Sport und Bewegung sind gesund. Dies gilt auch und vor allem für Menschen mit Diabetes Typ 1. Bei körperlicher Aktivität wird der Zuckerhaushalt im Körper beeinflusst. Der Insulinbedarf sinkt ab. Dies gilt nicht nur bei Sport, sondern auch bei körperlicher Belastung in der Freizeit, im Haushalt und im Beruf.

Nach Bewegung und Sport kommt es zu einer gesteigerten Aufnahme von Glukose in den Muskeln. Je nach Dauer und Intensität der Aktivität kann dieser Effekt bis zu 48 Stunden anhalten. Dies wird als Muskelauffülleffekt oder Nachbrenneffekt bezeichnet. Deshalb müssen Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes bestimmte Massnahmen treffen, um Unterzuckerungen sowohl während als auch nach dem Sport zu vermeiden. Eine grosse Hilfe bei der Überwachung der Glukosewerte bietet dabei ein kontinuierliches Glukose-Monitoring (CGM), denn die Systeme sind mittlerweile alle mit Alarmgrenzen versehen.

Tipps für mehr Freiheit beim Sport

Es gibt diverse Empfehlungen, die helfen, die Gefahr einer Unterzuckerung durch körperliche Betätigung zu reduzieren. Grundsätzlich ist es ratsam, den Glukosewert regelmässig zu kontrollieren und zwar vor, während und nach der körperlichen Betätigung. Je nach Sportart ist es ratsam, die Dosis des Bolus- Insulins und des Basisinsulins vor und/oder nach der körperlichen Betätigung zu reduzieren. Tragen Sie zudem beim Sport immer sowohl schnelle Kohlenhydrate wie Trockenfrüchte und Bananen als auch langsame wie Vollkorncracker oder Nüsse bei sich und nehmen Sie diese bei Bedarf ein. Der richtige Zeitpunkt kann von Person zu Person und je nach Sportart variieren, er kann also vor, während und nach der körperlichen Betätigung sein.

Das Beachten der Umgebungsbedingungen wie Kälte und Hitze hilft, da diese die Wirkung des Insulins und dessen Interaktion mit anderen körpereigenen Hormonen beeinflussen. In solchen Fällen gilt es, den Glukosewert häufiger zu kontrollieren. Bei der Verwendung eines kontinuierlichen Glukosemesssystems passen Sie zudem die Alarmgrenzen wie folgt an:

• Hohe Alarmgrenzwerte erhöhen
• Niedrige Alarmgrenzwerte erhöhen
• Abfallrate/Voralarm empfindlicher einstellen

Welche Dosisanpassung fürs Insulin und wie viel Zusatzkohlenhydrate?

Faktoren wie Alter, Diabeteskomplikationen, zusätzliche Erkrankungen, Medikamente, Trainingszustand, Tageszeitpunkt, Art und Wirkungsdauer des Bolusund Langzeitinsulins sowie weitere Faktoren beeinflussen die Menge der Insulindosis-Reduktion und die Menge an zusätzlich einzunehmenden Kohlenhydraten. Deswegen müssen folgende Empfehlungen unbedingt individuell mit Ihrem Arzt oder Diabetesteam besprochen werden:

• Bei Sport bis zu drei Stunden nach der Insulininjektion und einer Mahlzeit reduzieren Sie die Dosis des Bolus um 25 bis 75 Prozent. Ist die Reduktion nicht möglich oder wurde sie vergessen, gilt es – je nach Intensität der körperlichen Aktivität – pro Stunde und Kilogramm Körpergewicht 0,5 bis 1 Gramm Kohlenhydrate mit hoher Energiedichte wie Saft, Traubenzucker, oder Trockenfrüchte in kleinen Mengen alle 30 Minuten einzunehmen.

• Bei Sportbeginn mehr als drei Stunden nach einer Insulininjektion und einer Mahlzeit braucht es keine Reduktion. Dafür sollten Sie bei Bedarf zusätzliche Kohlenhydrate einnehmen.

• Bei Sport von kurzer Dauer und geringer Intensität müssen nur bei Bedarf zusätzliche Kohlenhydrate eingenommen werden.

• Grundsätzlich empfiehlt es sich, mehrere Portionen von 10 bis 20 Gramm Kohlenhydrate auf den Zeitraum vor, während und nach der Aktivität zu verteilen. Je nach Dauer und Intensität der Aktivität können gemäss Literatur bis zu 80 Gramm Zusatzkohlenhydrate notwendig sein.

• Vor einer Aktivität von mehreren Stunden oder einem ganzen Tag (zum Beispiel Tageswanderung) gilt es, den Bolus und das Basisinsulin bis zu 50 Prozent zu reduzieren. Aber Achtung: Aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsdauer der genutzten Basisinsuline ist es schwierig, hier allgemeingültige Empfehlungen zu geben. Ihr Diabetesteam kann Ihnen aber einen individuellen Plan zusammenstellen.

Was ändert bei einer Insulinpumpentherapie?

Viele Menschen mit Diabetes Typ 1 nutzen heute eine Pumpe, die das Leben erleichtert. Aber auch hier gibt es für den Sport Empfehlungen:

• Bei Sport bis zu drei Stunden nach einer Insulininjektion und einer Mahlzeit müssen Sie auch hier den Mahlzeitenbolus um 25 bis 75 Prozent reduzieren.

• Bei Sport von mehr als zwei Stunden können Sie zusätzlich bei Beginn der körperlichen Betätigung die Basalrate um 50 Prozent reduzieren und, je nach Dauer und Intensität, auch bis zu 14 Stunden nach der Aktivität die Basalrate weiterhin um 10 bis 50 Prozent reduzieren.

• Falls Sie die Pumpe beim Sport ablegen, sollte bei einer Dauer von mehr als zwei bis vier Stunden stattdessen ein Basisinsulin gespritzt werden.

• Benutzen Sie ein Closed-Loop-System, auch AID-System genannt, denn hier reduziert ein Algorithmus die Insulinabgabe der Pumpe je nach Glukosewert des gekoppelten CGM-Systems. Da die Therapieanpassung sehr produkt- und systemspezifisch ist, gilt auch hier: Nehmen Sie Kontakt mit Ihrem Diabetesteam auf.

Oft vergessen: Gefahr der Ketoazidose

Nicht nur die Gefahr einer Hypoglykämie gilt es beim Sport zu vermeiden. Auch die Gefahr einer Stoffwechselentgleisung, die sogenannte Ketoazidose, muss bei körperlicher Aktivität beachtet werden. So kann es zu Problemen kommen, wenn vor der körperlichen Aktivität ein Mangel an Basisinsulin vorherrscht und gar kein oder zu wenig Insulin im Körper ist. In diesem Fall lässt die Muskelarbeit die Glukose im Blut und im Gewebe weiter ansteigen und es kann sich eine Entgleisung des Stoffwechsels entwickeln. Deshalb sollte bei Insulinmangel keine intensive körperliche Aktivität ins Auge gefasst werden.

Wer es genau wissen will, kann wie folgt vorgehen:

• Testen Sie bei einem Blutzucker über 15 mmol/l (250 mg/dl) zur Sicherheit die Ketonkörper im Urin.

• Zeigt das Ergebnis die Symbole ++/+++, liegt ein starker Insulinmangel vor.

• Verschieben Sie in diesem Fall die geplante Aktivität, spritzen Sie sofort kurz wirkendes Insulin und trinken Sie viel Wasser.

AutorIn: Christine Suter, Diabetesfachberaterin, dipl. Pflegefachfrau FH