Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination kann man bis ins hohe Alter trainieren. Die auf ambulante Rehabilitation bei älteren Menschen spezialisierte Physiotherapeutin Gabi Jakob erklärt, worauf es ankommt und warum ein individueller Trainingsplan sinnvoll ist.

«Es ist schwierig, verallgemeinernd einen Ratschlag zu erteilen oder mit einem Satz eine Bewegungsempfehlung zu formulieren. Es kommt ganz drauf an, in welcher Situation der ältere Mensch ist», eröffnet Gabi Jakob in den Räumen der Ambulanten Rehabilitation des BESAS (Berner Spitalzentrum für Altersmedizin Siloah) das Gespräch. Wenn jemand schon ein Handicap habe, sei bereits Spazieren ohne Begleitung schwierig, bei kognitiven Einschränkungen sei sogar noch mehr nicht möglich. Trotzdem empfiehlt sie, dass ältere Menschen grundsätzlich aktiv bleiben und nicht nur sitzen. «Die beste Sturzprävention ist nicht ein reines Gleichgewichts-, Kraft-, oder Ausdauertraining, sondern ein sogenannt kognitiv-motorisches Training, sprich Denkaufgaben kombiniert mit Bewegungsaufträgen. Aus Studien weiss man, dass dies auch eine gute Demenzprophylaxe ist», sagt die Fachfrau. Der Bewegungspart sei sogar im Sitzen oder mit Rollator möglich und was die Denkaufgaben anbelange, könne man der Fantasie freien Lauf lassen (siehe rechts im Kasten). Am besten sei jedoch, den Kontakt mit einer geeigneten Physio- oder Ergotherapiepraxis zu suchen oder sich – wenn man nicht sturzgefährdet oder kognitiv eingeschränkt sei – einem Gruppenangebot anzuschliessen, wie es das BESAS mit MemoMove, diverse Gemeinden oder ProSenectute anböten. Das habe den Vorteil, dass der Termin fix in der Agenda sei und man gleichzeitig soziale Kontakte habe.

Beim Ausdauertraining Vorlieben beachten 

Gabi Jakob berücksichtigt bei Beratungen, was die Person früher gemacht hat und welche Hobbys sie hat. Wenn jemand immer Velo gefahren sei und keine Handicaps habe, könne er oder sie dies weiterhin tun, vielleicht auf ein eBike umsteigen, die Routen anpassen und beispielsweise Pässe meiden. Ohne Vorerfahrung würde sie das nicht empfehlen, obwohl Radfahren gesund sei. Wer sicher auf den Beinen sei, keine Knieverletzungen habe und gut Ski fahre, könne noch mit 70 auf die Piste gehen, verdeutlicht sie das Prinzip. Wichtig sei, dass die Sportart den kardiopulmonalen Bereich abdecke und die aerobe Ausdauer trainiere, was auch bei Spaziergängen, beim Wandern/Walken, beim Aquafit mit Ausdauerkomponenten oder beim Schwimmen der Fall ist. Die positiven Folgen: eine gute Funktion von Herz und Lungen, eine gute Sauerstoffsättigung im Blut und gesunde Zellen.

Muskulatur erhalten

Die Muskeln bauen sich leider sehr schnell ab, wenn man sich nicht bewegt. Im Alter passiert das nochmal schneller. Auch bei Kraftübungen gelte es, individuell zu schauen, welche Voraussetzungen jemand mitbringe. Kraft könne man allerdings schlecht im Sitzen trainieren und wenn, dann nur den Oberkörper, sagt die Expertin: «Denkt man an Sturzprävention, sind die Stemmmuskulatur, die Rumpfmuskulatur und zwei Muskelgruppen zentral, die besonders schnell abbauen und für die Gangsicherheit wichtig sind, nämlich die Wadenmuskulatur und die hüftstabilisierenden Muskeln (siehe Übungen im Kasten). Wichtig ist, mehrmals die Woche zu üben.»

Komplexes Gleichgewichtstraining

Bei der Balance sind neben dem Gehirn drei Organsysteme involviert: das Innenohr, die Füsse zum Spüren des Bodens und die Augen. Zudem spielt die Nackenstellung eine Rolle. Den Füssen Sorge zu tragen und deren Sensibilität zu stimulieren, zum Beispiel mit geeigneten Schuhen, ist also zentral. Der Tandemstand (siehe rechts) ist eine Möglichkeit, die Balance im Alltag zu trainieren.

BEISPIELE GEEIGNETER ÜBUNGEN


Kombinieren Sie Bewegungen mit Denkaufgaben und verteilen Sie diese über den Tag hinweg. Bleiben Sie dabei in Bewegung, auch wenn Sie nachdenken müssen. Üben Sie sicherheitshalber vor der Küchenablage, dem Lavabo, einem Schrank oder einem stabilen Tisch, damit Sie sich bei Bedarf festhalten können. Als Denkaufgaben eignen sich das Bilden von Wortschlangen, Rechenaufgaben oder das Rückwärtszählen von 100 in 12er-Schritten oder mit einer anderen Zahl.

Hand uns Fuss
Fuss nach vorne und zurück, dann zur Seite und zurück. Dann Seitenwechsel.
Gleichzeitig berühren beide Hände nacheinander Hüfte, Schultern und Kopf.

       

KRAFT UND BALANCE

Hüftmuskulatur trainieren
Auf der Seite liegend das Bein gestreckt heben und senken, also abspreizen.

Balanceübung
Mit Festhaltemöglichkeit einen Fuss
genau vor den anderen stellen und
ausbalancieren. 

Für die Wadenmuskeln
Sich irgendwo halten und dann auf die
Zehenspitzen hochdrücken und wieder
hinunter.

Und noch ein paar Tipps: Ein Plan, ein Bildchen mit Übungen beim Lavabo oder eine Abhakliste helfen, das Training auch wirklich umzusetzen. Eine proteinreiche Ernährung im Alter ist wichtig und unterstützt das Training. Den Vitamin-D-Spiegel zu prüfen ist bei Gangunsicherheit empfehlenswert. Ansätze für kombinierte Übungen finden Interessierte ebenfalls in der neuen Hepa-Broschüre des Bundes (hepa.ch).

 

Mehr zum Thema Sport und Bewegung finden Sie auf www.diabetesschweiz.ch.

AutorIn: Nicole Fivaz