Verschiedene Essigsorten

… ist eine uralte Speisewürze; eigentlich das Resultat eines eher unerfreulichen Missgeschicks, das wahrscheinlich im Alten Ägypten vor mehr als 5000 Jahren passierte. Wein kannten die Ägypter schon in ihrer Frühzeit; und irgendeinmal liess ein Mundschenk im Niltal den Wein zu lange offen stehen. Da wurde in dem warmen Klima sehr schnell «saurer Wein» daraus, «vinaigre», wie die Franzosen sagen.

Heutzutage wird Essig natürlich nicht mehr einfach durch zu langes Stehenlassen von Wein hergestellt, sondern mithilfe von Essigbakterien, die unter Lufteinfluss den Alkohol zu Essigsäure vergären. Der so produzierte Essig wird filtriert, einige Wochen gelagert und vor dem Abfüllen mit Wasser auf den gewünschten Essigsäuregehalt verdünnt.
Essig lässt sich ausgezeichnet aromatisieren. Es gibt eine grosse Auswahl von sehr mildem bis ganz scharfem Essig: Weisswein-, Rotwein-, Kräuter-, Apfel-, Birnen-, Aprikosen-, Himbeer-, Weichsel-, Rosen-, Veilchen-, Honig-, Ingwer-, Meerrettich-, Mirabellen-, Quitten-, Zwetschgen-Essig – für jede Vorliebe den richtigen. Und etliche von den eher extravaganten Essigen sind auch in kleinen Quantitäten erhältlich. Der kostbarste Essig ist der echte Aceto balsamico, der während Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten unter den Dächern mittelalterlicher Palazzi von Modena reift. Aber es gibt auch preisgünstigen, wohl nicht ganz so exquisiten, industriell hergestellten Aceto balsamico. Auf jeden Fall kann jede und jeder das Essig-Aroma wählen, das ihm gefällt: für Salate, Marinaden, ­Essigfrüchte, Beizen, eingelegte Gemüse. Die ­neuen Rezepte mit Essig von Brigitte Aeberhard siehe Seiten 24 und 25.
Essig wirkt desinfizierend und verhindert das Wachstum von Mikroorganismen. Er ist verdauungsfördernd; im Mittelalter galt er auch als schmerzstillend. Dieses Heft erscheint in der Passionszeit, kurz vor Ostern. Deshalb möchte ich an Johannes 19, 28 – 30 erinnern: Als Jesus am Kreuz sprach «Mich dürstet», wurde ein Schwamm mit Essig gefüllt, um einen Ysop gelegt und dem Gekreuzigten zum Munde gehalten. Und als Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: «Es ist vollbracht», neigte das Haupt und verschied.

AutorIn: Myrtha Frick