Dank den Fortschritten in der medizinischen und technologischen Forschung findet in der Diabetestherapie (ob für Typ 1 oder Typ 2) eine kontinuierliche Entwicklung statt. In den letzten Jahren haben mehrere vielversprechende Innovationen den Patientinnen und Patienten neue Perspektiven eröffnet. Zu erwähnen sind Insulin, das nicht injiziert wird, Wochen-Insulin, Medikamente, die auf den Appetit einwirken, und eine neuartige Therapie, die bei Typ-1-Diabetes den Verzicht auf Insulin ermöglichen könnte.

Nicht zu injizierendes Insulin

Durch die Verabreichung von Insulin in anderen Formen als der subkutanen Injektion könnte ein bedeutender Fortschritt für Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes erreicht werden. Bereits erforscht wurde eine inhalierbare Form, die auf eine schnelle und schmerzfreie Verabreichung abzielt. Sie funktioniert mittels eines speziellen Inhalators, über den das Insulin direkt in die
Lunge gelangt und dort in den Blutkreislauf aufgenommen wird. Diese Art der Verabreichung stellt eine benutzerfreundliche und weniger invasive Alternative dar, wodurch sich die Therapietreue und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern könnten. In den USA ist die Therapie verfügbar, in der Schweiz noch nicht. Ebenfalls eine interessante Innovation ist Insulin in
Tropfenform. Die insulinhaltigen Tropfen werden über die Mundschleimhaut absorbiert und enthalten namentlich ein Peptid, das für die Aufnahme in die Zellen benötigt wird. Durch diese Absorptionsweise gelangt das Insulin schnell in den Blutkreislauf, sodass auf Injektionen verzichtet werden kann. Zurzeit liegen lediglich Vorstudien zu dieser Insulinform vor.

Wochen-Insulin

Vor Kurzem wurde eine neue Form von ultralang wirksamem («basalem») Insulin entwickelt, das wöchentlich gespritzt wird. Solche Formulierungen ermöglichen es den Patientinnen und Patienten, jede Woche nur eine Injektion zu erhalten, was ihr Therapiemanagement vereinfacht. Zudem verbessert die tiefere Verabreichungsfrequenz die Compliance. Bei Personen mit Typ-2-Diabetes führten Studien zu überzeugenden Ergebnissen, die vor allem zeigen, dass im Vergleich zu anderen bekannten lang wirksamen Insulinen nicht mehr Hypoglykämien auftreten. Eines dieser Wochen-Insuline kommt wahrscheinlich in den nächsten Monaten auf den Schweizer Markt. Für Typ-1-Diabetes ist es jedoch noch nicht zugelassen.

Neue Medikamente, die auf den Appetit einwirken

Bei Typ-2-Diabetes und Adipositas zeigen neue, auf die Mechanismen des Hungergefühls abzielende Medikamente vielversprechende Ergebnisse. Besonders zu erwähnen sind die GLP-1 (glucagon-like peptide-1)-Rezeptor-Agonisten sowie die Kombinationen von GIP (gastric inhibitory polypeptide)/GLP-1 und von Glucagon/GIP/GLP-1. Die Medikamente ahmen die körpereigenen Hormone nach, die den Appetit und den Blutzuckerspiegel regulieren. Indem sie auf spezifische Rezeptoren im Gehirn und im Verdauungssystem einwirken, tragen sie dazu bei, das Hungergefühl zu reduzieren, das Sättigungsgefühl zu steigern und die Blutzuckerkontrolle zu verbessern. Die Behandlungen bieten damit einen doppelten Nutzen: Sie helfen den Patientinnen und Patienten, Gewicht zu verlieren und den Diabetes effektiver zu managen.

Von Vertex entwickelte Therapie

Diese Therapie stellt einen potenziell revolutionären Fortschritt bei der Diabetesbehandlung dar. Der Ansatz zielt darauf ab, die Ursache von Diabetes zu behandeln: Die fehlerhaften Betazellen der Bauchspeicheldrüse bei Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetikern sollen durch modifizierte Stammzellen ersetzt werden. Erste klinische Studien zeigen ermutigende Ergebnisse, wobei einige Patientinnen und Patienten eine teilweise oder vollständige Unabhängigkeit von Insulininjektionen erreichten. Wenn diese Therapie weiterhin positive Resultate aufweist, könnte sie die Behandlung von Typ-1-Diabetes verändern und eine dauerhafte und potenziell heilende Lösung bieten. Das Universitätsspital Genf zählt zu den weltweit wenigen Zentren, die an der Studie teilnehmen.

Fazit

Die gegenwärtigen Innovationen in der Diabetesbehandlung bieten aussichtsreiche neue Optionen für ein besseres Management der chronischen Krankheit. Inhalierbare und tropfenförmige Insuline könnten weniger invasive Alternativen zu herkömmlichen Injektionen darstellen, während neue Medikamente, die auf den Hunger wirken, sowie fortschrittliche Zelltherapien den Weg zu wirksameren und potenziell heilenden Behandlungen ebnen. Die Forschung sucht ständig nach neuen Wegen, und neue Entwicklungen könnten das Leben von Millionen von Menschen mit Diabetes verändern.

AutorIn: Dr. med. Christophe Kosinski