Insulininjektion

5 Fehler können bei der Technik der Insulininjektion zu einem Wirkungsverlust des Insulins führen:

1. Entstehen von tastbaren oder gar sichtbaren Pöls­terchen (Lipodystrophien) in der Haut durch kleine (unnötige) Verletzungen, weil immer der gleiche Injektionsort verwendet wird oder
2. weil die Nadel mehrmals verwendet wird, was die Nadelspitze abstumpft. Dies führt dazu, dass Insulin teilweise liegen bleibt oder zu rasch durch Narbenvenen aufgenommen wird.
3. Zu frühes Herausziehen der Nadel aus der Haut, weil dann noch Insulintropfen in der Nadel verbleiben.
4. Die Anwendung der Hautfaltentechnik, da sie kaum auf die Nadellänge abstimmbar ist und man die Falte oft zu früh loslässt.
5. Dies kann, ebenso wie eine zu lange Nadel, zu versehentlicher intramuskulärer Injektion führen. Dies ist manchmal bemerkbar an stärkerem Schmerz oder einer kleinen Blutung. Die Folge ist, dass Insulin im gut durchbluteten Muskelgewebe schneller aufgenommen wird und kürzer wirkt als es sollte.

29-jähriger Mann, der erklärte, dass er in die ­«Lipos» spritzte, weil es hier weniger weh tat. Als ­Rechts­händer injizierte er links ins Abdomen.

Man weiss heute, dass der ideale Wirkort des Insulins bei allen Menschen unmittelbar unter der Haut liegt. Die Hautdicke, welche die Nadel durchdringen muss, ist konstant nur 1,6 – 2,5 mm dick, dies unabhängig davon, wie schlank der Mensch ist.
Die Muskulatur wird erreicht nach Durchdringen der individuell sehr unterschiedlich dicken Unterhaut, was bei Schlanken, in hohem Alter oder am Oberschenkel bzw. Unterarm mit Nadeln, die länger als 4 mm sind, oft passiert.
Zur Überprüfung des Effekts der Insulin-Injek­tionstechnik wurde in Norditalien bei 346 Menschen mit Diabetes im Alter von 11 bis 85 Jahren, die sich durchschnittlich 3,7-Mal pro Tag Insulin spritzten, eine Studie (Grassi et al., Journal of Clin. Endocrinol. 2014, Vol 1: 145-150) durchgeführt. Gemäss einem Fragebogen hatten zu Studienbeginn 48 % der Probanden Lipo­dystrophien. Dies ist in der Schweiz wohl ähnlich. 38 % zogen die Nadel bereits nach weniger als 5 Sekunden aus der Haut. 16 % verwendeten die Nadel häufiger als einmal. 35 % spritzten mit der Hautfalten-Methode und 67 % hatten Nadeln, die länger als 5 mm waren.
Alle Patienten wurden individuell in der korrekten Injektionstechnik geschult. Sie spritzten in der Folge nur noch mit 4 mm langen Nadeln. Noch 14 % verwendeten die Nadeln häufiger als einmal. 6 % liessen die Nadel weiterhin weniger als 5 Sekunden unter der Haut.
Diese Studie hat zwar gewisse Schwachpunkte. Nur 75 % der Teilnehmer beendeten sie. Auch fehlte eine Vergleichsgruppe, welche nicht geschult wurde. Dennoch belegen die Resultate die Wichtigkeit der Schulung einer korrekten Insulin-Injektionstechnik. Drei Monate nach der Schulung ging der Insulinbedarf um durchschnittlich 2 Einheiten zurück. Das HbA1c verbesserte sich um 0,58 %, der Nüchtern-Blutzucker um 0,78 mmol/l. Die Patienten empfanden im Allgemeinen etwas weniger Schmerzen bei der Injektion. Die Zufriedenheit war leicht grösser.
Es sollte vermehrt Zeit und Energie in die individuelle Schulung der Injektionstechnik des Insulins investiert werden. Dies allein schon kann die Diabetes­einstellung verbessern.

Anmerkung der Redaktion:

Die Empfindlichkeit des Unterhaut-Fettgewebes auf die wiederholten kleinen Verletzungen durch die Insulininjektionen ist von Mensch zu Mensch extrem unterschiedlich. Zahlreiche Diabetesbetroffene haben im Verlaufe der Zeit erkannt, dass die Aufnahme des Insulins bei ihnen kaum schwankt, auch wenn sie sich nicht immer genau an die erwähnten Regeln halten. In Absprache mit Dr. Villiger gilt bei diesen die Empfehlung, die Nadel nach jedem Stich zu wechseln nur bedingt. Bei fehlendem Injektions-Schmerz dürfen sie die Nadel durchaus wieder verwenden.
Bei älteren, übergewichtigen Menschen mit unruhiger Hand (Alterszittern) hat eine kurze Injektionsnadel keine Vorteile. Sie dürfen bedenkenlos bei einer etwas längeren, z. B. 8 mm langen Nadel bleiben.
Dass ausnahmslos alle Betroffenen den Spritzort immer wieder wechseln müssen, steht ausserhalb jeder Diskussion.

AutorIn: Dr. med. Lukas Villiger