Mediterrane Lebensmittel

Vor 12 Jahren haben wir im «d-journal» letztmals über die mediterrane Ernährung berichtet. Viele «neue» Diäten und Ernährungsformen sind seither in – meist kommerziell ausgerichteten – Gesundheits-Zeitschriften besprochen und angepriesen worden. Die mediterrane Ernährung indes ist – schon fast wie ein Fels in der Brandung – geblieben. Der 2006 von Dr. Reinhard Imoberdorf verfasste Artikel hat nichts an Aktualität verloren. Er kann deshalb in unveränderter Form wieder im «d-journal» erscheinen. Selbstverständlich hat unser Wissen über die gesundheitliche Bedeutung der mediterranen Ernährung in den letzten Jahren aber noch zugenommen. Ein paar Aspekte sollen deshalb im Anschluss an den Artikel noch vertieft werden.

Diabetiker haben ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken. Die Vorbeugung dieser schweren und nicht selten tödlichen Erkrankungen ist somit ein wichtiges Ziel. Die Ernährung, im Speziellen die mediterrane Ernährungsweise, spielt dabei eine wichtige Rolle. Die grundlegenden Prinzipien einer gesunden Ernährung sind für Diabetiker und Nichtdiabetiker die gleichen.

Der Traum
Wer träumt nicht von einer Diät, bei der man ohne schlechtes Gewissen nach Herzenslust essen kann? Die mediterrane Küche enthält alles, was man unter «gut essen» versteht. Die Grundpfeiler sind frisches Obst und Gemüse, Getreideprodukte, Olivenöl, wenig rotes Fleisch, viele Hülsenfrüchte und dazu Kräuter und Gewürze von Knoblauch bis Basilikum. Ein Gläschen Wein darf dabei nicht fehlen. Hand aufs Herz: Klingt das etwa nach Diät?

Studienresultate sprechen für sich
Spätestens seit den Fünfzigerjahren wissen wir, dass eine mediterrane Ernährung einen günstigen Effekt auf das Überleben und im Besonderen auf die kardiovaskuläre Gesundheit hat. Mediterrane Völker (Franzosen, Italiener, Griechen) haben eine deutlich geringere kardiovaskuläre Sterblichkeit als Nord­europäer. In Toulouse, im Südwesten von Frankreich, sterben ca. 60 Personen von 100000 an einem Herzinfarkt, während es in Belfast, in Nordirland, 240 von 100000 sind. Die Schweizer folgen mit 120 Todesfällen eher dem südlichen Muster. Dieses Nord-Süd-Gefälle beim Herzinfarkt ist vorhanden, obwohl es bezüglich der klassischen Risikofaktoren – hoher Cholesterinspiegel, Zigarettenrauchen und Bluthochdruck – keine bedeutenden Unterschiede gibt. Dass die mediterrane Ernährung positive Auswirkungen haben kann, konnte in der sogenannten Lyon Herzstudie, deren Resultate 1994 publiziert wurden, eindrücklich bestätigt werden. Über 600 Patienten wurden nach einem ersten Herzinfarkt zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Die Kontrollgruppe (303 Patienten) erhielt eine übliche medikamentöse Behandlung, die Therapiegruppe (302 Patienten) zusätzlich eine mediterrane Ernährung. Die mediterrane Ernährung wurde in einer einstündigen Beratung instruiert und die Anweisungen waren ganz einfach: mehr Brot, mehr Wurzelgemüse, mehr grünes Gemüse, mehr Fisch, weniger Fleisch (Fleisch vom Rind, Lamm und Schwein durch Geflügel ersetzen), kein Tag ohne Frucht und die Butter ersetzen durch eine spezielle Margarine (auf Basis von Rapsöl). Empfohlene Öle sowohl für Salate wie für das Kochen waren ausnahmslos Rapsöl und Olivenöl. Die Patienten wurden 4 Jahre lang nachkontrolliert. In der mediterranen Gruppe starben in dieser Zeit 14 Patienten einen Herztod oder erlitten einen erneuten Herzinfarkt, während in der Kontrollgruppe 44 Patienten dieses Schicksal ereilte. Man darf hier ruhig von sensationellen Resultaten sprechen.

ErnährungspyramideUnsere Empfehlung: mediterrane ­Ernährung – auch für Diabetiker
Die Grundlage bildet die mediterrane Ernährungspyramide (2017 Ernaehrungspyramide 10 Regeln). Sie informiert in Kürze über die wichtigsten Elemente der mediterranen Ernährung. Als alleinige Instruktion genügt dies allerdings nicht. Wir empfehlen eine Ernährungsberatung mit individueller Besprechung und Anpassung an angestammte Ernährungsgewohnheiten bei einer mit diesem Thema vertrauten und erfahrenen diplomierten Ernährungsberaterin.
Gesundes Essen und Trinken soll genussvoll und darf nicht mit Verboten gespickt sein. Die Grundpfeiler der mediterranen Ernährung sind frisches Obst und Gemüse, Getreideprodukte, Olivenöl, wenig rotes Fleisch, viele Hülsenfrüchte und dazu Kräuter und Gewürze von Knoblauch bis Basilikum. Ein Gläschen Wein darf dabei – wie schon erwähnt – nicht fehlen. Hier die praktischen Tipps:

Getränke
Mindestens 1,5 – 2 Liter Flüssigkeit pro Tag (falls nicht anders vom Arzt verordnet). Ungezuckerte, alkoholfreie Getränke bevorzugen.

Früchte, Beeren, Gemüse, Salat, Knoblauch,Zwiebeln und Kräuter
Pro Tag 5 Portionen Gemüse, Salat und Früchte, davon mindestens zweimal roh. Diese Nahrungsmittel enthalten einen hohen Anteil an Vitaminen, Mineralstoffen und Nahrungsfasern. Ausserdem sind sie reich an Antioxidantien und sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Beides sind Schutzstoffe, die freie Sauerstoffradikale abfangen und den Körper dadurch schützen. Viele der wirkungsvollen sekundären Pflanzeninhaltsstoffe sind in natürlichen Farbstoffen in Haut und Schale von Früchten, Beeren, Gemüse und Salat sowie in deren Aromastoffen enthalten. Dasselbe gilt für Knoblauch, Zwiebeln sowie Kräuter. Deshalb empfehlen wir, für die Zubereitung von Speisen möglichst viel davon zu verwenden. Ausserdem sollte auf saisonale und abwechslungsreiche Auswahl von Gemüse und Früchten geachtet werden.

Getreideprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte
Pro Tag 3 – 4 Portionen stärkehaltige Beilagen wie Brot (insbesondere Vollkorn-, Kernen-, und Nussbrot), Teigwaren, Kartoffeln, Reis oder anderes Getreide wie z. B. Mais, Gerste oder Hirse. Die darin enthaltenen Kohlenhydrate, in Form von Stärke, sind für unseren Körper die wertvollste Energiequelle. Ausserdem liefern sie wichtige Vitamine, Mineralstoffe und Nahrungsfasern. Pro Woche mindestens eine Portion Hülsenfrüchte, wie z. B. Linsen, Kichererbsen, Borlotti oder weisse Bohnen in den Menüplan einbeziehen. Hülsenfrüchte sind ausgezeichnete pflanzliche Eiweissbeilagen und sind besonders nährstoff- und nahrungsfaserreich.

Nüsse, Mandeln, Kerne, Samen
Nüsse, insbesondere Baumnüsse, sind wertvolle Fett-, Energie- und Vitaminquellen, und sollten täglich in kleinen Mengen genossen werden. Dasselbe gilt für Mandeln, Kerne und Samen.

Olivenöl, Rapsöl, Streichfett
Olivenöl und Rapsöl sind durch den hohen Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren sehr wertvolle und stabile Ölsorten. Zugleich sind sie verhältnissmässig reich an Vitamin E, welches mithilft, den Körper vor gesundheitsschädigenden Einflüssen zu schützen. Als Brotaufstrich empfehlen wir eine Margarine mit einem hohen Anteil Rapsöl oder Butter.

Käse, Joghurt, übrige Milchprodukte
Obwohl in den mediterranen Ländern eher wenig Milch eingenommen wird, ist der tägliche Einbezug von Milchprodukten wichtig, um den täglichen Kalziumbedarf einer erwachsenen Person von 1000 – 1500 mg decken zu können. Das Kalzium ist wichtig für den Aufbau und die Erhaltung der Knochensubstanz. Es ist somit ein wichtiger Faktor in der Vorbeugung von Osteo­porose. Aus diesem Grund ist es wichtig, pro Tag drei Portionen Milchprodukte zu sich zu nehmen (eine Portion entspricht z. B. 2 dl Milch, 150 – 200 g Joghurt, Quark, Hüttenkäse, 30 g Halbhart-/ Hartkäse, 60 g Weichkäse, 200 g Speisequark oder 200 g Hüttenkäse).

Fisch
Pro Woche 1 – 2 Fischgerichte als Ersatz für Fleisch einbeziehen. Eine Portion entspricht 100–120 g. Gewisse Fische wie z.B. Forelle, Lachs, Hering weisen einen hohen Anteil an wertvollen Fetten, insbesondere viele Omega-3-Fettsäuren auf, welche zur Vorbeugung von Arteriosklerose beitragen. Fischöl-Kapseln haben nicht die gleiche positive Wirkung wie regelmässiger Fischkonsum.

Fleisch, Geflügel
In der traditionellen mediterranen Küche werden üblicherweise wenig Fleisch und kaum Wurstwaren gegessen. Wir empfehlen, zwei bis drei fleischlose Tage einzubeziehen.

Wenig Wein zum Essen
Pro Tag maximal 1–2 dl Wein für Frauen, 2–3 dl für Männer zum Essen, falls keine Alkoholprobleme und Lebererkrankung bestehen. Wer bisher keinen Alkohol getrunken hat, sollte trotz möglicher Vorteile für Herz und Gefässe nicht damit beginnen. Alkohol steigert das «gute» HDL-Cholesterin. Vor allem Rotwein enthält zudem eine erhebliche Menge an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen (Poly­phenole), die zusammen mit dem Alkohol eine positive Wirkung auf den Körper, speziell die Blutgefässe, ausüben.

Schlussbetrachtungen: Du bist was du isst
Die mediterrane Kost ist eine gesunde Ernährung, die für jeden Menschen, auch für Diabetiker empfohlen werden kann. Die Empfehlungen entsprechen praktisch denjenigen für die Allgemeinbevölkerung. Die Umsetzung im Alltag wird durch die Ernährungspyramide (siehe Abbildung) veranschaulicht. Die mediterrane Küche ist bestens geeignet, gesetzte Behandlungsziele und ein Höchstmass an Lebensqualität zu erreichen. Trotzdem bleibt die Frage offen, ob nicht der mediterrane Lifestyle an sich bereits gut für die Gesundheit ist. Warum führen wir nicht die Siesta wieder ein und lassen die Alltagshektik hinter uns? Griechen, die täglich Siesta hielten, hatten nach einer Studie der Universität Athen etwa 30 % seltener Herzinfarkte.

Mediterrane Ernährung heute
In vielen neueren Studien sind die gesundheits-erhaltenden Vorzüge einer Ernährung nach dem mediterranen Vorbild bestätigt worden: Die Gesamtsterblichkeit sinkt. Die Zahl von Herz-Kreislauf-Erkrankungen inkl. koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt ist geringer. Zahlreiche Krebserkrankungen kommen seltener vor, z. B. Dickdarm-, Leber- und Pankreaskrebs. Demenzen bzw. der Parkinson-Krankheit kann bis zu einem gewissen Grad vorgebeugt werden. Hoher Blutdruck tritt seltener auf. Gewicht und BMI können günstig beeinflusst werden. Entsprechend erstaunt es nicht, dass unter einer mediterranen Ernährung auch der Typ-2-Diabetes verzögert auftritt. Bei bereits bekanntem Diabetes verbessert sich die Stoffwechselkontrolle. Die chronische Entzündung, die Übergewicht und Diabetes oft begleitet, ist weniger ausgeprägt. Interessanterweise sind alle diese positiven Aspekte auf die Gesundheit nicht begleitet von einer Senkung des LDL, des «schlechten» Cholesterins. Auch das Cholesterin ist eben nur ein Stein im komplexen Gesundheits-Mosaik. Es macht keinen Sinn, die täglich konsumierte Cholesterinmenge zu berechnen beziehungsweise zu beschränken.
Der Ausdruck «mediterrane Diät» sollte konsequent vermieden werden. Im Gegensatz zum englischsprachigen Raum, fassen wir das Wort Diät im Deutschen heute enger. Es wird gebraucht für Kostformen, die zur Gewichtsregulierung oder zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden. Die mediterrane Ernährung (siehe auch «Neues aus der Forschung: Kostformen im Vergleich: Mittelmeer-Diät schneidet bei Diabetes am besten ab» aus «d-journal» 254/2018) ist aber wie die nordische Ernährung oder die in den USA oft praktizierte DASH-Diet (Dietary Approaches to Stopp Hypertension) eine alltägliche, gesunde und lustvolle Ernährungsweise, welche nicht mit Listen verbotener Esswaren vermittelt wird.
Von herausragender Bedeutung ist der hohe Gehalt von Antioxidantien in der mediterranen Ernährung. Diese bieten einen wirkungsvollen Schutz gegen oxidative Schäden durch sogenannte freie Radikale, die bei zahlreichen Stoffwechselvorgängen gebildet werden und an den Alterungsprozessen des Organismus und bei der Entstehung der Atherosklerose (Gefässverkalkung) mitbeteiligt sind.
Mediterrane Ernährung ist nicht gleichzusetzen mit (nord-)italienischer Küche. Sie beinhaltet nicht grössere Mengen/Anteile an Pizza und Pasta, insbesondere nicht an Fertigpizza. Die verwendeten Lebensmittel sollen möglichst frisch und – wo nötig – schonend zubereitet sein.
Kaum jemand bezweifelt heute noch, dass Vitamine, Mineralstoffe, Nahrungsfasern, sekundäre Pflanzenstoffe und die Qualität der Fette eine sehr grosse Rolle spielen bei der Erhaltung der Gesundheit. Faszinierenderweise wirken zahlreiche dieser Stoffe aber nur in natürlicher Form positiv. In Form von Tabletten etc. zur Nahrungsergänzung (Nahrungs-Supplementierung) sind z. B. Vitamin A, C, E, Karotinoide und Omega-3-Fettsäuren gesundheitlich wertlos, sofern nicht ein ausgesprochener Mangel vorliegt!
Olivenöl ist eine der wichtigsten Komponenten der mediterranen Ernährung. Es hat einen hohen Anteil an einfach-ungesättigten Fettsäuren und an Vitamin E. Als gute Alternative bietet sich das alpha-linolenreiche Rapsöl an. Nach heutigem Wissensstand ist die Gesamtmenge des konsumierten Fetts nicht entscheidend. Allein die – hauptsächlich pflanzliche – Fettqualität ist gesundheitlich bedeutsam.
In schon bald «lästiger Regelmässigkeit» erscheinen Studien zum gesundheitlichen Aspekt regelmässigen Alkoholkonsums, deren Resultate sich widersprechen. Das Fazit, das man – vorsichtig – daraus ziehen darf, ist wohl: «Ein Gläschen in Ehren» darf weiterhin bedenkenlos empfohlen werden, insbesondere zusammen mit dem mediterranen Lebensstil. Menschen, die keinen/kaum Alkohol trinken, aus gesundheitlichen Gründen dazu zu ermuntern, ist allerdings nicht gerechtfertigt.
Der positive Aspekt des regelmässigen Konsums kleiner Mengen von Nüssen, Mandeln, Kernen und Samen wurde in den letzten Jahren vielfach gezeigt und bestätigt.

Der ursprüngliche Artikel erschien im «d-journal» 181, 2006, Seiten 6 bis 9 und wurde verfasst von: Dr. med. Reinhard Imoberdorf, Medizinische Klinik Kantonsspital Winterthur, 8401 Winterthur

AutorIn: Dr. med. R. Imoberdorf und Dr. med. K. Scheidegger