DREI FRAGEN AN
Dr. med. Stefanie Meyer (Endokrinologin) und
Sabine Hügin (Diabetesfachberaterin HF), Spital Dornach

 

Was ist aus Ihrer Sicht die grösste Herausforderung für sehbehinderte Menschen mit einer intensivierten Insulintherapie bei der Auslesung der Blutzuckerwerte?

Sehbehinderte Menschen brauchen viel feinmotorisches Geschick, um Blutzucker-Selbstmessungen ohne visuelle Unterstützung durchführen zu können. Dabei ist der Wechsel von einer Blutzuckermessung mit Teststreifen auf eine Messung mit einem Glukosesensor vorteilhaft. Die Messung mit dem Sensor erlaubt eine kontinuierliche Blutzuckermessung und in den meisten Fällen auch eine Alarmierung bei zu hohen oder tiefen Blutzuckerwerten. Der Wechsel eines Sensors ist ohne Visus oft schwierig, dafür sind die Patientinnen und Patienten meist auf Fremdhilfe angewiesen. Sehbehinderte Menschen können ganz praktisch auf konventionellen Blutzucker-Messgeräten, Lesegeräten eines Sensors oder dem Handy die Blutzuckerwerte nicht ablesen. Sie sind diesbezüglich auf Fremdhilfe oder die Verwendung einer Sprach-Software angewiesen.

Welche Vorteile hat das Tragen einer Pumpe für sehbehinderte Menschen mit Diabetes mellitus?

Vor allem das Tragen eines Closed-Loop-Pumpensystems, bei dem die Pumpe selbstständig den Blutzucker in einem vordefinierten Zielbereich hält, bringt grosse Vorteile. Diese Systeme drosseln bei stark abfallenden Blutzuckerwerten die Insulinabgabe, umgekehrt geben sie bei hohen Blutzuckerwerten automatisch Bolusgaben von Insulin, um den Blutzucker in dem vordefinierten Zielbereich zu halten. Die Bolusabgabe bei Nahrungsaufnahme muss weiterhin durch die Patientinnen und Patienten selbstständig erfolgen. Sie müssen diesbezüglich sehr gut im Handling mit der Pumpe geschult sein. Der Wechsel des kontinuierlichen Glukosesensors und des Pumpenschlauchsystems braucht meistens Fremdhilfe. Mit einem guten sozialen Netzwerk und der Anwendung von Sprach-Applikationen sind auch sehbehinderte Menschen durchaus in der Lage, ein solches Pumpensystem zu verwenden. Die Hypoglykämiegefahr wird deutlich reduziert.

Was gilt es zu lösen, wenn sehbehinderte Menschen mit Diabetes mellitus eine Pumpe haben?

Wie oben bereits erwähnt, sind sehbehinderte Menschen meistens beim Wechsel der Sensoren und der Schlauchsysteme auf fremde Hilfe angewiesen. Das Ablesen der Blutzuckerwerte auf einem Messgerät oder der Pumpe kann mittlerweile durch eine Sprach-Applikation übernommen werden. Problematisch kann die Situation werden, wenn die technischen Hilfsmittel ausfallen und die Patientinnen und Patienten wieder auf eine konventionelle Blutzuckermessung angewiesen sind. In jedem Fall sollten daher auch sehbehinderte Menschen mit einer Pen- Therapie vertraut sein, um im Notfall auf eine solche wechseln zu können. Wir betreuen eine mittlerweile verwitwete 78-jährige Patientin, die nur beim Wechsel der Sensoren und des Schlauchsystems Hilfe benötigt, ansonsten managt sie die Blutzuckereinstellung mithilfe einer Sprach-Software selbstständig.