Insulin und Spritzen

In der Schweiz sind achtzehn verschiedene Insuline auf dem Markt.

Von sehr rasch wirksamen bis hin zu sehr lang wirkenden steht heute eine grosse Anzahl Insuline zur Verfügung. Im Folgenden soll ein einfacher Überblick über die
in der Schweiz aktuell zugelassenen und erhältlichen Insuline gegeben werden.

Bewusst wird dabei auf Empfehlungen zu einzelnen Insulinen verzichtet. Dies muss individuell mit der Ärztin oder dem Arzt entschieden werden, weil die Wahl des Insulinpräparates von vielen Faktoren abhängt: Eine Rolle spielen zum Beispiel, welcher Diabetes-Typ vorliegt, ob jemand körperlich sehr aktiv ist, was für Blutzuckerzielwerte angestrebt werden sollen, ob die Bereitschaft und die Möglichkeit vorhanden sind, den Blutzucker selbst zu messen und Vieles mehr.
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie man die vielen Insuline einteilen kann, um einen besseren Überblick zu erhalten:

1. Einteilung der Insulinpräparate nach Herstellungs- resp. Gewinnungsart
Man unterscheidet zunächst zwischen tierischem Insulin, das aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern gewonnen wurde, und menschlichem Insulin (in der Fachsprache Human­insulin).
Tierisches Insulin ist in der Schweiz seit Herbst 2015 nicht mehr auf dem Markt. Humaninsulin stammt nicht aus Bauchspeicheldrüsen lebender oder verstorbener Menschen. Vielmehr werden diese Insuline industriell gentechnisch mit Hilfe von Bakterien oder Hefe hergestellt. Analoginsulin ist menschliches Insulin, dessen chemische Struktur (Molekül) im Labor nachträglich so verändert wird, dass es ein anderes, für die Verabreichung unter die Haut mittels Pen oder Pumpe günstigeres Wirkprofil hat.

2. Einteilung der Insuline nach dem Wirkprofil
Unter dem Wirkprofil eines Insulins versteht man
a) Den Wirkeintritt: Dies ist der Zeitpunkt nach der Insulininjektion, wo das Insulin im Blut angekommen ist und die Insulinwirkung beginnt.
b) Das Wirkmaximum: Darunter versteht man die grösste Wirksamkeit des Insulins. Das Wirkmaximum ist dann, wenn die Konzentration des Insulins im Blut am grössten ist.
c) Die Wirkdauer: Dies ist die Zeitdauer, in der das Insulin im Blut nachweisbar ist und eine Wirkung entfalten kann. Die Wirkung des Insulins erreicht nach der Injektion mehr oder weniger schnell einen maximalen Wert. Im Lauf der weiteren Stunden lässt die Wirkung je nach Präparat rascher oder langsamer wieder nach und verschwindet schlussendlich vollständig.

Nachfolgend werden die Wirkprofile der einzelnen Insulinpräparate vorgestellt. Dabei sei auch auf die Abbildung bzw. die Tabellen 1 (In der Schweiz zugelassene Insuline) und 2 (Wirkprofile einzelner Insulinarten) verwiesen.

Tabelle in der Schweiz zugelassene Insuline

Wirkprofile einzelner InsulinartenSehr rasch und rasch wirksame Insuline
Dies sind ausschliesslich Analoginsuline. Sie decken den Insulinbedarf für eine bevorstehende Mahlzeit ab und/oder werden gebraucht, um zu hohe Blutzuckerwerte nach unten zu korrigieren. Man spricht deshalb von Essens- oder Korrekturinsulinen.
Ihre Wirkung setzt etwa 5 bis 15 Minuten nach dem Spritzen unter die Haut ein, das Wirkmaximum wird nach 20 bis 30 Minuten erreicht, die Wirkung hält zwischen 2½ und 5 Stunden an.
Weil diese Insuline sehr rasch wirken, werden sie in der Regel erst unmittelbar vor dem Essen (in Ausnahmefällen sogar erst unmittelbar danach) injiziert. Der schnelle Wirkeintritt und das rasch erreichte Wirkmaximum verhindern einen zu starken Blutzuckeranstieg nach dem Essen.

Kurzwirksame Insuline
Hierbei handelt es sich um menschliche Insuline. Sie werden ebenfalls für die Mahlzeiten und die Korrektur zu hoher Blutzuckerwerte gebraucht.
Die Wirkung tritt im Vergleich zu den rasch wirksamen Insulinen etwas später ein, nämlich erst nach 30 bis 60 Minuten. Darum wird empfohlen, die Insulininjektion zirka 15 bis 30 Minuten vor der Mahlzeit vorzunehmen. Das Wirkmaximum tritt 2 bis 4 Stunden nach Verabreichung auf. Die Wirkdauer liegt zwischen 5 und 8 Stunden. Seit Einführung der rasch wirkenden Analoginsuline sind diese Insuline heutzutage nur noch selten gebräuchlich.

Intermediär wirksame Insulins
Diese Insuline sind bekannt unter der Bezeichnung NPH-Insuline (NPH bedeutet «Neutral-Protamin Hagedorn»). Die verzögerte Wirkung wird durch Zusatz von bestimmten Wirkstoffen (Eiweiss) erreicht. Sie werden vornehmlich als Basisinsuline gebraucht, um den täglichen Grundbedarf an Insulin abzudecken. Ihr Wirkeintritt beginnt nach 1 bis 2 Stunden. Das Wirkmaximum hält 4 bis 6 Stunden an. Die Wirkdauer beträgt höchstens 18 Stunden.
Diese Insuline müssen deshalb zweimal täglich gespritzt werden, um die 24 Stunden des Tages abzudecken. Ihr Nachteil ist das erwähnte, relativ kurze Wirkmaximum von 4 bis 6 Stunden nach Injektion, weshalb sie oft den nächtlichen Insulinbedarf nicht bis zum nächsten Morgen abzudecken vermögen. Resultat ist ein starker Blutzuckeranstieg gegen den Morgen.
Bei Applikation vor dem Schlafengehen wird das Wirkmaximum zu einem Zeitpunkt erreicht, wo der Insulinbedarf des menschlichen Körpers extrem tief ist (2.00 Uhr morgens). Die Gefahr nächtlicher Unterzuckerungen (Hypoglykämien) ist deshalb gegenüber den modernen langwirksamen Insulinen wesentlich höher. Seit es die langwirksamen Analoginsuline gibt, sind NPH-Insuline nur noch wenig gebräuchlich.
Bei NPH-Insulinen ist zudem darauf zu achten, dass sie jedes Mal vor der Injektion gut durchmischt werden (Pen 20-Mal kippen oder rollen, nicht schütteln!)

Lang undsehr lang wirksame Insuline
Hier handelt es sich ausnahmslos um Analoginsuline. Ihr Wirkprofil ist sehr flach: Die Aufnahme ins Blut ist sehr langsam, oft kann fast kein eigentliches Wirkmaximum mehr nachgewiesen werden. Ihre Wirkung hält je nach Präparat bis 24 Stunden an (Tresiba® bis 42 Std.), weshalb sie (Ausnahme Levemir®) grundsätzlich nur einmal pro Tag gespritzt werden müssen. Vorteile gegenüber den intermediär wirksamen Insulinen sind die deutlich weniger häufig auftretenden (nächtlichen) Unterzuckerungen und die gesicherte Wirkung über die ganze Nacht hinweg, was einen tieferen Blutzucker morgens zur Folge hat.
Diese Insuline können unabhängig vom Zeitpunkt der Mahlzeiten injiziert werden, aber immer zur gleichen Tageszeit.

Wirkprofil Insuline in der Schweiz
Wirkprofil der in der Schweiz gebräuchlichsten Insuline mit Handelsnamen.
Farbig gezeigt werden Wirkeintritt nach Injektion unter die Haut (Pfeil), Wirkmaximum (dickste Stelle des Farbklecks) und Wirkdauer in Stunden (h). Das Wirkprofil ist bei einigen Insulinen abhängig von der Dosis: Je mehr Insulineinheiten (E) gespritzt werden, umso länger hält die Wirkung an.
Abb. © (©Pocket-Guide EndoDiabNET Aarau Basel Luzern, 2018)

Tabelle Wirkprofil Insuline

Mischinsuline
Dies sind vorgefertigte Mischungen aus einem intermediär oder langwirksamen Insulin und einem rasch- oder kurzwirksamen Insulin. Es gibt Mischungen, die 25 %, 30 % und 50 % rasch wirksames Insulin enthalten.
Mischinsuline sind nützlich, wenn jemand einen sehr regelmässigen Tages- und Mahlzeitenrhythmus hat und/oder auf Fremdhilfe für die Injektionen angewiesen ist. Sie werden in der Regel zweimal täglich vor den Hauptmahlzeiten morgens und abends verabreicht und decken so den Insulingrundbedarf über den Tag und den Mahlzeitenbedarf morgens und abends ab. Dies sind die Zeitpunkte, wo ein recht hoher Bedarf an Mahlzeiteninsulin besteht.
Ein Nachteil ist das fixe Verhältnis zwischen den beiden Insulinsorten, was eine gute Blutzuckereinstellung oft erschwert. Dies betrifft insbesondere den Nachmittag.
Bei Humalog-Mix-Präparaten, die NPH-Insulin als Basisinsulin enthalten, ist zudem darauf zu achten, dass sie jedes Mal vor der Injektion gut durchmischt werden (Pen 20-Mal kippen oder rollen, nicht schütteln!).

InsulinpensInsulinpens mit höherer Insulinkonzentration
Üblicherweise enthalten die Insulinpräparate (Ampullen, Fertigpens) pro Milliliter Flüssigkeit 100 Einheiten Insulin. Seit einigen Jahren sind mehrere Insulinpräparate als Fertigpen auch mit höheren Konzentrationen auf dem Markt. Tresiba® zum Beispiel ist auch in doppelter Konzentration als Tresiba 200® (200 Einheiten pro Milliliter) erhältlich, desgleichen auch Humalog® als Humalog U200®. Auch Lantus® resp. Abasaglar® gibt es im Fertigpen in konzentrierterer Form unter dem Namen Toujeo® mit 300 Einheiten pro Milliliter.
Der Vorteil dieser hochkonzentrierten Insuline ist, dass die bei gleicher Dosis gespritzte Flüssigkeitsmenge nur noch halb so gross respektive nur noch ein Drittel so gross ist wie sonst.
Toujeo® wirkt auch etwas länger als Lantus® und Abasaglar®, hat aber dafür gesamthaft eine etwas schwächere Wirkung.

Insulinpens mit zusätzlichem Diabetesmedikament
Menschen mit Typ-2-Diabetes stehen die Insuline Tresiba® und Lantus® auch als Kombinationspräparate mit einem Medikament gegen Diabetes zur Verfügung. Diese Pens enthalten neben dem langwirksamen Analoginsulin auch noch die Medikamente Liraglutid oder Lixisenatid und sind unter den Handelsnamen Xultophy® und Suliqua® auf dem Markt.

Fiasp®

Fiasp® ist ein neues, sehr rasch wirksames Mahlzeiten- und Korrekturinsulin, das von Novo Nordisk hergestellt wird und chemisch verwandt ist mit NovoRapid®. Durch Anfügen von Vitamin B3 an das Molekül von NovoRapid® ist es gelungen, den Wirkeintritt des Insulins um etwa 5 – 10 Minuten nach dem Spritzen zu beschleunigen.
Dadurch kommt es zu einem tieferen Blutzuckerspiegel nach dem Essen um rund 0,5 bis 1 mmol/l, was sich letztendlich günstig auf den Langzeitwert HbA1c auswirkt.
Das Insulin ist erst seit wenigen Monaten auf dem Schweizer Markt. Viele Diabetikerinnen und Diabetiker, die versuchsweise auf dieses neue Insulin gewechselt haben, beobachten und verspüren diese rasche, manchmal auch fast zu rasche Wirkung sehr wohl und müssen sich an dieses neue Insulin erst noch gewöhnen.

AutorIn: Dr. med. A. Spillmann