Diabetes mellitus ist eine von vielen möglichen Ursachen für die Entwicklung einer erektilen Dysfunktion. Bei Männern mit Diabetes tritt diese 3.5-mal häufiger auf als bei den anderen Männern. Häufig wird sie vor einem Diabetes oder einer Herzkrankheit diagnostiziert. Wichtige Voraussetzungen, um die individuelle Therapie frühzeitig einleiten zu können, sind ein offenes Gespräch und das Klären der Erwartungshaltung.
Die erektile Dysfunktion gehört zu den häufigsten Formen von Störungen der sexuellen Gesundheit (siehe Kasten). Sie ist definiert als fortwährend gestörte oder fehlende Erektion des Penis über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Man unterscheidet primär organische Ursachen von primär psychogenen Ursachen sowie von deren Mischformen. In der Mehrzahl der Fälle ist die erektile Dysfunktion durch körperliche Ursachen bedingt. Rein psychogene Auslöser kommen vor allem bei jungen Männern vor. In der Schweiz sind schätzungsweise 350’000 Männer betroffen, wobei die Häufigkeit altersabhängig ist.
Erektion – was passiert?
Zunächst führen Signale aus dem zentralen Nervensystem zur Entspannung der Muskulatur der Schwellkörper. Der Blutzufluss wird erhöht, die Schwellkörper füllen sich, wodurch der Blutabfluss verringert wird und es zu einer Erhöhung des Drucks in den Schwellkörpern kommt: Das Glied wird steif. Voraussetzungen hierfür sind neben dem sexuellen Verlangen eine intakte Schwellkörpermuskulatur und eine ungestörte Durchblutung. Zudem müssen die Signale aus dem zentralen Nervensystem die Nervenendigungen an den Schwellkörpern ungehindert erreichen. An all den genannten Schaltstellen können Funktionseinschränkungen die erektile Funktion beeinträchtigen.
Vom Symptom zur Diagnose
Der erste und meist schwerste Schritt ist das offene Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin. Die Basisdiagnostik umfasst die Allgemein-, Sexual-, Medikamenten- und Partnerschaftsanamnese unter Zuhilfenahme von Fragebögen, die die erektile Funktion objektivieren können. Die körperliche Untersuchung beinhaltet neben der urologischen auch die neurologische Basisdiagnostik sowie eine Laboranalyse und bei Bedarf eine gezielte bildgebende Untersuchung (zum Beispiel Ultraschall der Schwellkörperarterien und Angiografie der Beckenarterien).
Formen von Störungen der sexuellen Gesundheit
• Erektionsstörungen
• Vorzeitiger/verzögerter Samenerguss
• Fehlender Samenerguss (Anejakulation, retrograde Ejakulation)
• Blutbeimengung im Samenerguss
• Verringertes sexuelles Verlangen
• Unfähigkeit, einen Orgasmus zu erreichen
Ursachen der erektilen Dysfunktion
Die möglichen Ursachen der erektilen Dysfunktion sind vielfältig: Sie können neurologischer, anatomischer, hormoneller, medikamentöser Natur sein oder mit Erkrankungen der Blutgefässe in Verbindung stehen Letztere stehen an erster Stelle, insbesondere der kleineren Gefässe, die Nerven mit Sauerstoff versorgen. Diabetes mellitus ist überwiegend verantwortlich für gefässbedingte und neurologische Ursachen der erektilen Dysfunktion, wobei vor allem Diabetes mellitus Typ 2 eine Rolle spielt, da er meistens erst spät diagnostiziert wird.
Das Spektrum der psychogenen Faktoren für Störungen der sexuellen Gesundheit reicht von der psychosexuellen Vergangenheit über Beziehungsproblematiken, den kulturellen Hintergrund, Erwartungshaltungen bis zur individuellen sexuellen Zufriedenheit und Intimität.
Therapie der erektilen Dysfunktion
Eine Voraussetzung für die Einleitung einer Therapie der erektilen Dysfunktion ist erneut das offene Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt, unabhängig davon, ob es im hausärztlichen oder bereits im fachärztlichen Rahmen, mit oder ohne Partnerin oder Partner ist. In diesem Gespräch werden dem Patienten die psychologischen und physiologischen Vorgänge erläutert, denn das Verständnis der Notwendigkeit einer Lebensstil-Anpassung hilft, diesen ersten Schritt zu gehen. Dazu zählen eine gesunde Ernährung, das Erreichen des Normalgewichts, eine bessere Bewältigung von Stress, Rauchstopp sowie ein mässiger Alkoholgenuss oder die Vermeidung von Alkohol.
Medikamente als Unterstützung
Mit der Marktzulassung von Viagra® 1998 – es handelt sich um ein Medikament in Tablettenform, das gefässerweiternd wirkt – fand Ende der 1990er-Jahre ein Umbruch statt. Vorher gab es „nur“ mechanische Erektionshilfen (Vakuumpumpe, elastische Penisringe etc.) und gefässerweiternde Medikamente, die direkt in die Schwellkörper gespritzt werden. Wenn all dies nicht half, war eine risikoreiche Operation, bei der künstliche Schwellkörper implantiert werden, die letzte Option. Inzwischen gibt es vier zugelassene Wirkstoffe aus der gleichen Wirkstoffklasse wie Viagra® (Sildenafil), den sogenannten Phosphodiesterase-5-Hemmern. Sie haben alle den gleichen Wirkmechanismus und das gleiche Nebenwirkungsspektrum. Sie unterscheiden sich in der Zeit bis zum Wirkeintritt, der Wirkdauer und in der Ausprägung der möglichen Nebenwirkungen. Die Einnahme sollte 30 bis 60 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr und auf nüchternen Magen erfolgen, fettreiche Speisen und übermässiger Alkoholkonsum sollten vermieden werden. In drei bis sechs Monaten wird eine Erektionsverbesserung bei 84% (Sildenafil), 81% (Tadalafil), 80% (Vardenafil) und 83% (Avanafil) der Patienten erreicht. Die Hauptgründe für eine unzureichende Wirkung sind: falsche Einnahme sowie ein unwirksames Medikament unter anderem beim Bezug vom Schwarzmarkt oder im Internet-Shop. Die gleichzeitige Einnahme von Nitraten wie Nitroglycerin bei Angina pectoris sowie das Vorhandensein von schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Beispiele für Kontraindikationen, das heisst, in diesen Fällen ist die Einnahme der Medikamente problematisch.