Spontan schwimmen, gut geplant
Diabetes macht erfinderisch. Am Oberarm ein cooles Tape, im Badetop das massgeschneiderte Täschli für die Insulinpumpe. Zwei Mütter schildern, worauf sie achten, damit ihre Töchter, beide Diabetikerinnen, bereit sind für die Badi.
«Mami, darf ich ins Wasser?», ruft die sechsjährige Emilia, während ihre Mutter telefoniert. «Ja, du darfst», antwortet Sabrina Würgler lachend, war sie doch gerade daran zu erzählen, ihre Tochter sei eine echte Wasserratte. «Trotz Diabetes wollen wir Emilia alles ermöglichen, was sie gern tut.» Das Bassin im Garten und die Badi zählen zu Emilias Lieblingsorten. «Plantschen, Baden, Schwimmen, Tauchen braucht einiges an Vorbereitung, aber es ist unkompliziert, sobald man die verschiedenen Tricks herausgefunden hat, um den Glukosesensor zu sichern und den Katheter abzukleben.» Dann bleibt noch die Frage, wie sich die Insulinpumpe befestigen lässt, falls sie, wie bei Emilia, während des Badens nicht abgekoppelt wird. Hierfür nähte die Grossmutter ein verschliessbares Täschli in das Rückenteil von Emilias Tankini. Darin ist die Pumpe sogar purzelbaumsicher. Tankini? Die Kombination von Badehose und bis zur Hüfte reichendem Top ist ideal für das Mädchen. Den Katheter steckt die Mutter jeweils über dem Po, gleich unterhalb des Hosenrandes, und klebt ein zusätzliches Pflaster auf die Stahlnadel. Rund um den Oberarm, über den Sensor, kommt ein buntes Klebeband. Fragt jemand, was das sei, erklärt Emilia unbefangen, sie habe Diabetes.
Sensor trocknen lassen
Was eignet sich für mein Kind?
Erkundigen Sie sich bei Fachpersonen
Welche Insulintherapieform sich besonders auch zum Baden und Schwimmen für Ihr Kind eignet, erfahren Sie beim Diabetologen, bei der Diabetologin oder in der Diabetesfachberatung. Grundsätzlich steht allen Patientinnen und Patienten ein Probemonat zu, um sich für oder gegen eine Insulinpumpe entscheiden zu können. Dr. med. Udo Meinhardt, FMH Kinderendokrinologie & Diabetologie und Sportmedizin, sagt: «Ob Spritzen, Pen oder Insulinpumpe: Das Schwimmen ist für jede von Diabetes Typ 1 betroffene Person eine Herausforderung, bei der einer Hypoglykämie unbedingt vorgebeugt werden muss. Hierfür braucht es Regeln und Erfahrung. Im Wasser passiert es zudem immer mal wieder, dass Katheter und Sensoren nicht haften bleiben – um dies zu verhindern, sind kreative und geeignete Lösungen gesucht. Wenn Ihr Kind mit Diabetes Typ 1 zuerst in Begleitung und später allein baden geht, dann soll der Diabetes dem nicht im Weg stehen. Trotzdem müssen sich Kind und Eltern dabei wohlfühlen können, was bedeutet: Üben, Erfahrungen sammeln und lernen, sich gegenseitig zu vertrauen. Dies verlangt immer viel Auseinandersetzung mit dem Diabetes, den Situationen und mit dem Kind. Dabei ist auch der Austausch mit anderen Betroffenen und Familien von Swiss Diabetes Kids (www.swissdiabeteskids.ch) äusserst hilfreich.»
Auch die zehnjährige Michelle, seit vier Jahren mit Diabetes Typ 1 vertraut, kümmert es nicht, wenn sie auf die eiförmige, kleine Patch-Pumpe angesprochen wird, die am Oberschenkel klebt. Mühe bereitet ihr jedoch der Klebstoff von zusätzlich angebrachten Tapes und Pflastern, wenn die Haut darunter allergisch reagiert, juckt und brennt. Um dieses Problem zu lösen, haben die Eltern schon alles, aber vergeblich ausprobiert. Deshalb sollte Michelle nicht länger als eine halbe Stunde im Wasser bleiben, so lange wie Sensor und Pumpe ohne zusätzliche Kleber haften, erzählt ihre Mutter Jelena Péteut. «Michelles Blutzuckerwert sinkt beim Spielen und Schwimmen im Pool, weshalb wir die Basalzufuhr der Pumpe unterbrechen, bevor sie ins Wasser springt. Kommt sie heraus, dauert es fünf bis zehn Minuten, bis wir die Werte haben. Meist isst sie dann gleich etwas. Als Alternative zu Traubenzucker, der ihr verleidet ist, gibt es Trockenfrüchte oder Wasserglacé.» Ideal sei, den Sensor vollständig trocknen zu lassen, bevor Michelle wieder schwimmen geht.
Möglichst spontan bleiben
Die Blutzuckerwerte erhalten Michelles Eltern und die Grossmutter auf dem Smartphone angezeigt. Sie rufen in der Schule an, sobald die Werte auf das tiefste oder höchste eingestellte Limit zupeilen, was besonders im Turnen passieren kann. Bis zur dritten Klasse fand zudem Schwimmunterricht statt, bei dem für Michelle Angehörige anwesend waren, um die Werte zu überwachen und allenfalls richtig zu reagieren. Je älter Michelle wird, desto mehr Selbstverantwortung kann sie übernehmen. Das bewahrt sie natürlich nicht davor, manchmal frustriert zu reagieren, wenn ihre Geschwister länger im Pool bleiben dürfen. «Trotz allem», sagt Jelena Péteut, «versuchen wir, so spontan wie möglich zu sein und den Diabetes gut ins Familienleben zu integrieren.» Letzten Hebst machten sie Segelferien in Kroatien, sogar der Hund war mit Schwimmweste dabei. In den Buchten zu baden, genoss die ganze Familie, und weil das Wasser im Oktober schon ziemlich frisch war, blieb niemand lange im Wasser, zum Vorteil für Michelle.
«Mami, ich fühle mich zu tief»
Bei Emilia wurde Diabetes Typ 1 vor dem vierten Geburtstag festgestellt. Erst war der Insulinpen im Einsatz, bis die Therapie eingespielt war und sich die Eltern für eine Insulinpumpe mit gleichzeitiger Sensormessung entschieden. Klar war, dass es ein wasserdichtes System sein musste. Mit den zusätzlich angebrachten Pflastern und Tapes ist es für Emilia problemlos möglich, sich während des wöchentlichen Schwimmkurses drei Viertelstunden im Wasser zu bewegen. Die Mutter ist am Beckenrand dabei, aufmerksam, aber entspannt. Manche Kinder spüren im Wasser weniger gut als an Land, wenn sich ein Hypo ankündigt. Bei Emilia könne das der Fall sein, wenn sie von anderen Kindern im Spiel abgelenkt sei. «Aber meist kommt sie von sich aus an den Beckenrand und sagt: ‹Mami, ich fühle mich zu tief›. Dann messen wir den Blutzucker, oder ich gebe ihr gleich Traubenzucker.» Natürlich gelte es, eine Unterzuckerung zu vermeiden. Im Wasser könne es vorkommen, dass die Datenübermittlung vom Glukosesensor an die Pumpe unterbrochen werde. Worauf die Pumpe piepst und Emilia aus dem Becken steigt. «Jede Mutter, jeder Vater oder jede andere Bezugsperson muss ein gutes Gefühl haben wenn das Kind schwimmen geht», sagt Sabrina Würgler. «Mir persönlich ist es lieber, wenn Emilia mit einem etwas erhöhten Blutzucker (7 bis 10 mmol/l) eintaucht.»