Unter dem Begriff «Maculaödem» versteht man die durch Flüssigkeitsansammlung verursachte Schwellung der Augennetzhaut im Bereich der Macula (des «gelben Flecks»), wo die Sehschärfe am stärksten ist. Das diabetische Maculaödem, abgekürzt DMÖ, ist die Hauptursache für eine Sehbehinderung bei Diabetikern.

Bei ungefähr 20 % der Typ-1- und etwa 30 % der behandelten Typ-2-Diabetiker entwickelt sich nach etwa 15 Jahren Diabetesdauer ein Maculaödem. Dieses kann sich beim Betroffenen durch ein verzogenes und unscharfes Abbild der Umwelt mit fleckförmigen Aussparungen (sogenannten Skotomen) und in einer Abnahme der Lesefähigkeit und der Gesichtserkennung erkennbar machen.
Das Risiko, dass sich ein DMÖ entwickelt, ist grösser, wenn gleichzeitig ein Bluthockdruck oder eine Herz-Kreislauferkrankung vorliegen, der Diabetes lange Zeit schlecht eingestellt war oder bereits eine fortgeschrittene diabetesbedingte Retinopathie vorliegt.

Diabetische Retinopathie

Die diabetische Retinopathie, die häufigste mikrovaskuläre Komplikation bei Diabetikern, betrifft etwa 25 – 30 % der Diabetiker und 60 % der Typ-2-Diabetiker mit mehr als zehnjährigem Krankheitsverlauf. Das Maculaödem ist die schwerste Ausprägung der diabetischen Retinopathie, die eine Spätfolge chronisch erhöhter Blutzuckerwerte ist.
Die Zellen der Netzhaut und die Gefässe der Netzhaut werden durch den erhöhten Blutzucker geschädigt. Dies führt zu Verengungen und Verschlüssen der kleinen Gefässe, einer Entzündung und zu sogenanntem oxidativem Stress. Es entsteht ein Sauerstoffmangel in der Netzhaut und die kleinen Gefässe verzweigen sich, sprossen aus und verlieren ihre Dichtheit, was im Fall der DMÖ zu einer Flüssigkeitsansammlung in der Macula, zum Maculaödem, führt. Eine strikte Kontrolle des Blutzuckers vermindert entscheidend das Entstehen einer diabetischen Retinopathie.
Die diabetische Retinopathie ist eine schleichende Erkrankung, die oft bis zum schweren Stadium unbemerkt verläuft. Ohne Behandlung führt die Retinopathie zur vollständigen Erblindung. Diese Fälle sind dank einer Verbesserung der Blutzuckereinstellung, der Früherkennung und besserer Behandlungsmöglichkeiten sehr selten geworden.

Die wichtigsten Untersuchungsmethoden für das diabetische Maculaödem sind die optische Kohärenz-Tomographie und die Darstellung der Blutgefässe der Netzhaut mit Fluorescein.
Mit diesen Techniken können der Schwergrad des DMÖ ermittelt und die optimale Therapie festgelegt werden. Letztere zielt vor allem auf den Zentralbereich der Macula (der sogenannten Fovea), weil hier der Schaden durch das DMÖ am gravierendsten ist.
Zurzeit gibt es neue innovative Therapieverfahren zur Behandlung des DMÖ, die aus der Biotechnologie entwickelt worden sind. Diese Therapien ersetzen aber die bekannte Laserbehandlung nicht durchbluteter Zonen der Netzhaut nicht.

1. Therapie mit anti-VEGF
Es sind keine 15 Jahre vergangen, seit der Zusammenhang zwischen erhöhtem Spiegel an VEGF («vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor») im Glaskörper und der Entstehung der schweren dia­betischen Retinopathie erkannt wurde und nun Antikörper gegen VEGF als Heilmittel zur Behandlung des DMÖ zur Verfügung stehen.
Ranibizumab (Lucentis®, Firma Novartis, Basel) ist als anti-VEGF in der Schweiz zugelassen. Es konnte in grossen internationalen Untersuchungen mit verschiedenen Dosierungen über ein und zwei Jahre nachgewiesen werden, dass eine Behandlung mit Lucentis®, was die Sehkraft anbelangt, allein oder in Kombination mit Lasertherapie der alleinigen Laserbehandlung überlegen ist. Ranibizumab muss einmal monatlich mit einer Spritze ins Auge verabreicht werden.
Andere Studien haben die Wirkung von Aflibercept (Eylea®, Firma Bayer Pharma, Berlin D), eines Antikörpers gegen VEGF und PLGF («plazentarer Wachstumsfaktor») auf das DMÖ untersucht. Im Vergleich mit der Laserphotokoagulation hat Eylea® eine deutlich bessere Wirkung auf die Sehkraft. ­Aflibercept muss zudem nur alle zwei Monate gespritzt werden. Dies ist für die Patienten angenehmer, und erlaubt auch, ohne vermehrten Zeitaufwand eine grössere Zahl an Patienten zu ­behandeln.
Obwohl diese Substanzen die Therapie des Maculaödems revolutioniert haben, ist der Gewinn an Sehkraft insgesamt bescheiden und die Lebensqualität der Patienten wird nicht spürbar verbessert. Hingegen kann das Fortschreiten der DMÖ gebremst werden. Letztendlich sprechen nur etwa 30 – 40 % der Patienten teilweise auf die Behandlung an, wahrscheinlich, weil die Therapie mit anti-VEGF oft erst in einem Stadium aufgenommen wird, bei dem die Schäden am Auge bereits irreversibel sind.
In Anbetracht eines erhöhten Risikos für Herzkreislauferkrankungen unter anti-VEGF sollten diese Behandlungen nicht durchgeführt werden, wenn erst wenige Monate zuvor solche Erkrankungen akut aufgetreten sind (drei bis sechs Monate). Der Entscheid zur Behandlung muss in Rücksprache mit dem Hausarzt oder einem Kardiologen ­getroffen werden.

2. Lokalbehandlungen mit Glucocorticoiden
Die sogenannten Glucocorticoide, zu denen auch Cortison gehört, haben eine entzündungshemmende und ödemrückbildende Wirkung und sind deshalb zur Behandlung des diabetischen Macula­ödems sehr geeignet. Zurzeit gibt es verschiedene, in mehreren Ländern bereits zugelassene neue Therapiesysteme, die diese Wirksubstanzen kontrolliert und verzögert im Auge freisetzen.
Ein erstes Beispiel dafür ist Ozurdex® der Firma Allergan Inc. (California, USA). Es ist ein biologisch abbaubares Glaskörperimplantat, das 700 Mikrogramm Dexamethason enthält und dieses über drei bis sechs Monate langsam ans Auge abgibt. Ozurdex® wird mit einer normalen Spritze unter Augentropfenanästhesie dem Auge zugeführt. Das Implantat löst sich von selbst auf, wenn es nach Gebrauch leer ist, es muss also nicht wieder von aussen her entfernt werden. Ozurdex® ist schon seit längerem in der Schweiz zugelassen zur Behandlung von Entzündungskrankheiten und venösen Verschlüssen im Bereich der Netzhaut, jedoch erst seit kurzem auch zur Behandlung des Maculaödems. Untersuchungen haben gezeigt, dass mit Ozurdex® bei rund 22 % der Patienten eine Sehkraftverbesserung erreicht werden kann. Die Behandlung erfordert weniger häufiges Spritzen als die anti-VEGF-Therapie.
Iluvien® der Firma Alimera Sciences (Georgia, USA) ist ein Mikroimplantat, das ebenfalls ins Auge injiziert wird, aber nicht biologisch abbaubar ist. Es wird langsam über mehr als drei Jahre Fluocinolonacetonid freigesetzt. Zurzeit ist Iluvien® in den USA und der EU (aber noch nicht in der Schweiz) zur Behandlung des Maculaödems zugelassen, sofern dieses seit mehr als drei Jahre besteht. Diese Behandlung kommt dann zum Zuge, wenn andere Therapien eine ungenügende Wirkung gezeigt haben.
Verschiedene Studien haben auch die Wirksamkeit von Triamcinolonacetonid gezeigt. Dieses Medikament wird zurzeit bei rheumatischen Krankheiten eingesetzt. Wenn es mittels Spritzen in den Augenglaskörper von Patienten mit DMÖ zugeführt wird, hat es einen günstigen Effekt auf das Maculaödem. Dieses Medikament ist aber für diese Indikation nicht zugelassen und birgt verschiedene toxische, nicht vernachlässigbare Risiken.
Allgemein verursachen Glucocorticoide bei rund 30 % der Patienten eine Erhöhung des Augendrucks und bei 40 – 80 % einen grauen Star (Katarakt). Allerdings entwickeln auch ohne Behandlung mit Glucocorticoiden rund 60 % der Patienten in der gleichen Zeitspanne eine Katarakt. Der erhöhte Augendruck kann in der Regel ohne Probleme behandelt werden, allerdings ist bei fünf bis zehn Prozent ein augenchirurgischer Eingriff nötig. Direkt ins Auge gegeben, haben Glucocorticoide keine weiteren Nebenwirkungen, insbesondere keinen erhöhten arteriellen Blutdruck oder Blutzucker.
Bei der Wahl der Behandlung des DMÖ müssen die Therapienebenwirkungen, das Kataraktrisiko, ein bereits bestehendes Glaukom (grüner Star) und die Wünsche der Patienten berücksichtigt werden. Insbesondere vermindern Implantate die Zahl der Arztvisiten und der Augenspritzen.

Empfohlene augenärztliche Untersuchungen bei Diabetes

Typ-1-Diabetes
Einmalig im Verlaufe der ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung.
Anschliessend jährlich bzw. je nach Befund alle zwei Jahre.

Typ-2-Diabetes
Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung.
Anschliessend jährlich bzw. je nach Befund alle zwei Jahre.

Schwangerschaft
Bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes bei geplanter Schwangerschaft oder im ersten Trimenon.
Anschliessend, je nach Befund, gemäss Vorschlagdes Augenarztes.

Schlussfolgerung
Die Behandlung des DMÖ bedarf der Zusammenarbeit zwischen dem Patienten, dem Hausarzt, den Spezialisten und dem Augenarzt. Nur so kann es zu einem Therapieerfolg kommen. Am wichtigsten ist aber die Früherkennung der diabetischen Augenveränderungen durch regelmässige Kontrollen beim Augenarzt, entsprechend den internationalen Empfehlungen.

Prof. Francine Behar-Cohen, Service d’ophtalmologie de l’Université de Lausanne, Hôpital Ophtalmique Jules Gonin, Lausanne

Übersetzt und adaptiert von Dr. med. A. Spillmann aus dem d-journal romand 4/15

AutorIn: Prof. Francine Behar-Cohen