Impfung BCG, junge Frau wird in Oberarm geimpft

Die BCG-Impfung (Abkürzung von Bacillus Calmette-Guérin-Impfung) wurde bereits 1921 entwickelt. Sie besteht aus speziell behandelten («attenuierten»), nicht infektiösen Bakterien und wurde jahrelang zur Tuberkulosebekämpfung eingesetzt.
Nun haben Untersuchungen an Tieren, die an Diabetes erkrankt sind, gezeigt, dass durch die Verabreichung einer BCG-Impfung das Fortschreiten der Krankheit gestoppt und die körpereigene Produk­tion von Insulin stimuliert werden können. Der Mechanismus dahinter ist unter anderem eine erhöhte Produktion von sogenanntem TNF («Tumor Necrosis Factor»), der das Immunsystem beeinflusst und eine Erholung der erkrankten Bauchspeicheldrüse bewirkt.
Sind diese ermutigenden Ergebnisse auch in der Humanmedizin anwendbar?
In einer amerikanischen Studie hat man langjährige Typ-1-Diabetiker mit BCG geimpft. Dann hat man den weiteren Verlauf während 20 Wochen nachkontrolliert und mit einer Gruppe nichtgeimpfter Typ-1-Diabetiker verglichen. Die Ergebnisse bei den geimpften Personen waren mehrheitlich positiv, aber nicht zeitlich anhaltend. Es zeigte sich nämlich, dass in der BCG-geimpften Gruppe die Zahl der zerstörerischen Zellen des Immunsystems, die für den Verlust der Funktion der Bauchspeicheldrüse verantwortlich sind, deutlich abnahm. Auch kam es bei zwei von sechs geimpften Probanden zu einem Anstieg der körpereigenen Insulinfreisetzung.
Interessanterweise war dies auch der Fall bei einem nichtgeimpften Diabetiker, der während des Versuchs eine Infektion mit dem Ebstein-Barr-Virus durchmachte. Dieses Virus verursacht das Pfeiffersche Drüsenfieber und hatte im Versuch den gleichen Effekt wie die BCG-Impfung: Das Ebstein-Barr-Virus stimuliert nämlich ebenfalls die Produktion von TNF.
Was kann man aus solchen und ähnlichen Versuchen folgern?
Mit einer gezielten Manipulation des Immunsystems kann man offenbar den Verlauf des Typ-1-Diabetes günstig beeinflussen. Dies funktioniert scheinbar auch bei schon lange bestehendem Typ-1-Diabetes. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis man diese Erkenntnis im praktischen Alltag und mit anhaltendem Erfolg umsetzen kann.

(Dr. med. Pietro Gerber, Redaktor d-journal Ticino; gekürzt und für Deutsch bearbeitet von pract. med. Vera Dalla Via, Muri/AG)

Anmerkung der Redaktion: Bereits in «d-journal» 237, 2015 (Ist Diabetes eine heilbare Krankheit?) hat Prof. M. Donath, Basel, den aktuellen Stand der Forschung zum Typ-1-Diabetes genau dargestellt und auch die Rolle des TNF genauer beschrieben.

AutorIn: Dr. med. Pietro Gerber, Redaktor d-journal Ticino