Arzt mit Stetoskop

Nachdem wir in vergangenen Ausgaben die Berufsbilder Diabetesberatung (Nr. 255), Ernährungsberatung (Nr. 256) und Fusspflege (Nr. 257) vorgestellt haben, sind nun die Ärzte an der Reihe.

Als Diabetes-Betroffener waren Sie voraussichtlich bereits einmal zur Beurteilung bei einem Diabetes-Spezialisten oder sind in regelmässiger Behandlung bei einem Arzt mit der Fachrichtung Diabetologie. Doch was bedeutet die Bezeichnung «Diabetologe» und welche Voraussetzungen bedingen den Erhalt dieses Facharzttitels? Haben Sie bereits über die Bedeutung des Begriffs «Facharzt FMH für Endokrinologie und Diabetologie» gerätselt?

Wie in einem Kriminalroman
Auch wenn sich Diabetologen nicht selten wie Ermittler auf der Suche nach einem Übeltäter fühlen, wird ihr Fachgebiet nicht als «Endo-Kriminologie» bezeichnet. Die «Lehre der Hormone» heisst im Fachjargon Endokrinologie, was manchmal zu lustigen Wortspielen verleitet, dem griechischen Ursprung nach aber etwa «Sekretion nach innen» bedeutet. Passend hierzu die deutsche Bezeichnung der «Hormondrüsen», wie z. B. die Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse, Hirnanhangsdrüse, Geschlechtsorgane oder Nebennieren. Vereinfacht stellen Hormone im Körper Botenstoffe dar, welche durch die genannten Organe ins Blut sezerniert werden und an eigene Bindungsstellen, sogenannte Rezeptoren, andocken. Ganz nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip bindet ein Hormon gezielt an seinen Rezeptor und löst spezifische Vorgänge im Körper aus. Somit wird klar, dass Diabetes und die Lehre der Hormone zusammengehören, ist doch Insulin das Blutzucker senkende Hormon unseres Körpers. Entsprechend ist jeder Diabetes-Spezialist zwangsläufig auch ein Hormon-Experte, und so wird in der Schweiz ein gemeinsamer Facharzttitel «Endokrinologie und Diabetologie» geführt. Eingegangen wird hier nur auf den sogenannten klinischen Weg des Diabetologen, wobei auch eine Forscherlaufbahn möglich ist.

45 Facharzttitel, 200 Diabetologen
Auf dem Weg zum Facharzt sind generell drei Etappen zu bewältigen: Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung. Nach Abschluss des Medizinstudiums (Ausbildung) kann man sich in der Schweiz für den Erwerb eines der 45 Facharzttitel entscheiden und so die entsprechende Weiterbildung in Angriff nehmen. Hierbei muss man sich bei einer anerkannten Weiterbildungsstätte (in der Regel ein Spital) bewerben, in der Hoffnung, eine Ausbildungsstelle im angestrebten Fachgebiet zu erhalten. In der Schweiz arbeiten zurzeit rund 200 Diabetes-Fachärzte.

Auf dem Weg
Der Facharzttitel in Endokrinologie und Diabetologie entspricht einer Spezialisierung auf dem breiten Gebiet der Inneren Medizin. Die meisten Diabetes-Spezialisten haben zuvor bereits auch den Facharzttitel in Allgemeiner Inneren Medizin erworben. Nach dem 6jährigen Medizinstudium mussten hierfür fünf Jahre als Arzt auf einer Inneren Medizin gearbeitet worden sowie die spezifische Facharztprüfung bestanden sein. Danach wird ein sogenannter Doppel-Facharzt (Allgemeine Innere Medizin und Diabetologie/Endokrinologie) angestrebt. Mittlerweile ist aber auch ein kürzerer Weg möglich, d. h. nach drei Jahren auf der Inneren Medizin bereits der Wechsel in die Weiterbildung zum Diabetologen. In diesem Fall wird dann aber «nur» ein Facharzttitel, und zwar jener für Endokrinologie und Diabetologie, erreicht. In der nebenstehenden Grafik ist der Weg zum Facharzt vereinfacht dargestellt.
Lassen Sie sich nicht vom Begriff des «Assistenzarztes» in die Irre führen und entwickeln Sie keine Bedenken, falls Sie als Patient einem solchen gegenüber sitzen. Alle Assistenzärzte haben mindes­tens das Medizinstudium, d. h. ihre Ausbildung, bereits erfolgreich abgeschlossen und stehen nun in der Weiterbildung zum Facharzt. Somit haben Sie es stets mit «fertigen» Ärzten zu tun und nicht mit «Hilfskräften».

Weiterbildung zum Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie
Die Weiterbildung zum Facharzt für Diabetes dauert in jedem Fall zusätzliche drei Jahre und bedingt eine Arbeitstätigkeit (in der Regel als Assistenzarzt) auf einer Abteilung für Endokrinologie oder zeitweise in einer entsprechenden Praxis. Mindestens zwei Jahre müssen aber an einem Universitätsspital oder Zentrumsspital absolviert werden. Mit einer bestandenen schriftlichen und mündlichen Prüfung wird die Weiterbildung schliesslich abgeschlossen. Zuvor sind ausserdem mindestens zwei wissenschaftlichen Arbeiten in einer Fachzeitschrift zu verfassen und mehrere Kongresse besucht sein, bevor man sich «Facharzt FMH für Endokrinologie und Diabetologie» nennen darf.
An dieser Stelle gilt es, die drei Buchstaben FMH zu erklären: diese stehen als lateinische Abkürzung für «Foederatio Medicorum Helveticorum», übersetzt als «Vereinigung der Schweizer Ärzte». Hierbei haben wir es mit dem Berufsverband der Ärzte zu tun, aktuell sind rund 40 000 FMH-Mitglieder registriert. Der Erwerb des Facharzttitels (FMH-­Titels) erlaubt dann die Berufsausübung als Spezialist in einer eigenen Praxis. Als Alternative besteht die Möglichkeit der Beförderung zum Oberarzt, nach einigen Jahren eventuell sogar zum Leitenden Arzt oder gar zum Chefarzt, und so eine fortgeführte Arbeitstätigkeit an einem Spital.

Die tägliche Arbeit als Diabetes-Spezialist
Egal, ob in einer Praxis oder im Krankenhaus, als Facharzt beschäftigt man sich mit allen Typen des Diabetes mellitus. Gestützt auf das erworbene und gepflegte Fachwissen werden Therapie-Empfehlungen und -Anpassungen vorgenommen, der Betroffene oft über Jahre mit seiner Diabetes-Erkrankung und in der Gesamtheit begleitet. Manchmal reicht aber auch nur ein einziger Termin beim Spezialisten aus. Einige technische Errungenschaften, wie Sensormessungen oder Insulinpumpen, dürfen in der Schweiz nur von Diabetes-Spezialisten verordnet und überwacht werden. Auch eine enge Zusammenarbeit mit den Fachpersonen der Diabetesberatung, wie auch der Ernährungsberatung, ist unerlässlich. Daneben decken Diabetologen, die gleichzeitig, wie mehrmals bereits betont wurde, auch Endokrinologen sind, alle anderen Hormonkrankheiten ab.

Fortbildung
Nicht nur in unserem Fachgebiet läuft die Entwicklung unaufhörlich weiter. Neue Erkenntnisse sowie diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, kommen permanent dazu. Auch als Facharzt bildet man sich ständig weiter, liest Fachliteratur und tauscht sich mit Kollegen aus. Die kontinuierliche Fortbildung ist in der Schweiz für Ärzte sogar gesetzlich vorgeschrieben und bietet eine der Voraussetzungen für eine hohe Qualität. Daneben lernen wir Fachärzte tagtäglich im klinischen Alltag von und mit unseren Patienten und die Faszination für die Hormone bleibt zeitlebens bestehen.

Dr. med. Lea Slahor, FMH Endokrinologie/Diabetologie, FMH Innere Medizin