Softdrinks orange, grün, rot

Gehört: «Ich muss zukünftig wohl ganz auf künstlich gesüsste Getränke verzichten», berichtet die 52-jährige Frau S., Typ-2-Diabetikerin seit knapp zwei Jahren. «Ich habe nämlich gelesen, dass künstliche Süssstoffe Appetit auslösen können. Und das brauche ich nun wirklich nicht».

Geantwortet: Tatsächlich ist in den 80er-Jahren eine Studie gemacht worden, bei der die Probanden nach Trinken einer künstlich gesüssten Flüssigkeit über grösseren Appetit berichteten als nach Trinken von reinem Wasser. Diese Beobachtung konnte in späteren Untersuchungen allerdings nicht bestätigt werden. Weil die Einnahme von Zuckerersatzstoffen weder den Blutzuckerspiegel noch die Insulinkonzentration im Blut bedeutsam verändert, wäre es auch schwierig, eine Erklärung zu finden für einen appetitanregenden Effekt. Es wurde pos­tuliert, dass der süsse Geschmack das Gehirn direkt ungünstig beeinflussen könnte. Bei dieser Vermutung ist es allerdings geblieben. Es konnte nie etwas Konkretes nachgewiesen werden.
Eine kürzlich in den USA durchgeführte neue Studie mit mehreren Hundert Probanden fand ebenfalls keine vermehrte Lust auf Süssigkeiten nach Einnahme von künstlichen Süssstoffen. Die Vermutung, die «geballte Ladung» an süssem Geschmack könnte das Geschmacksempfinden sozusagen überschwemmen, bestätigte sich nicht.
Etwas verunsichert hat 2013 eine Studie aus Frankreich. Über 66 000 Frauen wurden in Frankreich während mehrerer Jahre beobachtet. Hauptziel war zu untersuchen, ob zwischen der Ernährung und dem Auftreten von Krebserkrankungen ein Zusammenhang bestehen könnte. Sozusagen als Nebenbefund wurde festgestellt, dass Frauen, welche künstlich gesüsste Getränke zu sich nahmen, ebenso häufig einen Diabetes entwickelten wie Frauen, die gezuckertes Soda tranken. Es bestand also kein schützender Effekt durch die geringere Konsumation von raffiniertem Zucker. Die Wertigkeit dieser Beobachtung ist noch unklar.
Für eine abschliessende Beurteilung der Frage, ob Zuckerersatzstoffe sich negativ auf Hunger und Gewicht auswirken könnten, ist es wohl noch etwas zu früh. Die Indizien, dass künstliche Süssstoffe ohne «Bestrafung» durch erhöhten Appetit in den Ernährungsplan eines Typ-2-Diabetikers eingebaut werden können bzw. dürfen, mehren sich aber. Selbstverständlich könnte man auf Zuckerersatzstoffe grundsätzlich verzichten. Auch ist kaum davon auszugehen, dass diese gesundheitlich günstige Einflüsse haben könnten. Der Konsum von Süssstoffen ist zudem kein Garant für eine Gewichtsabnahme. Insbesondere künstlich gesüsste Getränke können aber durchaus mithelfen, etwas Abwechslung in den eher «geschmacklosen» (Mineral-)Wasser-Alltag zu bringen. Bei gewissen Lebensmitteln lassen sich auch ein paar Kalorien sparen.

AutorIn: Dr. med. K. Scheidegger