Frau erhält Impfung

Im «d-journal» 254/2018 haben wir Sie über neue Medikamente informiert, welche die Behandlung des Diabetes mellitus schon bald beeinflussen könnten. Es war die Rede von Semaglutid, dem ersten GLP-1-Analogon, das nicht mehr gespritzt werden muss, sondern als Tablette eingenommen werden kann. Die Oxyntomoduline (Google-Stichwort: OPK-88003), natürliche Darmhormone, wurden vorgestellt. Insulin in Tablettenform (ORMD-0801) wurde erwähnt. ­Der vierte im Bunde war ein Implantat von Exenatid (ITCA-650), dem ältesten bekannten GLP-1-Analogon.

Heute dürfen wir über ein neues Medikament berichten, das zwei Darmhormone, das uns bereits bekannte GLP-1 und dazu GIP kombiniert. GIP (= Glukose-abhängiges Insulinotropes Polypeptid) stimuliert, wie es der Name sagt, die Insulinsekretion, wenn Glukose aus dem Darm aufgenommen wird. Dadurch wird die Wirkung von GLP-1 ausgezeichnet ergänzt. Sie erinnern sich: Neben der Stimulation der Insulinausschüttung unterdrückt GLP-1 das Glukagon, ein Gegenspielerhormon des Insulins, nach dem Essen und bremst die Zuckerneubildung in der Leber. Zudem steigert GLP-1 das Sättigungsgefühl und verzögert die Magenentleerung.

Kombination von zwei Darmhormonen: GLP-1 und GIP
Das neue Medikament, das aktuell ebenfalls erst einen «Forschungs-Namen» trägt – LY3298176 – sollte also noch etwas besser wirken als die GLP-1-Analoga, die wir ja schon seit mehreren Jahren zur Behandlung des Typ-2-Diabetes einsetzen können.
Erste Studien bestätigen nun, dass der neue Wirkstoff tatsächlich geeignet ist, die diabetische Stoffwechsellage zu verbessern. 316 Betroffene mit einer Diabetesdauer von durchschnittlich neun Jahren und einem HbA1c zwischen 7,0 und 10,5 % wurden während eines halben Jahres mit LY3298176 behandelt. Das Medikament wurde in verschiedenen Dosierungen einmal pro Woche unter die Haut gespritzt.
Nicht unerwartet senkte die höchste Dosierung (15 mg) das HbA1c am meisten. Nach sechs Monaten verbesserte sich der Langzeit-Blutzucker um durchschnittlich fast 2 % und damit noch deutlich mehr als bei Kontrollpersonen, die mit einem GLP-1-Analogon allein behandelt wurden (1,2 %). Viele erreichten am Ende ein Resultat unter dem Zielwert von 6,5 – 7,0%.
Als «Nebeneffekt» konnte mit LY3298176 auch das Körpergewicht sehr erfolgreich reduziert werden. Die Studienteilnehmer nahmen in einem halben Jahr bis zu 11,3 kg ab. Unter der Höchstdosis von 15 mg konnten über 70 % der Patienten das Körpergewicht um mehr als 5 % reduzieren.
Von der Behandlung mit GLP-1-Analoga ist uns hinlänglich bekannt, dass als Nebenwirkungen Durchfall, Übelkeit und Erbrechen auftreten können. Unter der höchsten geprüften Dosis von LY3298179 waren diese noch etwas häufiger als unter Dulaglutid, dem zum Vergleich eingesetzten GLP-1-Analogon. Diese Nebenwirkungen waren bei den meisten Probanden erwartungsgemäss nur vorübergehend. Schwere Unterzuckerungen waren nicht zu verzeichnen.
Die gleichzeitige Behandlung mit den zwei Darmhormonen GLP-1 und GIP ist also möglich, hinreichend verträglich und höchstwahrscheinlich sicher. Sie ist effektiver als die Therapie mit einem GLP-1-Analogon allein. Gespannt dürfen wir die Resultate weiterer Studien und Verträglichkeitsprüfungen erwarten.

Neues auch für den Typ-1-Diabetiker?
Beim Typ-1-Diabetes besteht ausnahmslos ein Insulinmangel. Folglich muss immer Insulin gespritzt werden. Zwar werden die technischen Möglichkeiten zur Insulinabgabe laufend verbessert. Die Insulinpumpe ist das klassische Beispiel dafür. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sind aber sehr eingeschränkt.
Kürzlich wurden die Resultate einer ersten Studie veröffentlicht, welche mit Subetta als Zusatz zur bestehenden Insulintherapie durchgeführt wurde. Subetta ist ein Gemisch von sogenannten «polyklonalen Antikörpern» also ein «biologisches», nicht primär ein «chemisches» Medikament. Es stimuliert – unter anderem – die Insulinrezeptoren im menschlichen Körper. Damit unterstützt es die Insulinwirkung.
151 mit einer stabilen Basis-Bolus-Therapie behandelte Typ-1-Diabetiker erhielten zusätzlich 4 × 1 Tablette Subetta oder 4 × 1 Tablette Placebo pro Tag. Aufgrund regelmässiger Blutzuckerkontrollen wurde die Insulindosis bei Bedarf angepasst. Nach 36 Wochen verbesserte sich das HbA1c bei den zusätzlich medikamentös Behandelten um durchschnittlich 0,39 %. Insulindosen, Gewicht und Nebenwirkungen waren bei beiden Gruppen gleich.
Diese Studie bestätigt zwar, dass das Konzept der Stimulation der Insulinrezeptoren funktioniert. Ob Aufwand (mögliche Langzeit-Nebenwirkungen, zu erwartender Preis etc.) und Ertrag (geringe HbA1c-Senkung) allerdings in einem vernünftigen Bereich liegen, muss mit weiteren Studien untersucht werden. Wir glauben eher an eine Zukunft mit zusätzlichen technischen Verbesserungen der Insulinzufuhr und der (kontinuierlichen) Blutzuckermessung.

AutorIn: Dr. med. K. Scheidegger