Junge Frau ist genervt wegen schimpender Mutter

Celina, 15 Jahre, seit 10 Jahren Typ 1-Diabetes, seit neuestem Insulinpumpen versorgt: «Ich bin total genervt: Dauernd gibt es Stress mit meinen Eltern, ich soll dies, ich soll das, messen, Katheter wechseln, mich ja nie bei Kohlehydraten verschätzen und einfach immer perfekte Werte haben! Nie lassen sie mich in Ruhe! Dabei möchte ich nur sein, wie meine Kolleginnen: Essen, was, wann und wieviel ich möchte, und in den Ausgang – ohne ständiges schlechtes Diabetes-Gewissen … und ich habe doch jetzt die Pumpe …»

Als Pubertät bezeichnet man die Zeit zwischen Kind sein und Erwachsen werden. Häufig ist sie in vielerlei Hinsicht eine «raue» und schwierige Zeit – auch bereits ohne chronische Erkrankung wie Diabetes mellitus Typ 1.

Pubertätsveränderungen
Die Pubertät ist gekennzeichnet durch viele Veränderungen, nicht nur körperliche: Du wirst selbständiger, Deine Eltern als bislang wichtigste Bezugspersonen treten etwas weiter in den Hintergrund, deine Freunde werden wichtiger. Du möchtest Dinge ausprobieren, eigene Erfahrungen sammeln und bist bereit, auch mal ein Risiko einzugehen. An Deinem Körper bemerkst Du, dass neben Deiner Körperlänge die Brust wächst, der Penis grösser wird, Haare spriessen und Du an Gewicht zunimmst. Eventuell kann Dich das verunsichern. Gleichzeitig verändert sich Dein Insulinbedarf, vor allem in den frühen Morgenstunden: Oft wirst Du mit hohem Zuckerwert aufwachen, obwohl Du mit gutem Wert ins Bett gegangen bist, und alles richtig gemacht hast. Eventuell schwanken Deine Zuckerwerte mehr als Du es bislang gewohnt warst. Hier spielen andere Hormone eine grosse Rolle, vor allem das Wachstumshormon und die Sexualhormone. Aber auch Dein zunehmend anspruchsvoller Alltag mit häufig wechselnden Bedürfnissen für Körper und Geist machen es Dir schwerer. All diese Veränderungen bemerken auch Deine Eltern.

Eltern sind besorgt, aber unterstützen!
Nicht immer gefallen Deinen Eltern die Veränderungen – auch für sie ist diese Zeit eine Herausforderung. Ihr «Kind», für das sie seit Geburt gesorgt haben und dessen Diabeteserkrankung sie über Jahre hinweg gemanagt haben, möchte nun eigene Wege gehen und wird langsam erwachsen. Das macht ihnen Angst: Die Verantwortung langsam in Deine Hände zu übergeben und die Zügel nicht mehr in der Hand zu haben fällt Ihnen ausgesprochen schwer. Dennoch ist es wichtig und richtig, dass Du Stück für Stück Deine Erkrankung selbst in die Hand nimmst und dich um dich und deinen Diabetes kümmerst. Klar, dass nicht alles glatt laufen kann, und es manchmal drunter und drüber geht: So wirst Du dich sicherlich immer wieder beim Essen verschätzen, Insulindosen vergessen und den Diabetes im Alltag am liebsten ausblenden. Stress und Streit mit den Eltern sind fast unausweichlich, denn es liegt in der Natur der Eltern, besorgt zu sein – das ist ihr Job! Sieh es positiv: Du hast immer jemanden, auf den Du ich verlassen kannst und der gerne bereit ist, Dir zu helfen – gemeinsam mit Dir als Team. Hier ist es oft hilfreich, klare Absprachen mit den Eltern zu treffen: z. B. einen fixen Termin, um gemeinsam über Zuckerwerte zu schauen und Anpassungen zu diskutieren. Das kann einmal pro Woche sein, aber je nach Bedarf auch häufiger. Ein weiteres Beispiel wäre ein fest abgemachter Telefonzeitpunkt, wenn Du unterwegs bist, zur Erinnerung z. B. ans Insulin (für dich) und zur Beruhigung (für Deine Eltern).

Freunde, Hilfsmittel & Co …
In der Pubertät ist es normal, mehr Zeit mit seinen Freunden als mit seiner Familie zu verbringen und sich abzunabeln. Echte Freunde sind sicher gerne bereit, Dich in Deiner Therapie zu unterstützen, an Diabetesverrichtungen zu erinnern, auf Dich zu warten, wenn’s mal länger dauert, oder Dich bei Bedarf auch einmal vor anderen zu verteidigen – frag’ sie einfach!
Ein Wort zu Deiner Diabetes-Ausrüstung: Sie kann vielleicht mehr als Du denkst! Sensor, Pumpe und Bolus-Rechner sind dazu da, Dir das Leben mit Dia­betes zu erleichtern. Wenn Du nicht weisst wie – Dein Diabetesteam informiert Dich gerne. Auch die Handy-Erinnerungsfunktion darf für den Diabetesalltag genutzt werden.
Selbstverständlich gehören Mahlzeiten und Snacks ausser Haus mit den Kollegen zum Jugendlichen Dasein dazu – auch für Dich. Schwierig, immer alles richtig zu schätzen, zu berechnen und Insulin zu spritzen, wenn alle anderen schon essen. Ein Weg zur Vereinfachung kann sein, seine Lieblingssnacks einmal zu Hause in Ruhe auf ihren Kohlenhydratgehalt zu überprüfen. So bist Du beim nächsten Mal bestens vorbereitet.

Hier ein paar praktische Tipps zum selbständigen Therapie-Management:
• Hohe Zuckerwerte am Morgen: Um herauszufinden, woran es liegt (z. B. nächtliche Hypos), hilft nur, zusätzlich in der Nacht Zucker zu messen. Erst dann kannst Du Deine Insuline anpassen.
• Alkohol im Ausgang: Achtung, nächtliche Hypogefahr im Schlaf! Einige Regeln machen das Leben sicherer:
• Für Kohlenhydrate im alkoholischen Getränk braucht es kein Insulin.
• Informiere z. B. Deine Eltern: Es braucht einen Zuckerwert in der Nacht und am Morgen – vielleicht können sie diese übernehmen. Falls nicht: Bitte Wecker stellen und selbst messen.
• Für unsere weiblichen Jugendlichen: Um und mit der Regelblutung gibt es häufig Zuckerwertveränderungen. Eine Insulinanpassung für dieses regelmässige Ereignis lohnt sich!
• Hol Dir Hilfe, wenn es Dir schlecht geht!
• Sprich über Deinen Diabetes!

Dr. med. Tanja Zingg und Dr. med. Claudia Boettcher

Nicht vergessen: Auch Dein Diabetes-Team steht Dir immer mit Rat und Tat zur Seite!

Dr. med.Claudia Boettcher
Oberärztin Pädiatrische Endokrinologie / Diabetologie
INSELSPITAL, Universitätsspital Bern
Medizinische Universitätskinderklinik
Freiburgstrasse 15 / C844
3010 Bern