palette von innovativen Sensortechnologien verfügbar sind, die das tägliche Leben von Menschen mit Diabetes erleichtern und ihre Gesundheitsversorgung verbessern.

Ich hoffe, dass unsere Forschung dazu beitragen wird, dass die Überwachung des Blutzuckerspiegels einfacher und präziser wird und dass Menschen mit Diabetes auf der Grundlage von Echtzeitdaten bessere Entscheidungen über ihre Ernährung, Bewegung und Insulintherapie treffen können.

 

Über Lilian Witthauer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lilian Witthauer ist Assistenzprofessorin für Diabetestechnologie an der Universität Bern und dem Diabetes Center Berne (DCB). Sie studierte Physik in Basel, absolvierte einen Master of Advanced Studies in Medizinphysik an der ETH Zürich und schloss 2015 mit einer PhD in Kern- und Teilchenphysik der Universität Basel ab. Lilian Witthauer hat als Postdoktorandin in der Entwicklung von optischen Sensoren für die Navigation bei Operationen am Department of Biomedical Engineering an der Universität Basel und zu Sauerstoffsensoren am Massachusetts General Hospital und and der Harvard Medical School in Boston (USA) geforscht.

Mehr zum samlab: https://samlab.org

Autorin: Sunjoy Mathieu