Kinder verbringen viel Zeit in der Schule. Auch Remo, der seit seinem 5. Altersjahr Diabetiker ist und heute die Oberstufe besucht. Bald steht die Berufswahl an. Was dann? Remo möchte Polizist werden. Kein Problem, oder?
Ein Leben mit der Autoimmunkrankheit Typ-1-Diabetes ist ein tägliches «Ringen» um die richtige Blutzuckereinstellung. Akute Gefahren durch Unter- oder Überzuckerungen sollen vermieden werden – gleichzeitig müssen die Spätfolgen im Auge behalten werden. Die Krankheit ist ein ständiger Begleiter, ohne Pause, jeden Tag, Jahr für Jahr. In der Schweiz leben etwa 3 000 Kinder, die an Typ-1-Diabetes erkrankt sind. Sie sind geistig und körperlich grundsätzlich genauso leistungsfähig wie gesunde Kinder. Die krankheitsbedingt abverlangte Selbstdisziplin lässt sie oft sogar besonders leistungswillig werden. Denn die Krankheit stellt hohe Ansprüche an die Kinder und Jugendlichen, die komplexe Therapie einzuhalten, und ist in jedem Fall eine oft unterschätzte psychosoziale Herausforderung. Als Folge der chronischen Erkrankung haben Schülerinnen und Schüler mit einem Typ-1-Diabetes zum «normalen» Schulalltag zusätzliche schwierige Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, Blutzuckerschwankungen während des Unterrichts zu verhindern, um krankheitsbedingte Leistungseinbussen umgehen zu können. Während der Prüfungen ist dies matchentscheidend. Viele Kinder sind dabei völlig selbständig, andere brauchen die Unterstützung der Lehrperson.
Remo z. B. benötigte in der Anfangszeit im Kindergarten regelmässig Unterstützung. Danach waren vor allem die «Übergangssituationen» heikel: Lehrerwechsel, erstes Lager etc. Die Pubertät und die anstehende Berufswahl sind wiederum Zeiten, in denen Remo solide Leitplanken braucht, um seinen Begleiter, den Diabetes, in die Schranken weisen zu können. Das Diabetesmanagement ist in der Schule somit für alle Beteiligten eine Herausforderung – manchmal mehr, manchmal weniger. Zahlreiche Fälle zeigen, dass durch Unwissen, mangelnde Unterstützung oder aus Angst diese Unterstützung nicht gegeben ist, und dass Kinder mit Diabetes doch noch oft diskriminiert werden. Der Ausschluss von einem Klassenausflug oder die Benachteiligung bei Prüfungen sind keine seltenen Beispiele. Obwohl die Benachteiligung meist nicht böswillig erfolgt, darf sie nicht sein: Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes sind gegenüber anderen Kindern gleichberechtigt, und müssen die gleichen Chancen haben wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler ohne Diabetes. Ist dies nicht gewährleistet, sind die Verantwortlichen in der Pflicht. Oft fällt es den Eltern oder dem Kind jedoch schwer, für ihre Rechte einzustehen, da diese meist gar nicht bekannt sind. Als Eltern fühlt man sich oft in der Bittstellersituation. Die glückliche Schulzeit als Lotterie und die Abhängigkeit vom Goodwill einzelner Beteiligten – muss das sein?
Wir, der Verein Swiss Diabetes Kids (SDK), möchten auf jeden Fall die Selbstkompetenz der betroffenen Familien stärken, indem wir dazu beitragen, diese unbefriedigende Situation zu entschärfen. Wissenslücken sollen geschlossen werden. Bis jetzt gibt es nämlich keine gezielt organisierte und professionelle flächendeckende Information und Unterstützung für Eltern, Schulen und Lehrerschaft.
Deshalb haben die SDK das Projekt «Typ-1-Diabetes in Kindergarten und Schule» ins Leben gerufen. Dies ist ein prioritäres Projekt unseres Vereines. Erster konkreter Schritt war die Vergabe eines juristischen Gutachtens zu Fragen rund um die Schule und den Diabetes. Dieses Gutachten wird durch die Schweizerische Diabetes Gesellschaft (SDG) und die Schweizerische Diabetesstiftung (SDS) finanziert. Wir danken an dieser Stelle für die Unterstützung und auch bereits jetzt für den weiteren Support. Denn mit der Klärung der Rechtslage ist es noch nicht getan.
Diese Erkenntnisgewinne sollen mit praktischen Hilfestellungen eben allen Beteiligten zugänglich gemacht werden. Remo, seine Eltern, seine Lehrer und möglicherweise sein Lehrbetrieb sollen wissen, was sie dürfen, müssen und können. Das gibt Sicherheit im Umgang mit der Krankheit und hilft möglicherweise auch anderen Kindern und Jugendlichen in ähnlichen Situationen. Schön ist es, wenn es uns gelingt, den Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes nicht als Bürde zu sehen, sondern als Möglichkeit, von deren Kompetenzen zu profitieren und zu lernen. Vielerorts wird dies bereits getan, denn nebst zahlreichen negativen Vorfällen haben wir auch von vielen positiven Erfahrungen gehört: von engagierten Schülern, Eltern, Lehrern und Schulleitern. Ihnen sei auch an dieser Stelle gedankt. Und wer weiss, vielleicht hilft ihnen dereinst Remo wieder, als Polizist? Fortsetzung folgt …
Broschüre: Kinder mit Diabetes in der Schule
Informationen für Lehrerinnen und Lehrer
Für ein Kind mit Typ-1-Diabetes und seine Eltern ist es wichtig, dass es ebenso aufwachsen und die Schule besuchen kann, wie andere Kinder auch.
In Deutschland geniesst die Broschüre «Kinder mit Diabetes in der Schule» von Novo Nordisk grosse Beliebtheit. Sie ist insofern einmalig, als sie den Eltern von Kindern mit Diabetes die Möglichkeit gibt, Lehrpersonen oder auch andere Betreuungspersonen ihrer Kinder zu dokumentieren.
Die Broschüre wurde auf die Schweizerischen Gegebenheiten und Kultur angepasst. Dr. med. Beatrice Kuhlmann (spez. Endokrinologie und Diabetes bei Kindern und Jugendlichen) hat darauf geachtet, dass die Broschüre auch in Hinsicht der Behandlung des Diabetes mit dem neuesten Stand der Spezialist/-innen in der Schweiz übereinstimmt.
Eltern betroffener Kinder können die Broschüre kostenlos (zuzüglich Verpackung und Porto) bei diabetesschweiz per E-Mail schreiben bestellen (solange Vorrat).
Kinder mit Diabetes im Kindergarten
Informationen für Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten
Die Broschüre «Kinder mit Diabetes im Kindergarten» von der AGPD, Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie, Deutsche Diabetes Gesellschaft, ist in Deutschland sehr bliebt. Wie die Broschüre «Kinder mit Diabetes in der Schule», gibt sie den Eltern von Kindern mit Diabetes die Möglichkeit, Lehrpersonen oder auch andere Betreuungspersonen ihrer Kinder zu informieren.
Obwohl die Broschüre in und für Deutschland entwickelt wurde, ist sie auch für die Schweiz geeignet, da sie allgemein gültig gehalten ist. Einzig die Internetadressen usw. gelten natürlich nur für Deutschland.
Die Broschüre kann unter “diabetes-kinder-de” heruntergeladen werden.
Kindergartenbroschuere 07 2010
©: AGPD, Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie, Deutsche Diabetes Gesellschaft