Die Periode stellt Frauen mit Diabetes regelmässig vor Rätsel und kann eine Belastung für sie darstellen. Anstatt Lösungen zu finden, wie sie während des gesamten Menstruationszyklus ihren Blutzucker managen können, müssen viele ohne die nötige Forschung und Unterstützung kämpfen. Warum bleibt der Zyklus eine ungelöste Herausforderung im Diabetesmanagement?
Code red, die Erdbeerwoche, Rote Tante – es gibt viele Namen für die Menstruation. Wer kennt es nicht: Plötzlich taucht die Periode wieder auf. Frauen mit Diabetes sind in besonderer Weise davon betroffen. Zwar haben sie ein eigenes «Frühwarnsystem»: Anhand ihrer Blutzuckerwerte merken viele, dass es bald so weit ist. Doch es treten auch zusätzliche Herausforderungen im Diabetesmanagement auf: Die Achterbahn aus Über- und Unterzuckerungen kann belastend sein und lässt sich trotz Bemühungen kaum in den Griff bekommen. Was genau passiert hier eigentlich?
Wenn der Zyklus zur Herausforderung wird
Studien legen nahe, dass Frauen mit Typ-1-Diabetes im Vergleich zu Männern teilweise grössere Schwierigkeiten haben, ihren Langzeitwert, den HbA1c, im Zielbereich zu halten. Der Menstruationszyklus, der Hormonschwankungen und Änderungen in der Insulinsensitivität mit sich bringen kann, scheint bei Frauen mit Typ-1-Diabetes einen Einfluss auf den durchschnittlichen Blutzucker zu haben. Allerdings gibt es kaum Erkenntnisse darüber, wie dieser Einfluss genau aussieht. Das führt zu einem Problem: Frauen, die oft nichts von dieser Problematik wissen, erhalten kaum Unterstützung, wie sie die zyklischen Schwankungen des Blutzuckers und der Insulinsensitivität handhaben sollen. Es fehlt an evidenzbasierten Lösungen, um mit diesen Herausforderungen umzugehen.
Im Rahmen meiner Masterarbeit am Diabetes Center Berne (DCB) haben wir deshalb in einer Forschungsübersicht untersucht, wie der Menstruationszyklus das Diabetesmanagement beeinflusst. Dabei zeigte sich ein gewisser Zusammenhang: Je nach Zyklusphase können eine höhere Insulinresistenz sowie höhere Blutzuckerwerte auftreten. Anekdoten aus der Community untermauern diese Tendenz. Einige Frauen mit Diabetes berichten, dass sie in der zweiten Zyklushälfte, der Lutealphase, höhere Blutzuckerwerte und eine höhere Insulinresistenz im Vergleich zur ersten Hälfte, der Follikelphase, beobachten. Sobald die Periode beginnt, erleben sie dann vermehrt Hypoglykämien, weil die Insulinresistenz wieder sinkt. Bei einigen Frauen zeigen sich jedoch auch andere Muster.
Blickt man auf die Forschung, bleibt unklar, welchen Einfluss der Menstruationszyklus konkret auf das Diabetesmanagement hat oder welche Rolle dabei der Hormonhaushalt und die Ernährung spielen. Das liegt vor allem an den uneinheitlichen Forschungsmethoden, die wenig Vergleiche oder allgemeine Schlüsse zulassen, sowie an der dünnen und veralteten Datenlage. Es scheint nur eines klar zu sein: Der Einfluss des Zyklus auf das Diabetesmanagement ist multifaktoriell.
Frauengesundheit ist zu wenig erforscht
Diese Defizite passen in ein grösseres Bild: Frauengesundheit hat in der Medizin zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Mehr und tiefgreifendere Forschung ist nötig, da ohne umfassende Daten der Einfluss des Zyklus auf das Diabetesmanagement nicht exakt abgebildet werden kann. Dabei wäre genau das dringend nötig, denn es bleiben wichtige Fragen unbeantwortet. Welchen Einfluss hat der Zyklus tatsächlich auf Glukose oder Insulinsensitivität? Wie gross ist dieser? Unterscheidet er sich von Frau zu Frau? Ist der Einfluss jeden Monat anders? Die Hypothese liegt nahe, dass weitere Faktoren wie die Wechseljahre, PCOS (siehe Kasten auf S. 17) oder hormonelle Verhütung einen Einfluss auf das Blutzuckermanagement haben. Auch hier scheint die Forderung klar: Es braucht mehr Forschung, um diese Fragen und vor allem die Unsicherheit vieler Frauen zu klären.
Neue Technologien und Selbstbeobachtung als Chance
Diese Forschung sollte technologische Fortschritte wie kontinuierliche Glukosemesssysteme, AID-Systeme und smarte Insulinpens miteinbeziehen. Zudem sind standardisierte Protokolle, grössere Stichproben und die Erhebung zusätzlicher Faktoren wie Schlaf, Ernährung und Stress erforderlich. Es braucht mehr Wissen, bessere Ressourcen und Richtlinien für Frauen sowie für deren Diabetesteams. Erst so können diese ihre Patientinnen besser unterstützen. Langfristig könnte dies gar zur Entwicklung von innovativen Technologien führen, die den Zyklus mitberücksichtigen – etwa in Form von AID-Systemen, die die Insulinabgabe automatisch an die Zyklusphase anpassen. Bis solche Forschungsergebnisse vorliegen, können Frauen mit Diabetes selbst aktiv werden. Das Tracken des Zyklus mithilfe von Apps oder Tagebüchern sowie das Abgleichen von Blutzuckerkurven kann hilfreich sein, um zyklusbedingte Muster zu erkennen. Besonders die Woche vor der Periode sowie die Periode selbst sind für viele Frauen kritisch – es lohnt sich, ein spezielles Augenmerk darauf zu richten. Gleiches gilt für die Zeit rund um den Eisprung.
Nicht zuletzt ist es wichtig, dass sich Frauen untereinander austauschen und so Einsichten für ihr eigenes Diabetesmanagement erhalten. Vor allem aber können sie bei ihrem Diabetesteam nach Unterstützung fragen und das Thema ansprechen. Es ist Zeit, diese Wissenslücke zu schliessen. Frauen mit Diabetes brauchen dringend mehr Forschung und bessere Behandlungsoptionen, um den Herausforderungen ihres Zyklus gerecht zu werden. Ihre Bedürfnisse müssen gehört und verstanden werden. Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert.
Laura Burlando setzt sich für Patient:innen ein.
Laura lebt mit Typ-1-Diabetes und engagiert sich als Patient Advocate, um die Stimme von Menschen mit Diabetes einzubringen. Sie ist Mitglied der Redaktionskommission des d-journals. Als Frau ist das Thema ihrer Masterarbeit für sie unmittelbar relevant.