Detailansicht des Inneren eines Knochens

Es ist weithin bekannt, dass Diabetiker für zahlreiche Erkrankungen wie Augenhintergrundveränderungen, Herzkreislauferkrankungen, Nieren- oder Nervenschäden deutlich anfälliger sind als Nichtdiabetiker. Daher sind jährliche Screenings im Hinblick auf diese Komplikationen allgemein anerkannt. Weit weniger bekannt ist jedoch, dass Diabetiker im Vergleich zu Nichtdiabetikern deutlich häufiger niedrigtraumatische Knochenbrüche, d. h. Knochenbrüche ohne grössere Krafteinwirkung, wie zum Beispiel nach Stürzen aus dem Stand, erleiden. Dies gilt zweifelsfrei sowohl für Typ-1- als auch Typ-2-Diabetiker.

So weiss man heute, dass der Diabetes mellitus einen Risikofaktor für niedrigtraumatische Knochenbrüche darstellt. Warum sind trotz dieser Erkenntnisse routinemässige Messungen der Knochendichte zur Vorsorge bei Diabetikern noch nicht weit verbreitet? Dies liegt zum Teil daran, dass die Auswirkungen des Diabetes auf den Knochenstoffwechsel und die Knochenbrüchigkeit bisher noch nicht allgemein bekannt und auch noch nicht vollständig verstanden sind. Daher möchten wir ­Ihnen in diesem Artikel Informationen zu Knochenaufbau und Knochenbrüchigkeit sowie zum aktuellen Stand der Forschung bezüglich Dia­betes und Osteo­porose geben. Zudem möchten wir darauf hinweisen, was Sie als Betroffene selbst vorbeugend tun können, um einem erhöhten Knochenbruch­risiko entgegenzuwirken. Im ersten Teil besprechen wir den normalen Knochenaufbau, unabhängig von einem allfälligen Diabetes.

Knochenarchitektur

Querschnitt eines KnochensDer menschliche Knochen ist materialsparend nach einem Leichtbauprinzip aufgebaut: Um sowohl höchste Stabilität als auch optimale Gewichtseinsparung zu gewährleisten, besteht das Knocheninnere aus unzähligen Hohlräumen, die von einem Gerüst aus dicht vernetzten Knochenbälkchen umgeben sind. Aussen findet sich eine feste Schicht, die Knochenwand. Diese einzigartige Knochenarchitektur diente zum Beispiel als Inspirationsquelle für den Bau des Eiffelturms.

Materialeigenschaften des Knochens:
Gesunder Knochen benötigt ein ausgewogenes Verhältnis von harter, mineralischer Substanz, den Kalziumbausteinen, und Bindegewebsfäden (Kollagen), welche den Knochen biegsam und elastisch machen.

Gleichgewicht Knochenaufbau/Knochenabbau:
Anders als weithin angenommen, ist der Knochen ein sehr anpassungsfähiges Gewebe: So schafft Krafteinwirkung, wie zum Beispiel durch Sport, einen Anreiz zum Knochenaufbau: die Knochenbälkchen können sich an die belastenden Kräfte anpassen und im Bereich von Belastungszonen ein dichteres Netzwerk bilden. Durch Überlastung kann es auch im gesunden Knochen zu kleinen Rissen kommen, die jedoch durch das Zusammenspiel von knochenabbauenden und knochenaufbauenden Zellen von selbst wieder repariert werden können.
In der Jugend überwiegt der Knochenaufbau, ab dem 30. Lebensjahr kommt es natürlicherweise zu einem Knochenabbau von etwa 1% pro Jahr.

Knochenaufbau – was macht den gesunden Knochen stark?
Für einen gesunden, funktionsfähigen Knochen ist massgeblich, dass er sowohl hart als auch elastisch ist, um den verschiedensten Druck- und Zugbelas­tungen standhalten zu können. Die Stärke eines Knochens ist neben der reinen Knochenmasse bzw. dem Knochenmineralgehalt von der Qualität des Knochens abhängig. Die Knochenmasse kann recht einfach über eine Knochendichtemessung bestimmt werden. Hier wird das Verhältnis der mine­ralisierten Knochenmasse zu einem definierten Volumen gemessen. Die Knochenqualität ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Die Architektur der Knochenbälkchen, aber auch die Material­eigenschaften des Knochens sowie das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und -abbau spielen dabei eine wichtige Rolle. Durch die Vielzahl der zu untersuchenden Parameter ist die Bestimmung der Knochenqualität aufwändiger. Diese wird deshalb bisher nicht routinemässig untersucht.

Osteoporose – wie können Sie vorbeugen?
Bei Personen mit Osteoporose kommt es zu einem verstärkten Verlust von Knochenmasse, zum Teil einhergehend mit minderwertiger Knochenqualität. Der Knochen wird abgebaut und dadurch weniger stabil. So sind allein in der Schweiz 400 000 Personen von einer Osteoporose betroffen, einer Erkrankung, die meist nach dem 60. Lebensjahr in Erscheinung tritt. Aktuell leiden 25 – 35% der über 65jährigen Frauen unter osteoporotischen Knochenbrüchen, aber auch viele Männer sind betroffen. Ein Problem dieser Erkrankung ist, dass sie lange unbemerkt bleibt und leider oft unterschätzt wird. Osteoporotische Knochenbrüche entwickeln sich oft langsam aus einer Summe von Knochenrissen, die nicht mehr ausreichend repariert werden können. So kann ab einem kritischen Zeitpunkt ein harmloser Sturz – manchmal genügt selbst ein kräftiges Niesen oder Husten – zu Knochenbrüchen führen. Warnzeichen für eine Osteoporose können neben Rückenschmerzen eine Körpergrössenabnahme oder auch die Entwicklung eines sogenannten Witwenbuckels als Hinweis auf einen Wirbelkörperbruch sein.

Das macht die Knochen stark

Calcium: Zur Bildung von starkem Knochen wird Calcium benötigt. Bei Calciummangel kann der altersabhängige Knochenverlust verstärkt werden. Daher wird empfohlen, täglich 1000 – 1500 mg Calcium über die Nahrung aufzunehmen. Die wichtigsten Calciumlieferanten sind Milch- und Milchprodukte, aber auch bestimmte Mineral­wasser. Ihre persönliche Calciumbilanz können Sie unter «www.osteoporose-vorsorge.ch» berechnen. Dort findet sich auch eine Nährwertangabe calciumhaltiger Lebensmittel.

Vitamin D: Um das mit der Nahrung aufgenommene Calcium ins Blut aufnehmen und in den Knochen einbauen zu können, benötigt der Körper Vitamin D. Vitamin D spielt auch bei der Sturzprophylaxe eine wichtige Rolle, da ein Mangel die Sturzgefahr erhöht. Durch Sonneneinstrahlung kann Vitamin D in der Haut selbst gebildet werden. Allerdings ist die körpereigene Bildung im Alter wie auch in den Wintermonaten oft unzureichend. Zur Vorbeugung einer Osteoporose empfiehlt sich eine Vitamin D Versorgung mit 800 Einheiten / Tag.

Körperliche Aktivität: Dynamische Übungen mit Wechsel von Be- und Entlastung des Knochens, wie beispielsweise durch Gymnastik können die Knochenneubildung stimulieren. Zudem verbessert regelmässige Bewegung Koordination und Gleichgewichtssinn und kann so Stürzen vorbeugen. Empfohlen sind Sportarten wie Gymnas­tik, Gehen oder Joggen. Schwimmen oder Radfahren sind weniger geeignet, da hier weniger Kräfte auf den Knochen einwirken.

Osteoporose "Witwenbuckel"Knochenbrüche, gerade im höheren Alter, können zu Behinderung und Verlust von Lebensqualität und Selbständigkeit führen. Die oft schwerwiegenden Folgen lassen sich zum grossem Teil durch eine Früherkennung vermeiden: Mit einer Knochendichtemessung kann die Osteoporose einfach erkannt werden. Eine medikamentöse Behandlung kann ein erhöhtes Knochenbruchrisiko effektiv senken.
Was können Sie selbst tun, um Ihren Knochen zu schützen? Die allgemeine Osteoporosevorsorge steht im Wesentlichen auf drei Säulen: einer genügenden Calcium- und Vitamin D Versorgung sowie regelmässiger körperlicher Aktivität. Daneben sollte auf übermässigen Konsum von Alkohol und auf das Rauchen verzichtet werden.

Dr. med. Lilian Sewing
Prof. Dr. med Christian Meier
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus, Universitätsspital Basel
und Endonet – Endokrinologische Praxis & Labor, Basel