Nach 16 Jahren an der Spitze der Schweizerischen Diabetes­gesellschaft (SDG) übergab Doris Fischer-­Taeschler auf den 1. Januar 2018 das Amt der Geschäftsführerin an Christine Leimgruber.

Leimgruber ChristineFür die neue Geschäftsführerin der SDG bedeutete dieser Stellenantritt gleichzeitig eine Rückkehr in ihre Heimatstadt Baden, wo sie vor 54 Jahren geboren worden war. Ihre berufliche Karriere brachte in den vergangenen Jahren mehrere Wohnortwechsel mit sich. So lebte Christine Leimgruber nicht nur in mehreren Schweizer Städten, sondern auch im Ausland, zum Beispiel in New York. Für ihre neue Stelle hat sie viele Erfahrungen gesammelt und ist gut gerüstet.
«Ich freue mich auf die neuen und grossen Herausforderungen, die auf mich zukommen werden», versicherte Christine Leimgruber anlässlich des Interviews. «Die Funktion der SDG ist sehr wichtig. Von der Zuckerkrankheit sind in der Schweiz nämlich rund 500 000 Personen betroffen. Darunter hat es auch viele, die zurzeit noch gar nicht wissen, dass sie an Diabetes erkrankt sind. Diese Zahl nimmt noch immer zu. Deshalb steht die Zuckerkrankheit auf der Dringlichkeitsliste der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, ganz weit oben.» Trotzdem erfährt die Zuckerkrankheit auch in der Schweiz immer noch nicht in allen Belangen die nötige Beachtung. Die Diabetesbetroffenen müssen auch heute noch für das Durchsetzen ihrer Anliegen kämpfen. Dabei hilft ihnen die Diabetesgesellschaft. Christine Leimgruber betrachtet es als eine ihrer grössten Herausforderungen, dass die SDG hier noch mehr leisten kann.

Erfahrung im Führen von Non-Profit-Organisationen
Die SDG gehört zu den Nicht-Regierungsorganisationen (englisch abgekürzt NGOs), die sich nicht gewinnorientiert für die von ihnen vertretenen Interessen einsetzen. Die neue Geschäftsführerin hat sich das zur Leitung einer solchen Organisation nötige Rüstzeug in ihrem langen beruflichen Werdegang gründlich aneignen können, auch in anderen NGOs: Nach einem kurzen Abstecher in den Marketingbereich der Credit Suisse übernahm Christine Leimgruber mit 26 Jahren die Schweizer Leitung des AFS (American Field Service), einer heute 100jährigen Gesellschaft, die sich um den internationalen Jugendaustausch kümmert. Dank AFS durfte sie bereits in jungen Jahren als Schülerin ein Jahr bei einer Gastfamilie in den USA erleben.
Später wurde sie Repräsentantin von AFS in Europa. 2013 erfolgte die Berufung zum AFS-Hauptsitz nach New York. Hier war sie Hauptverantwortliche für alle Austauschprogramme weltweit und das Versicherungswesen. Diesen Posten hielt sie inne, bis sie im Herbst 2016 aus familiären Gründen in die Schweiz zurückkehrte.

Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising
In ihrer beruflichen Laufbahn erhielt sie auch Einblick in andere NGOs wie Greenpeace Schweiz, Helvetas, SOS-Kinderdörfer und Pro Audito Schweiz, einer Organisation für Hörbehinderte. Viele Gelegenheiten also, sich genauere Kenntnisse in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising (Mittelbeschaffung) anzueignen. «Zu Beginn werde ich meine Aufmerksamkeit auf das zurzeit dringendste Problem der SDG und ihrer Regional- und Kantonalgesellschaften richten, nämlich der sinkenden Mitgliederzahl», sagt Christine Leimgruber. «Der Mitgliederrückgang schwächt nicht nur das Auftreten der SDG, wenn es um die Interessenvertretung der Diabetesbetroffenen geht, sondern gefährdet durch das Ausbleiben von Mitgliederbeiträgen und Verkaufserlösen das finanzielle Überleben der kantonalen Gesellschaften und ihrer Aktivitäten zugunsten der Diabetiker/-innen.»

Die SDG und ihre Anliegen bekannter machen
«Wir müssen unsere Arbeit bei den Diabetesbetroffenen selbst (namentlich auch bei den Jungen) bekannter machen, deren Bedürfnisse und Anliegen der breiten Öffentlichkeit erklären sowie bei den verantwortlichen politischen Stellen mit noch mehr Nachdruck vertreten», so Christine Leimgruber. «Medien wie Internet, Facebook und Twitter sind extrem wichtige Kommunikationskanäle, die es dazu in erster Linie zu nutzen gilt. Damit sprechen wir auch die jüngere Generation direkter an, die sich durch traditionell organisierte Gesellschaften oft nicht mehr richtig vertreten fühlt und diese neuen und einfachen Kommunikationsmittel ständig nutzt. Es ist eines meiner Ziele, dass grundsätzlich jede Person mit einem neu festgestellten Diabetes rasch und unkompliziert die SDG und ihre Regionalgesellschaften als ihre Interessenvertreter kennenlernt. Hier wird unser Internetauftritt sehr wichtig sein.»

Öffentlichkeitsarbeit
Die bereits erwähnte breite Aufklärung in der Öffentlichkeit, die Christine Leimgruber noch intensivieren will, wird den Einsatz von allen an der SDG und ihren regionalen und kantonalen Gesellschaften Beteiligten erfordern. Aufgrund ihrer Tätigkeiten bei Helvetas und Pro Audito weiss sie, dass innovative Ideen nicht im stillen Kämmerlein der Geschäftsleitung geboren werden, sondern vor allem von den an der Basis Arbeitenden kommen, die mit den Anliegen der Diabetesbetroffenen täglich konfrontiert werden und bestens vertraut sind.
«Unsere besten Werbekampagnen gelangen uns jeweils nach informellen Treffen mit unseren Mitgliedern», erklärt die neue Geschäftsführerin. «So hat zum Beispiel Pro Audito an Wanderwegen Plakate aufgestellt, auf denen den Leuten Fragen gestellt wurden wie: Hören sie das Gezwitscher der Vögel… oder das Rauschen des Baches? Auf diese Art und Weise wurden die Passanten sehr subtil auf eine beginnende Gehörschwäche aufmerksam gemacht. Natürlich waren die Plakate mit dem Logo der regionalen Gesellschaft, ihrer Telefonnummer und der Internetadresse versehen.»
«Solche Kampagnen entsprechen ganz meinem Stil», betont Christine Leimgruber und erzählt auch vom Vorgehen von Helvetas, als es ums Fundraising zur Aktion ‚Ohne Wasser kein Leben‘ ging: «Dazu haben wir zehn Brunnen in verschiedenen Schweizer Städten für einige Tage wie Geschenkpakete eingepackt. Das Auspacken ein paar Tage später wurde als Event gross angekündigt. Das anwesende Publikum zeigte sich interessiert und fand die Aktion auch spannend. Vielen wurde erst so bewusst, dass Wasser eigentlich ein Geschenk ist und für uns alle lebenswichtig.»
Bei der Suche von Einzelspendern und Sponsoren wird sich Christine Leimgruber auf ihre Erfahrung bei SOS-Kinderdörfer stützen können. Mit ihrem Team konnte sie das gesetzte Ziel von 20-25 Millionen Franken pro Jahr erreichen!

Kurzum
Eines ist sicher: Christine Leimgruber ist bereit, die Ärmel hochzukrempeln und in die Arbeit zu knien, wenn es um die Anliegen der vielen Diabetiker/-innen in unserem Land geht. Sie ist vertraut mit den Problemen der Betroffenen, ihren finanziellen Sorgen und Nöten (der Diabetes kann Leute mit tiefem Einkommen in arge Bedrängnis bringen) und der für eine erfolgreiche Interessenvertretung erforderlichen Öffentlichkeitsarbeit. Der Einsatz zugunsten von Diabetesbetroffenen heisst für sie aber auch, aktiv zu sein für die Diabetiker/-innen aller Generationen, mit den jeweils altersspezifischen Anliegen und Bedürfnissen.
Christine Leimgruber freut sich auf die Zusammenarbeit und den Kontakt mit den regionalen und kantonalen Gesellschaften und deren Mitgliedern und auf die Aufgaben, die noch auf sie zukommen werden. Ihr Motto: «Was dringlich ist, darf nicht warten.»

Das Gespräch mit Christine Leimgruber führte Pierre Meyer, Chefredaktor «d-journal romand»
Der Text wurde von Dr. med. Alexander Spillmann übersetzt und fürs Deutsche bearbeitet